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The Cell
Zellen, Alpträume und Leichenhaut
Endlose Weite und tödliche Enge: Das Setdesign
The Cell spielt zu einem Großteil in einer ebenso
phantastischen wie lebendigen Landschaft - im Innersten der Träume
und erschreckenden Phantasien eines Serienkillers. Carl Starghers
Traumwelt ist wie ein auf den Kopf gestelltes Wunderland, ein
bedrückender, unheimlicher Ort voller Dämonen und dunklen
Ecken, wie ihn Hieronymus Bosch nicht besser hätte erfinden
können.
[Foto: Vincent Vaughn und Jennifer Lopez]
Für Tarsem ist das eine Spielwiese, auf der er sein ganzes
Talent entfalten kann, indem er ein radikales Produktionsdesign,
ultramoderne visuelle Effekte und eine luzide Kameraführung
aufeinandertreffen lässt. Dabei arbeitete er eng mit dem
britischen Produktionsdesigner Tom Foden zusammen sowie mit seinem
langjährigen Kameramann Paul Laufer (der Tarsem kennenlernte,
als er ihn am College unterrichtete), dem Spezialeffekte-Künstler
und Oscar-Preisträger Clay Pinney und dem auf visuelle Effekte
spezialisierten Kevin Tod Haug.
Das Gesamtkonzept des Films bestand, wie Produzent Eric McLeod
erklärt, darin, "zu zeigen, was das geistige Auge sieht".
Bilder aus der Traumdeutung tauchen auf, etwa Wasser in seiner
lebensspendenden und -bedrohenden Form oder Puppen, die Kindheit
und Tod symbolisieren, ebenso wie flirrende Kolibris. Unterschwellig
strahlt die Szenerie auch stets etwas Archaisches oder Animalisches
aus.
Die Zelle
Zu den realistischsten und gleichzeitig erschreckendsten Szenenbildern
gehörte die titelgebende Folterzelle, in der Stargher seine
Opfer gefangen hält und mittels eines ausgeklügelten
Zeitschalt-Mechanismus schließlich ertränkt.
Die Ausstatter bauten also eine weißgekachelte Todeszelle,
2,50 auf 2,50 Meter groß, von zwei zentimeterdicken Glaswänden
abgeschlossen. Gefüllt fasste diese Zelle fast 15.000 Liter
Wasser und wog an die 16.000 Kilo. Ein spezielles Leitungssystem
erlaubte es, den Raum innerhalb von fünf Minuten zu entleeren
und in 8 Minuten wieder zu fluten. Das Wasser war natürlich
geheizt, um die Schauspieler nicht zu gefährden, trotzdem
standen ausgebildete Taucher und versteckte Sauerstoffflaschen
jederzeit bereit.
"Diese Zelle sollte eine absolut klaustrophobische Atmosphäre
vermitteln", erklärt Tarsem. "Zuerst haben wir
sie größer gebaut, aber dann wollte ich sie immer
kleiner und kleiner, bis man wirklich das Gefühl hatte,
eingeschlossen zu sein."
Auch das Labor mit dem Raum, in dem Catherine, aufgehängt
an dünnen Drahtseilen, ihre virtuellen Reisen unternimmt,
weckte die Phantasie der Produktionsdesigner. Clay Pinney fertigte
nach dem Maß der Schauspieler Plastikschalen an, die man
unter den Latexanzügen nicht sah, die aber fest genug waren,
um ihr Gewicht zu halten. Der Raum steht voller wissenschaftlicher
Gerätschaften, die, wie Foden sagt, "ein bisschen nach
Comic-Heft aussehen, gleichzeitig glaubwürdig wirken und
einen Touch von Sciencefiction haben".
Jenseits der fassbaren Filmrealität spielten die Sequenzen
im Inneren der Geisteswelt des komatösen Jungen, den Catherine
aus seinem Trauma befreien soll. Gedreht wurden diese Szenen
in Afrika, wo ein fließendes, goldenes Meer aus Sand und
ein tiefblauer Himmel die grenzenlose Phantasie eines Kindes
repräsentieren sollten, während ein ausgetrockneter
Schiffsfriedhof gleichzeitig das Gefühl des Gefangenseins
vermittelte. "Diese Afrika-Szenen waren wie Zen, sehr ruhig
und voll kindlicher Phantasie", findet Tom Foden.
