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Die Letzten Tage


Die Lehrerin

Renée Firestone


Szene Renée Firestones unermüdlicher Geist und ihre persönliche Erfahrung als Überlebende des Holocaust fließen auch in ihre Arbeit ein. Sie unterrichtet Erwachsene und Studenten jeden Alters über die Grundsätze der Toleranz und des Verstehens. Sie arbeitet eng zusammen mit dem Simon Wiesenthal Center und mit der 'Survivors of the Shoah Visual History Foundation' und hält Vorträge an Schulen und Organisationen über ihre persönliche Erfahrung und die Bedeutung des Holocaust in unserer Zeit.

Renée ist 1924 in der Stadt Uzhorod geboren, wo sie in einem wohlhabenden mittelständischen Haushalt aufwuchs. Ihrem Vater gehörte ein Stoffladen und eine Schneiderei und er konnte damit seiner Familie, zu der noch eine Tochter, Klara, und ein Sohn, Frank, gehörten, ein angenehmes Leben bereiten.

Uzhorod gehörte zur Tschechoslowakei, bis es l938 an Ungarn fiel. Sobald die Stadt in ungarischer Hand war, wurden anti-jüdische Gesetze erlassen. Eines dieser Gesetze verwehrte jüdischen Studenten den Zugang zur Universität. 1941 wurde ihr Bruder Frank von der Familie weggeholt und ins Arbeitslager geschickt. Als bald darauf alle Geschäfte, die Juden gehörten, beschlagnahmt wurden, verlor die Familie den Laden.

1944 wurde die Familie von zuhause abgeholt und von der ungarischen Polizei im überfüllten Viehwagen zur polnischen Grenze gebracht. Sie dachten, sie würden nach Deutschland geschickt, um zu arbeiten. An der Grenze wurden sie an deutsche Wachen übergeben. Renée hatte solche Angst vor den ungarischen Polizisten, dass sie sich bei der Übergabe an die Deutschen zunächst sicher fühlte. 120 Personen waren zusammen mit der Familie Firestone in den Wagen gepfercht, es gab nur einen Eimer als Toilette und keine Belüftung.

Als der Wagen sein Ziel erreichte, konnte Renée durch einen Spalt hinausschauen und sah Hunde, Stacheldraht und Chaos. Als endlich die Türen geöffnet wurden, hielt Renée ihre Schwester dicht bei sich. Sie stiegen aus und Renée war von der Masse der angekommenen Juden überwältigt.

Sie und ihre Schwester wurden zusammen mit vielen anderen Frauen in einen unterirdischen Raum gebracht und ihnen wurde gesagt, dass sie zum Duschen gingen. Privatsphäre gab es keine und sie waren den Blicken der Wachen ausgesetzt, die zudem jede Gelegenheit nutzten, um die Frauen zu schlagen.

Nach dem Duschen mussten die Frauen draussen warten, nackt und nass, von mittags bis Mitternacht. Naziaufseher bewachten sie mit Hunden, die knurrten, bellten und nach den nackten Frauen schnappten. Renée fragte einen der Aufseher, wann sie ihre Eltern wiedersehen dürfe. Er zeigte auf den Schornstein des Krematoriums und meinte, wenn sie da durchkommt, wären sie wieder vereint.

In der ersten Nacht in Auschwitz hörte Renée eine Frau jiddisch singen. Es war das erste Mal, dass sie eine jüdische Identität für sich empfand. Früh am nächsten Morgen wurden sie zum Appell geweckt und gezählt. Selbst die, die kaum noch am Leben waren, wurden von den Wachen auf Decken herausgezogen.

