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Bossa Nova


Szene Szene

Bruno Barreto

Regie

Nachdem er zehn Jahre in den USA gelebt und dort vier Kinofilme gedreht hatte, kehrte Bruno Barreto 1996 zurück in seine Heimat Brasilien, um Four Days in September zu drehen, einen Politthriller, der 1998 für den Oscar als Bester Fremdsprachiger Film nominiert wurde.

Die Erfahrung, in Rio de Janeiro zu arbeiten, jener Stadt, in der er geboren und aufgewachsen war, war so schön, dass Barreto sie gerne wiederholen wollte. Also kam er für Bossa Nova, seinen 14. Spielfilm, erneut nach Rio zurück.

"Seit Dona Flor and her Two Husbands wollte ich immer noch einmal eine romantische Komödie drehen", sagt der Regisseur. Bis heute ist Dona Flor, der 1976 in den brasilianischen Kinos anlief, mit über 12 Millionen Zuschauern und zahlreichen internationalen Verkäufen einer der erfolgreichsten Filme in der Geschichte Brasiliens.

Mit Bossa Nova, den er Tom Jobim und François Truffaut gewidmet hat, versucht Barreto nun, das Rio der 60er Jahre wieder entstehen zu lassen, jene Zeit also, in der die Menschen freundlich miteinander umgingen und wo die Stadt in der brasilianischen Popmusik gefeiert wurde. Dieses Rio wollte er filmen - und mittenhinein stellte er seine Frau, die Schauspielerin Amy Irving, in ihrer Hauptrolle als Englischlehrerin Mary Ann.

Für Barreto ist der Film nicht nur ein, wie er sagt, "Geschenk" an seine Frau, sondern auch Ausdruck seiner Erinnerung an seine eigene Eingewöhnungsphase in Amerika. Nicht zufällig also spielen sprachliche Missverständnisse und kleine (beiderseitige) Kulturschocks eine so wichtige Rolle in der temporeichen romantischen Story des Films. Neun Menschen suchen darin die Liebe, inmitten atemberaubender "carioca"-Schauplätze ("carioca" = "zu Rio gehörend").

"Ich wollte", sagt Barreto abschließend, "einen Film drehen, der die Seele des Zuschauers ein wenig erhellt und ein Lächeln auf sein Gesicht zaubert, wenn er das Kino verläßt."


Ein Interview mit Bruno Barreto:

Wann hatten Sie die Idee zu Bossa Nova?

Den Film auf die Leinwand zu bringen, hat eine ganze Weile gedauert. 1990 waren Amy und ich im Urlaub in Búzios am Meer, wo uns Arnaldo Jabor, ein Brasilianer und Regie-Kollege von mir, besuchte. Er wollte Amy einen Film pitchen, "Miss Simpson", die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Sérgio Sant' Anna. Ich war sofort fasziniert von der Story. Zugegeben, ich war blass vor Neid auf dieses Projekt und dachte mir immer wieder, "Warum nur hab ich dieses Buch nicht zuerst gefunden?"

Die Jahre vergingen und ich habe Jabor die ganze Zeit angequengelt, wann er mir denn nun endlich die Rechte an "Miss Simpson" abgeben würde. Endlich dann, als ich 1997 wegen des Kinostarts von Four Days in September wieder in Brasilien war, warf ich die Frage erneut auf, und er sagte: "Ich weiß nicht, ob ich überhaupt noch einmal einen Film drehen kann, die Geschichte gehört Dir!" Ich habe sofort Leopoldo Serran angerufen, der für mich schon Dona Flor und Four Days in September geschrieben hatte, und wir machten uns beide daran, den Roman zu adaptieren und eine erste Drehbuch-Fassung zu erstellen. Später habe ich dann Alexandre Machado und Fernanda Young, ein junges Autorenpaar aus São Paulo, an Bord geholt, um die Drehfassung zu schreiben.

Nach neun Jahren außerhalb Brasiliens kamen Sie 1996 für Four Days in September zurück, einen Polit-Thriller, der auf einer realen Begebenheit beruht. Was hat Sie bewogen, diesmal eine bunte, sonnige, rasante romantische Komödie zu drehen, inspiriert von Tom Jobims Musik?

Meine nostalgischen Gefühle für Brasilien, speziell für Rio. Manchmal spüre ich da so ein Stechen im Herz. Der ganze Dreh zu Four Days in September war eine sehr schöne Erfahrung gewesen, und ich habe nun neun Jahre lang in Amerika gelebt, während deren ich nur als Tourist zurückgekommen bin.