Ganz anders sah es da mit dem Ort aus, den die Produktion als
nächstes aufsuchte: das labyrinthartige schwarze Königreich
in Carl Starghers Kopf. Diese Kammern und Verliese wurden von
Grund auf in den Warner Studios in Hollywood gebaut: atemberaubende
Sets mit marmornen Fluren, schwebenden Seepferdchen, Muschelschalen
und in die Wände gemeißelten Stierbildern. Dies war
Starghers Phantasiewelt, hier werden durch seine Obsession mit
Wasser aus seinen Opfern schwimmende Seejungfrauen.
Ähnlich faszinierend und dramatisch - wenn auch längst
nicht so düster - ist Catherines Seelenlandschaft, eine
Kombination aus einem Schneepalast und einer riesigen Barbie-Puppen-Stube.
Tom Foden ließ sich dabei von den verschiedensten Quellen
inspirieren, von den stimmungsvollen Filmen des russischen Regisseurs
Andrei Tarkovsky über den magischen Realismus des tschechischen
Fotografen Jan Saudek und die primitive Malerei bis zu modernen
Skulpturen. "Wir haben alles, was wir an provokativen Bildern
finden konnten, durch ein Sieb gepresst und geschaut, was dabei
herauskommt", lacht Foden.
Die Magie, mit der diese Welt dann zum Leben erweckt wurde,
stammt von Kevin Tod Haug, der für die visuellen Effekte
zuständig war und damit für alles, "was nicht
gemacht werden kann". Gemeinsam mit Tarsem schuf Haug eine
Welt, die merkwürdig aus der Form geraten scheint und trotzdem
noch in der Realität verwurzelt ist - genau wie Träume.
Mittels Computertricks manipulierte er organische Stoffe wie
Wasser oder Mauern, um Bilder entstehen zu lassen, die ins Surreale
reichten. "Wir haben versucht, eine gewisse Subtilität
zu erzielen," erzählt Haug. "Eine Art felliniesker
Atmosphäre mit einem seltsamen, subjektiv realen Hintergrund."
Insgesamt, so erklärt Haug, "unterscheidet sich The
Cell von Filmen wie Star Wars vor allem darin,
dass die visuellen Effekte nicht in jedem einzelnen Bild sind.
Wenn sie aber auftauchen, schaffen sie sehr effektiv eine bestimmte
Atmosphäre und manipulieren den Blick des Zuschauers, wie
er die Welt wahrnimmt."
Maßgeschneiderte Alpträume: die Kostüme
von Eiko Ishioka
Für die phantastischen, leicht futuristischen Kostüme
- die fremdartigen Laboranzüge und die atemberaubenden Outfits
in der virtuellen Welt - von The Cell engagierte Tarsem
die bekannte japanische Designerin Eiko Ishioka, die für
ihr Kostümdesign zu Coppolas Dracula mit einem
Oscar ausgezeichnet wurde.
"Ich bin seit langem ein Fan von Eiko", sagt der Regisseur.
"Ihr Artwork war immer schon absolut unglaublich, und schließlich
war sie für eine echte kreative Revolution in den 70ern
verantwortlich. Als mich die Produzenten dann gefragt haben,
wer die Kostüme entwerfen sollte, habe ich sofort gesagt:
,Eiko.' Sie fragten, ,Im Stile von Eiko?' Und ich antwortete:
,Nein, von Eiko selbst!'"
Ishioka war fasziniert vom Drehbuch und begann sogleich, Tarsem
Zeichnungen von ihren Entwürfen zu Starghers Outfits zu
faxen. "Mir gefiel vor allem Starghers Alter-ego als König,"
erinnert sich die Designerin. "Ich wollte ihm ein ganz besonderes
und provokatives Aussehen geben, und ich wusste, ich konnte mich
darauf verlassen, dass Tarsem mir alle kreativen Freiheiten einräumen
würde. Ich habe versucht, mich bei Starghers Kostümen
von seiner Psychologie inspirieren zu lassen - letztlich aber
lässt sich sein Look nicht so einfach beschreiben."
Tatsächlich erinnern Ishiokas Kostüme an die unterschiedlichsten
Traditionen, von Samurai-Waffenröcken bis zu fernöstlichem
Schmuck. "Meine Motive stammen aus der ganzen Welt, aus
allen Kulturen," stimmt Ishioka zu. "Und aus dem, was
in meinem eigenen Kopf vorgeht. Ich habe meine eigenen Vorstellungen
davon, wie die Dinge aussehen können."
