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Szene [600] [1000]

Was es heißt, Däne zu sein

Däne zu sein, ist schon so ein Problem. Die meisten Außenstehenden werden wohl behaupten, daß es sich genau umgekehrt verhält: Däne zu sein, ist völlig unproblematisch. In dem Land geht alles seinen richtigen Gang, alles ist gut organisiert, überschaubar, der Abstand zwischen hoch und niedrig, reich und arm ist gering, das soziale Sicherheitsnetz gut ausgebaut usw. usw.

Dennoch haben wir selbst das Gefühl, daß irgendetwas nicht so ganz stimmt. Bildlich gesprochen könnte man sagen, wir stehen da, mit dem Hut in der Hand, etwas entschuldigend, ein wenig uns selbst verleugnend.

Es sei denn, wir finden eine Rolle, von der wir glauben, daß sie zu uns paßt, und es gibt kaum Zweifel darüber, daß das Phänomen der Fußball-"Roligans"(von dänisch rolig = ruhig, im Gegensatz zum engl. Hooligans) nirgendwo anders seinen Ursprung haben konnte als in Dänemark. Als roligans fühlen wir uns sicher, die ein wenig spießbürgerliche Attitüde scheint nicht zu stören.

Ein roligan ist ein netter Kerl mit einer Flasche Bier in der Hand, etwas dick, vielleicht mit einer Wackelohrenmütze auf dem Kopf. Ganz sicher mit einem breiten Lächeln (oder Grinsen), das signalisiert: Hier kommt eine Person, die gerne Spaß haben möchte und nicht auf Ärger aus ist.

Klischees

In einem Brief an einen Freund beschrieb der englische Schriftsteller George Orwell seinen Mangel an Interesse, jemals Dänemark zu besuchen. Der Widerwille rührte von dem Gefühl her, daß Dänemark langweilig sei.

Ein französischer Diplomat beschrieb das dänische Klima mit "acht Monate Regen und vier Monate schlechtes Wetter".

Eine deutsche Zeitung charakterisierte Dänemark als ein Land, wo jede Stadt ihren "Konsumladen", zwei Restaurants mit dem gleichen (teuren und schlechten) Menü und ein Sozialamt hat, wo alle Geld abholen können.

Das ist nicht gerade ein ermunterndes Bild, aber es steckt schon ein Stückchen Wahrheit darin. Dänemark und die Dänen sind nicht "aufregend"; die Frage ist, was sind wir dann? Sind wir eindeutig langweilig, dann könnte man sich nur einen Strick nehmen oder zu Schlaftabletten greifen.

Historisch-geografisch

Sehen wir uns das Land aus historischer und geographischer Perspektive an, so sind da zwei Dinge, die für die Entstehung unseres Selbstverständnisses entscheidend gewesen sind: Wir sind von Meer umgeben, und wir haben alle unsere Kriege seit Gott-weiß-nicht-wann verloren.

Schaut man sich eine Karte des Römischen Reiches an, liegen oben im Norden einige weiße Felder, wo Kimbern, Langobarden und andere Barbaren lebten und vor Kälte bibberten. Während einer Übergangszeit handelte es sich um vor Kälte zitternde Wikinger, die mit Ungeduld im Herzen aufbrachen und ins Ausland zogen, auf der Suche nach der Sonne und all den Herrlichkeiten, deren Ruf sich auch bis in die Gebiete verbreitet hatte, wo man den größten Teil des Jahres bis zu den Knien im Wasser steht oder sich vor dem Wind verkriechen muß, der von Westen hereinfegt.

Seit den Wikingern aber hat die Eroberungslust nachgelassen oder meist tragische Konsequenzen gehabt, wie die Geschichte zeigt. Den meisten dänischen Königen gelang es konsequent, sich auf die falsche Seite, d.h. auf die Verliererseite zu stellen, und jedes Mal, wenn sich das Land in martialische Abenteuer stürzte, gab es garantiert eine Niederlage.

Wir haben aus den Niederlagen gelernt, und diese Lehren sind nicht hundertprozentig negativ gewesen, im Gegenteil. Das beste am dänischen Volkscharakter ist ein unsentimentales Bewußtsein, daß man nicht aggressiv zu sein braucht, um sich seine eigene Position in der Welt zu schaffen. Wir haben gelernt, uns mit Tüchtigkeit zu helfen, anstatt mit Gier. Das klingt nicht gerade aufregend, wirkt dafür aber sympathisch.