Das Essen wurde geteilt, aber als es knapp wurde, kämpften die Leute, sowohl ums Essen als auch darum, beim Verteilen vorne in der ersten Reihe zu sein. Als bekannt wurde, dass der SS-Arzt Dr. Mengele einige Leute bei der Essensverteilung aus den vorderen Reihen für die Gaskammer auswählte, mussten die Leute abwägen zwischen der Angst vor der Selektion und ihrem Verlangen nach Essen. Wie Renée sich erinnert, war es das Beste, morgens ganz vorne in der Reihe zu stehen, wo genug Nahrung zu bekommen war, um den Tag zu überleben, und sich abends Zeit zu lassen, um sich vor Mengele zu drücken.

Eines Nachts hörte Renée Schreie und Schüsse in einer Nachbarbaracke. Am nächsten Morgen waren vor der Baracke die Leichen von Kleinwüchsigen aufgestapelt und wurden drei Tage lang nicht weggeschafft.

Renée wurde aus der Baracke, in der sie mit ihrer Schwester lebte, in die nun leerstehende Nachbarbaracke umgelegt. Ihre Schwester war schwach geworden und sie wollte sie nicht verlassen. Sie rannte zurück, wurde aber von Mengele geschnappt, den Wachen übergeben und geschlagen.

Renée und ihre Schwester hatten ein System entwickelt, um sich jeden Tag einen kurzen Moment zu sehen. An Jom Kippur 1944 ('Versöhnungstag') konnte Renée Klara nicht mehr finden. Zwei Tage später wusste sie, dass sie sie verloren hatte.

Bald nach dem Tod ihrer Schwester wurde Renée auf einen Zwangsmarsch in eine Munitionsfabrik geschickt, wo sie für einige Monate arbeitete und Reifenketten fertigte. Die Bedingungen in der Fabrik waren genauso brutal wie in Auschwitz und sie war Zeuge unzähliger Greueltaten, die an den Arbeitern verübt wurden.

Dann entdeckten sie sowjetische Flugzeuge über ihren Köpfen. Es wurden immer mehr und mehr. Eines Tages gab es keinen Aufruf zum Appell. Renée erwachte von den Rufen ihrer Mitgefangenen: "Nazis kaputt!" Endlich war sie frei - und allein.

Sie hörte, dass die Überlebenden sich in Budapest zusammenfanden und machte sich auf den Weg dorthin. Sie war glücklich darüber, ihren Bruder und ihren Vater wiederzufinden, obwohl ihr Vater schon kurz nach der Befreiung an Tuberkulose verstarb.

Unter den Überlebenden traf sie auch einen anderen Überlebenden, den sie vor Jahren kennengelernt hatte, als sie ihren Bruder bei seiner Arbeitseinheit besucht hatte. Das war Bernard. Sie und Bernard heirateten und emigrierten mit ihrer Tochter Klara 1948 in die Vereinigten Staaten.

Renée war Modedesignerin und hatte ihre eigene Firma, bis sie sich von Rabbi Cooper überzeugen ließ, für die Simon Wiesenthal Einrichtung aktiv zu werden. Sie ist viel unterwegs, führt Gespräche über den Holocaust in Schulen und mit Gruppen, einschließlich der Polizei und des Militärs.


Der Geschäftsmann

Bill Basch


Szene Bill Basch (Foto Mitte, im Kreise seiner Familie) wurde 1927 im kleinen Bauerndorf Sasovo in den Karpaten geboren. Sein Vater war ein angesehener Mann im Dorf, ihm gehörte der einzige Laden am Ort mit integrierter Gastwirtschaft. Vater Basch führte einen traditionellen jüdischen Haushalt und schickte seinen Sohn in die hebräische Schule. Das Dorf hatte eine kleine Synagoge.

Bill erinnert sich an antisemitische Erfahrungen aus früher Kindheit. Einmal wurde er als Junge mit Steinen beworfen und bekam zu hören, die Juden hätten Jesus ermordet.

1940 verlor der Vater sein Geschäft infolge der neu eingeführten Judengesetze. Er durfte nur noch unter der Aufsicht einer ungarischen Arbeitseinheit dort arbeiten.