Ab einem gewissen Punkt wurden die Kostüme so zahlreich
und aufwendig, dass Ishioka sich die Arbeit mit April Napier
teilte, die dann für die Garderobe der Szenen, die im wirklichen
Leben spielten, verantwortlich war. Die "Muscle Suits"
im Versuchslabor allerdings stammten auch von Ishioka. "Wir
wollten," sagt sie, "dass diese Anzüge aussahen,
als hätte man den menschlichen Körper von innen nach
außen gewendet - wie ein menschlicher Muskel."
Für Tarsem waren Ishiokas Kostüme das I-Tüpfelchen
auf seine Vorstellungen vom Design des Films, auch wenn gerade
darin noch eine weitere Herausforderung lag. "Es ist nicht
ganz einfach," erklärt er, "sich stilistisch so
weit vor zu wagen und dann auch noch deine Schauspieler in solche
Kostüme zu stecken. Aber wenn man sich den fertigen Film
ansieht, dann war es das wert: So etwas hat man wirklich noch
nicht gesehen!"
Vincent D'Onofrio sagt über Ishiokas Kostüme: "So
was trägt man nicht alle Tage auf einem Filmset. Sie sind
sehr extravagant. Für mich ist Carl im Grunde eine hässliche
Figur, doch diese Kostüme betonen, dass in seiner Schrecklichkeit
auch eine Schönheit liegt."
Leichenhaut, Puppengesichter, Haarkronen: das Make-up
Schließlich trug auch die Make-up-Künstlerin und
Oscar-Preisträgerin Michele Burke zum Gesamtdesign des Films
bei. "Es war der Traum eines jeden Make-up-Künstlers,"
sagt sie. "Ich bin in meiner Karriere an einem Punkt angelangt,
wo ich mich nicht mehr so gern in meiner Arbeit wiederhole, sondern
neue Herausforderungen suche, neue Wege zu beschreiten - und
diese Möglichkeiten hat mir Tarsem gegeben."
Burke konnte bei ihren Masken gleichzeitig das grausige realistische
Aussehen menschlicher Körper und den surrealen Look einer
virtuellen Geisteswelt ausarbeiten: "Ich musste die Schauspieler
einerseits als Leichen für die Autopsie und als ausgebleichte
Opfer schminken, konnte aber andererseits, in der Welt der Phantasie,
ein völlig anderes Aussehen erschaffen. Wir haben das so
entworfen, dass Vincent und Jennifer jedes Mal, wenn sie in der
Traumwelt auftauchen, ganz anders aussehen. Einmal ist Jennifer
absolut wunderschön und elegant, dann puppengleich - und
dann wieder ist sie etwas völlig anderes."
Gemeinsam mit dem Spezialeffekte-Künstler Clay Pinney entwarf
Burke auch die Metallringe, die sich Stargher durch die Rückenhaut
gezogen hat: ein relativ aufwendiges Kunsthaut-Design, für
das sich D'Onofrio einer stundenlangen Prozedur unterziehen musste.
"Eigentlich haben wir diese Technik, die Haut zu dehnen,
selber erfunden," sagt Burke. "Wir haben uns Bildbände
angesehen von Leuten, die an Haken durch die Haut aufgehängt
wurden, und haben versucht, das dann so realistisch wie möglich
aussehen zu lassen."
Burkes eigentliches Meisterstück aber war das Design von
Starghers Alter-ego als König. "Das ist derart komplex,
dass man es kaum auf einmal fassen kann", schwärmt
sie. "Von den Ringen in seinem Rücken bis zu seiner
Frisur, Körperbemalung und Kolibri-Tätowierung sieht
er unglaublich aus. Sogar seine Haare sind zu einer Krone geflochten."
Wie die anderen war auch Burke bei ihrer Arbeit sowohl von der
Kunstwelt wie von der Popkultur beeinflusst. "Von der Renaissance
bis zur modernen Avantgarde, von Punkrock bis zu irgendwelchen
obskuren Performancekünstlern haben wir alles in den Look
der Make-ups eingearbeitet, was wir nur finden konnten,"
sagt sie. "Das Ergebnis ist ein wahres visuelles Fest -
eine Reise, die tief hinein führt in die Welt der Phantasie."
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