Nationalgefühl

Im vorigen Jahrhundert, in der Zeit der Romantik, als man sich des Verlustes ehemaliger Größe mehr oder weniger bewußt wurde, entstand unser Nationalgefühl, und die dänische Landschaft bekam einen ganz anderen Stellenwert als vorher. Dichter und Maler waren plötzlich eifrig mit der Beschreibung der verschiedenen Gegenden des Landes beschäftigt.

Dänemark ist ein schönes Land, aber man muß ins Detail gehen, um die Schönheit zu erkennen. Es gibt nicht viele große, atemberaubende Naturphänomene, das Land ist urbar gemacht und bis zum Äußersten kultiviert, aber dafür ist das Wunder auch umso größer: Es gibt sie noch, die Natur, und sie ist vielleicht umso bezaubernder, als sie im Einklang mit der Kultur lebt - von der wir selbst ein Teil sind und die wir selbst geschaffen haben.

In größeren, unüberschaubareren Ländern ist die gemeinsame Kultur ein flüchtigeres Phänomen als bei uns. Die Nähe ist eine Voraussetzung dafür, daß wir eine echte Gemeinschaft bilden können, und wenn es darauf ankommt, echte Solidarität. Hier ist die Geschichte - wie erwähnt - ein strenger, aber guter Lehrmeister gewesen. Wir wissen, daß wir keinen besonderen Grund dazu haben, hochnäsig zu sein und in den Chor der lautstark Prahlenden einzustimmen. Wir haben keine Atombomben, die auf jemanden abgeworfen werden sollen, und hegen absolut keine Träume von Eroberung und Imperialismus.

Selbstverständnis

Die Frage ist dann, welches Selbstverständnis resultiert daraus - und läßt sich nationales Selbstverständnis überhaupt näher bestimmen oder definieren? Die Antwort muß ein zögerndes Ja werden und das Bild ziemlich unscharf. Dennoch wird bereits eine Kontur schwach erkennbar:

Der Däne ist ein Wesen mit einem großen Herzen und einem entsprechend großen Minderwertigkeitskomplex. Letzterer ist nur für den externen Gebrauch bestimmt und demonstriert paradoxerweise, daß wir am Ende im Ausland Erfolg haben oder auf der Titelseite internationaler Zeitungen stehen.

Dann fallen alle vor Staunen fast in Ohnmacht. Denk mal einer an, daß das möglich war! Denk nur - wir kleinen, unbedeutenden Dänen mit unserem gut funktionierenden Gesellschaftssystem, unserer gesunden Wirtschaft, unserem hohen Bildungsniveau, unserer weiblichen Emanzipation, unserer sexuellen Toleranz, haben es so weit bringen können!

Hier ist eine Dialektik eingebaut, die an das Komische grenzt oder zumindest in Richtung des Humoristischen führt; man kann sicher sein, daß ein Däne, wenn er in satirischem Zusammenhang mit sich selbst konfrontiert wird, durchaus dabei seinen Spaß hat - auch wenn es wehtut. Dies ist ein entwaffnender Zug, der sich auch in schwierigen Situationen als ausgezeichnetes Kampfmittel erweist. In der Konfrontation mit dem Dünkel wird der Humor letzten Endes stets die Oberhand behalten.

Und wenn die Ausländer allzu selbstsichere Urteile über Dänemark und die Dänen fällen oder ganz einfach kommen und unser Land besetzen, dann ist der Humor ein genauso wirksames Mittel der Untergrabung wie Zucker im Benzin. Er verunsichert, weil er so komplex ist und in viele Richtungen gleichzeitig geht, und er weckt eine ganz bestimmte Fähigkeit, Vieles und oft auch sehr Wesentliches zu sagen, ohne daß es nötig ist, große Worte zu machen oder die Stimme zu heben."


Klaus Rifbjerg, Quelle: "Dänemark"
Zusamengestellt von den Redakteuren des Dänischen Nationallexikons
Hrsg. Königliches Dänisches Ministerium des Äußeren,
Abteilung für Information




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