Beim nächsten Pessach-Seder brach der Vater, der gewöhnlich nicht mit seinen Kindern über das Weltgeschehen sprach, während er zelebrierte, zusammen. Voller Schrecken gestand er seiner Familie, dass er befürchte, es sei das letzte Mal, dass sie diese Feier zusammen erleben werden.

Um seine Familie zu beschützen, sandte er jeden seiner drei Söhne in verschiedene Teile des Landes. Sein Sohn Bill wurde nach Budapest geschickt. Er war damals 15 Jahre alt. Es war Herbst 1942.

In Budapest musste Bill in ein Zwangslager. Er konnte zum Schlafen nachhause gehen, war aber unter Todesdrohung jederzeit auf Abruf. Im Arbeitslager erfuhr Bill von polnischen Flüchtlingen von den Konzentrationslagern. Das spornte ihn dazu an, mit den Zionisten im Untergrund zu arbeiten.

Bill lieferte Schutzpässe für Raoul Wallenberg aus, aber bevor er sie verteilte, machte er noch weitere Kopien, damit noch mehr Juden gerettet werden konnten. Um nicht aufzufallen, benutzte Bill das unterirdische Kanalsystem für seine Wege durch die Stadt.

Anfang November 1944 machte Bill bei seiner unterirdischen Runde einen Fehler und nahm den falschen Ausstieg. Er wurde von ungarischen Wachen gefasst, floh verzweifelt und schaffte es, in einer Gruppe von marschierenden Juden zu verschwinden, die vor den Augen anderer ungarischer Wachen marschierten. Nach einigen Minuten wurden sie von SS-Wachen abgelöst, und Bill wusste, dass er nicht fliehen konnte, ohne den Tod zu riskieren. Er wurde in einen Viehwaggon gepfercht, der ins Konzentrationslager Buchenwald fuhr.

Bill erinnert sich lebhaft an alle Einzelheiten in Buchenwald - wie schrecklich demütigend es war, während des langwierigen Aufrufens der Namen beim Appell, nackt in der Kälte zu stehen und zu frieren. Ein Mitgefangener riet Bill, soviel Arbeit anzunehmen wie nur möglich. Mit Arbeit hatte man mehr Überlebenschancen. Basch meldete sich bei der ersten Gelegenheit freiwillig und reparierte mit 500 anderen Gefangenen zerbombte Bahngleise.

Als sich die Alliierten näherten, wollten die Deutschen das Lager auflösen und schickten Tausende von Gefangenen auf einen Todesmarsch. Bill und zwei Freunde verabredeten, einander zu helfen, falls etwas passieren sollte. Als einer von ihnen krank wurde, trugen ihn die beiden anderen. Dadurch fielen sie zurück und wurden mit einem SS Aufseher konfrontiert. Als er den kranken Freund töten wollte, schritt Bill dagegen ein. Der SS Mann richtete seine Pistole auf Bill, sagte, er würde genausogut auch zwei erschießen und stellte ihn vor die Wahl, die keine Wahl war. Bill ließ den Freund fallen und rettete sich selbst.

Nach der Befreiung ließ sich Bill bei Los Angeles nieder und war erfolgreich in der Modeindustrie. Er hat zwei Söhne und mehrere Enkel und ist jetzt pensioniert.


Die Großmutter

Irene Zisblatt


Szene Irene Zisblatt, mit Mädchennamen Irene Zeigelstein, wurde 1930 in Polena, in der Tschechoslowakei geboren. Der schöne Kurort war bekannt für seine Mineralquellen. Ihre strenggläubige Familie stand sich sehr nahe und sie besaß eine Gruppe von Freunden, mit denen sie während ihrer Kindheit spielte.

1939, ein Jahr nachdem die Stadt von Ungarn annektiert wurde, erschütterte der sich ausbreitende Antisemitismus ihr Leben. Freunde ließen sie im Stich, sie musste die Schule verlassen, die Synagoge wurde niedergebrannt und jüdische Nachbarn wurden verprügelt und verschwanden nach und nach.