Das erfüllte mich mit der Sehnsucht, wieder in Rio zu drehen - allerdings in dem Rio, wo ich in den 60er Jahren aufgewachsen bin. Das war damals, vor dem Bauboom, noch eine Stadt, in der das Leben herzlicher war. Das Rio von Bossa Nova ist das Rio, wie es Tom Jobim und all die anderen Liedermacher in ihren Songs besingen: voll bezaubernder, natürlicher Schönheit. Und natürlich wollte ich dort einen Film drehen, in dem Amy die Hauptrolle spielt. Da passte die Geschichte von "Miss Simpson" wie angegossen.

Würden Sie sagen, Rio spielt eine eigene Rolle in dem Film?

Zweifellos. Und es ist auch ein Rio, das wir alle gerne gekannt hätten: ein Rio, das nach den 50er Jahren, nach der Architektur von Lúcio Costa und Oscar Niemeyer, nicht mehr weitergebaut wurde. Wir haben am Ipanema Beach gedreht, vor dem historischen Hotel Copacabana, an der Botafogo Bay, in und vor Art-Deco-Häusern - in einem Rio also, in dem kein Mensch ganz allein glücklich werden kann. Eine Stadt, deren ganze Schönheit sich einem erst erschließt, wenn man verliebt ist.

Ich sage gern, dass man sein Geld in São Paulo verdient, in New York einkaufen geht und seine Filme in Los Angeles macht. Aber in Rio, da musst du verliebt sein, um den ganzen Charme der Stadt genießen zu können. Wenn du alleine bist, bleibt die Stadt dir verschlossen.

Dieses Bedürfnis, in Rio verliebt zu sein, ist einer der Subtexte des Films. Gleichzeitig wollte ich keinen "historischen" Film drehen. Deshalb spielt die Geschichte in der heutigen Zeit, die Figuren und der Plot sind ganz modern. Für mich ist der Film, was der Song "Airplane Samba" für Tom Jobim war - oder was Manhattan für Woody Allen war. Nur dass zu Manhattan Gershwin und New York gehören, und zu Bossa Nova Tom Jobim und Rio. Ich wollte der Stadt, aus der ich komme, einen Liebesbrief schreiben.

Warum ist der Film gleichzeitig Tom Jobim und François Truffaut gewidmet?

Truffaut ist der Filmemacher, den ich von allen am meisten bewundere und den ich immer für meinen größten Meister gehalten habe. Entsprechend ist ihm der Film gewidmet - ebenso wie Tom Jobim, der ein guter Freund von mir ist und mit dem ich schon gemeinsam an Gabriela (mit Marcello Mastroianni und Sonia Braga) gearbeitet habe. Tom Jobim und François Truffaut haben sich nie in ihrem Leben getroffen, aber das hätten sie tun sollen! Ich bin sicher, sie hätten gemeinsam etwas gemacht, vielleicht hätte Truffaut sich Jobims Lied "How Insensitive", das in Bossa Nova von Sting gespielt wird, zu einem Film inspirieren lassen. Für mich hatten die Beiden viel miteinander zu tun - Toms Lieder und die Romantik in Truffauts Filmen waren meine größte Inspiration zu Bossa Nova -, deshalb habe ich ihnen diese Widmung gegeben. Natürlich mag ich auch das Tempo und den Witz von Howard Hawkes' romantischen Komödien.

Worin unterscheidet sich Bossa Nova von Ihren bisherigen Filmen?

Weil es eine Komödie ist, habe ich versucht, die Atmosphäre von Dona Flor wieder entstehen zu lassen, ebenso wie die Frische und Energie von Tati, The Girl, meinem Regiedebüt als 17-Jähriger.

Ich wollte alles abschütteln, was ich über das Filmemachen wusste, und wollte mich von keinerlei Konzepten oder vorgefassten Meinungen einengen lassen. Ich wollte einen komischen Film drehen und die Zuschauer unterhalten.

Bossa Nova ist ein Ensemble-Film, und nachdem es eine Komödie ist, hängt alles vom Timing ab. Ich wollte den Figuren oder den Schauspielern und ihrem Tempo nichts in den Weg stellen. Ich wollte, dass das Publikum sich beim Anschauen des Films genauso vergnügt wie es uns Spaß gemacht hat, ihn zu drehen.

Der Film hat zwei Hauptfiguren - die Englischlehrerin Mary Ann und den Anwalt Pedro Paulo - und ein ganzes Ensemble von Nebenrollen. Wie haben sie die vielen einzelnen Geschichten zusammengefügt?

Der Film erzählt die Geschichte von neun Menschen, die sich entweder gerade trennen oder sich finden. Letzteres ist der Fall bei den Hauptfiguren Mary Ann und Pedro Paulo, aber die Situation erstreckt sich auch auf alle Nebenfiguren. Bei der Englischlehrerin laufen alle Geschichten zusammen, kreuzen oder überschneiden sich.