Als Ungarn 1944 von den Deutschen besetzt wurde, kamen zwei SS-Männer auf Motorrädern nach Polena. Der Antisemitismus verschlimmerte sich und wurde bösartiger.

Szene (Foto: Irene Zisblat, rechts, mit einer ehemaligen Bekannten aus ihrem Heimatdorf)

Die ungarische Polizei fing an, Juden aus ihren Häusern zu holen und ins Getto Munkacs zu bringen. Die leerstehenden Häuser wurden versiegelt. Ein Freund des Vaters arbeitete damals für die ungarische Polizei und half, das Zeigelstein-Haus zu versiegeln, damit es so aussah, als sei die Familie bereits weg. Zwei Wochen konnten sie sich dort verstecken, wurden aber verraten und ins Getto gebracht.

Das Leben im Getto Munkacs war brutal für die Familie Zeigelstein. Das Essen war knapp, sie mussten sich von Abfällen ernähren und von dem, was ins Getto geschmuggelt wurde. Die Jungen und Männer wurden täglich zur Arbeit an den Bahngleisen abgeholt.

Nach einigen Wochen im Getto wurde Irene und ihrer Familie erzählt, sie würden zur Weinherstellung aufs Land geschickt, in eine Gegend namens Tokoy. Sie dachten, das sei besser als in der Ziegelfabrik und stiegen willig in die Viehwaggons.

Die Fahrt dauerte Tage und kein einziges Mal wurden die Türen geöffnet, um sie mit frischer Luft, Essen und Wasser zu versorgen. Die Mutter nähte Diamanten, die sie bei sich trug, in Irenes Kleidersaum. Damit sollte Irene Brot kaufen, falls sie von ihrer Mutter getrennt würde. Am nächsten Tag erreichte der Zug mit der Familie Zeigelstein Auschwitz.

Irene hatte im Lager als erstes den Eindruck, dass sie wieder in einer Ziegelfabrik sei. Sie sah den Rauch aus den Schornsteinen quellen, war aber von dem Geruch befremdet. Irene wurde sofort von ihrer Familie getrennt. Die Diamanten konnte sie retten, sie verschluckte sie und fand sie dann in der Toilette wieder.

Irene wurde für medizinische Versuche ausgewählt. Sie lag in einem dunklen Raum und es wurden Experimente an ihren Augen durchgeführt, um Änderungen der Augenfarbe zu testen.

Als sie mit einer Gruppe von Sinti und Roma in die Gaskammer geschickt wurde, waren an dem Tag zuviele Leute gebracht worden, so daß Irene nicht mehr hineinpasste. Ein junger 'Sonderkommandeur' half ihr, sich in einen Zug zu retten, der in ein Arbeitslager abfuhr.

Als sich die Amerikaner im Januar 1945 dem Lager näherten, schickte die SS fünftausend Gefangene von Irenes und anderen Lagern in der Gegend auf den Todesmarsch. Irene verstand nicht, warum und wohin, gehorchte aber. Von Januar bis April waren sie unterwegs durch den kalten Winter und Schnee und als sie in der Tschechoslowakei ankamen, waren nur noch 200 am Leben geblieben.

Ein paar Kilometer vor Bergen-Belsen wollten deutsche Soldaten den Marsch auflösen, um vor den Alliierten zurückzuweichen. Jetzt erst verstand Irene, wo es hingehen sollte. Die SS ließ sich jedoch nicht davon abhalten, den Auftrag zu Ende zu bringen.

Flucht war jetzt die einzige Überlebenschance, und zusammen mit ihrer Freundin Sapka rannte sie in den Wald. Dort wurden sie von amerikanischen Soldaten gefunden, die sie zu einer Station vom Roten Kreuz brachten. Es war die erste Nacht in Sicherheit, am nächsten Morgen entdeckte Irene, dass ihre Freundin im Schlaf gestorben war. Irene wurde in ein Vertriebenenlager gebracht. Sie wartete zwei Jahre auf ihre Auswanderung nach Amerika.




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