Mary Ann, eine ehemalige Stewardess, ist eine verwitwete Amerikanerin, die am Ipanema Beach lebt, seitdem vor zwei Jahren ihr Ehemann gestorben ist. Sie ist eine lebendige Frau, die trotzdem seit dem Tod ihres Mannes mit keinem anderen zusammengewesen ist - bis sie dann Pedro Paulo kennenlernt. Dessen Bruder Roberto wiederum verliebt sich in die Praktikantin seiner Anwaltskanzlei, Sharon, die wiederum eher an dem Fussballstar Acácio interessiert ist.

Dann ist da noch Tânia, die Ex-Frau von Pedro Paulo, die ihn wegen eines Tai-Chi-Lehreres verlassen hat und sich dann eines besseren besinnt und zu ihm zurückkehren will, und Nadine, die sich übers Internet mit einem Amerikaner verabredet hat. All diese Geschichten überschneiden sich in sehr komischen Situationen.

Wie wirkt sich die Figur einer Englischlehrerin auf die Geschichte aus?

Ich denke, eines der netten Dinge in diesem Film sind genau diese kleinen sprachlichen Ausrutscher und Missverständnisse, die passieren, wenn die Leute versuchen, sich in einer fremden Sprache näher zu kommen. Übrigens war einer der Titelvorschläge für den Film "Auf Englisch, bitte".

Ich scherze gelegentlich, dass dieser Film meine Erfahrungen in Amerika widerspiegelt, er ist meine kleine Rache an den kulturellen Unterschieden, die man dort spürt. Es gibt mehrere sprachliche Gags, die köstliche Missverständnise hervorrufen, zum Beispiel zwischen Nadine und ihrem "Freund" Gary, mit dem sie übers Internet kommuniziert. Sie verliebt sich Hals über Kopf, wenn er seine e-mails mit "Love, Gary" unterzeichnet, aber Mary Ann weist sie darauf hin, dass "die Leute in Amerika 'I love you' genauso nebenher sagen wie 'Good-bye'."

Wie war es, die Besetzung zusammenzusuchen?

Seit dem ersten Moment, in dem Jabor das Projekt angesprochen hatte, wollte ich den Film mit Amy drehen, und Bossa Nova ist mein Geschenk an sie. Wir hatten zuvor bereits bei zwei anderen Filmen zusammengearbeitet. Tatsächlich haben wir uns kennengelernt, als ich meinen ersten amerikanischen Film gedreht habe, A Show of Force. Ich würde sagen, dass wir auf dem Set am allerbesten auskommen. Ich bin der Regisseur, und sie ist die Geisha.

Mit Fagundes zu arbeiten, davon habe ich geträumt, seit ich Dona Flor gedreht habe. Ich wollte ihn damals für die Hauptrolle, aber er musste wegen anderer Verpflichtungen absagen. Er ist zweifellos einer der größten und wichtigsten Schauspieler Brasiliens, und mich erinnert er immer an Marcello Mastroianni.

Diese Leichtigkeit, mit der er spielt, macht mich völlig fertig, denn ich selbst leide immer furchtbar unter den Anstrengungen des Regieführens. Ich hätte gerne diese scheinbare Mühelosigkeit, mit der er seine Figuren mit Leben erfüllt.

Es war auch wunderbar, wieder mit Pedro Cardoso zu arbeiten, ebenso wie mit den anderen Darstellern, die ich noch nicht kannte: Débora Bloch, Alexandre Borges, Drica Moraes, Giovanni Antonelli, Sérgio Loroza - alles erstklassige Komödianten. Und natürlich gehören auch die beiden ausländischen Schauspieler dazu, der Amerikaner Stephen Tobolowski und der Argentinier Alberto de Mendoza, der den Juan spielt, Pedro Paulos Vater.

Schon am Titel ist ersichtlich, dass die Musik in Bossa Nova eine große Rolle spielt.

Genauso wie der Schauplatz ist auch die Musik eines der Schlüsselelemente des Films. Tatsächlich ergänzt sich beides. Zu den Songs im Film gehören unter anderem "How Insensitive", "Useless Landscape" und "Quiet Night, Quiet Stars". Manche Lieder sind neu interpretiert worden, von englischen und portugiesischen Künstlern. "How Insensitive" zum Beispiel singt Sting.

Bossa Nova ist heute hipper als je zuvor, und zwar in der ganzen Welt, nicht nur in Brasilien. Überall werden Bossa-Nova-Weisen eingespielt. Ich bin einmal an einer Schule in meiner Straße in New York vorbeigegangen und habe gehört, wie ein paar 14- oder 15-jährige Kids "No More Blues" gepfiffen haben. Ich habe sie gefragt, ob sie denn wüßten, was das für ein Lied sei, und sie haben gesagt: "Das ist dieser amerikanische Song ,No More Blues', der dauernd im Radio läuft." Man sieht: Der Bossa Nova ist international geworden und gehört nicht mehr allein den Brasilianern.




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