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Majestät Brauchen Sonne

Szene [800] [1280]

Wozu Brauchen Majestät Sonne?

Wilhelm II. - Deutschlands erster Medienstar

"Majestät brauchen Sonne" war ein geflügeltes Wort in der Umgebung des Kaisers, "das meistgebrauchte Schlagwort bei Hofe" (Peter Schamoni).

Einerseits wurde damit die häufige Abwesenheit des reiselustigen Monarchens erklärt, der monatelang mit seiner Yacht "Hohenzollern" am Mittelmeer oder in den nordischen Fjorden unter der Mitternachtssonne weilte. Die spottlustigen Berliner hatten für die Abkürzung I.R. (Imperator Rex), die Wilhelm unter seine Unterschrift setzte, schnell den Begriff "Immer reisefertig" geprägt.

Andererseits musste die Sonne unbedingt scheinen, wenn Wilhelm II. seine kaiserlichen Repräsentationspflichten wahrnahm. Bei Regenwetter wurde nicht repräsentiert!

Regisseur Peter Schamoni: "Majestät brauchten Sonne" - das sprichwörtliche Kaiserwetter - nicht nur für seine Erholungs- und Hobbyreisen, sondern speziell für seine unzähligen Repräsentationspflichten." Ein Umstand, den vor allem die damals noch junge Zunft der Kameramänner zu würdigen wusste. Denn mit der Sonne stand und fiel die Qualität ihrer Aufnahmen.

Wie wichtig die Sonne in den Kindertagen des Kinos war, lässt sich in der Autobiografie des Berliner Filmpioniers Oskar Meßter "Mein Leben mit dem Film" (1936) nachlesen. Meßter, zu dessen wichtigsten Erfindungen die so genannte deutsche Schaltung zur ruckweisen Fortbewegung des Films im Projektor gehörte (eine Einrichtung, die den von den Lumières verwendeten Greifervorrichtungen deutlich überlegen war und bis heute verwendet wird), hatte sich 1904 ein verglastes Studio eingerichtet. Er erinnert sich: "In diesem Glasatelier waren wir natürlich ebenso wie bei unseren früheren Aufnahmen auf dem Dach von der Sonne abhängig. Bei den jetzt länger gewordenen Aufnahmen sollte auch das Licht länger gleichmäßig bleiben. Ein ,Sonnenkieker' musste melden, ob das nächste Wolkenloch uns die Sonne für die Zeit der Aufnahme freigeben wird. Leider irrte er sich häufig und die Aufnahmen mussten wiederholt werden."

Mit seiner Vorliebe für filmgerechtes Kaiserwetter zeigte sich Wilhelm II. seiner Position als der erste deutsche Medienstar also durchaus bewusst. Und er legte mit seiner Zustimmung zu dem neuen Medium, das er zur Unterstützung seiner Monarchenrolle zu nutzen wusste, den Grundstein für die unselige Allianz von Massenmedien und Politik.

"Am 31. März 1909 zeigte die französische Filmgesellschaft Pathé die erste Wochenschau. Bereits in den Jahren zuvor waren Ereignisse in aller Welt mit der Kamera festgehalten worden. So gibt es Filmstreifen vom Burenkrieg in Südafrika (1899-1902), vom Wirbelsturm in Galveston (1900) und vom Erdbeben in San Francisco (1906). Die Krönung von Zar Nikolaus II. (1902) wurde ebenso auf Zelluloid gebannt wie die Amtseinführung von US-Präsident William McKinley (1897) und die Bestattung der britischen Königin Viktoria (1901).

Da auch der deutsche Kaiser dem Film wohlwollend gegenüberstand, gibt es von Wilhelm II. viele Aufnahmen bei Denkmalsenthüllungen und anderen Feierlichkeiten. (...) Obwohl auch US-Gesellschaften Wochenschauen drehen, beherrschen die französischen Firmen bis 1914 den internationalen Markt. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs sind Nachrichten aus Feindesland jedoch nicht mehr gefragt.

Im Deutschen Reich bringt Oskar Meßter im September 1914 erstmals die "Meßter Woche" heraus. Die französischen und britischen Nachrichtenfilmer sind in ihrer Frontberichterstattung zunächst zurückhaltend, da sie eine demoralisierende Wirkung befürchten. Meßter hingegen arbeitet von Anbeginn mit dem Oberkommando des Heeres zusammen, so dass seine Wochenschauen zu einem Propagandainstrument der Regierung werden." (aus: "Die Chronik des Films", Chronik Verlag im Bertelsmann Lexikon Verlag, 1994)

Für Majestät Brauchen Sonne regenerierte Peter Schamoni mit modernsten digitalen Techniken das in vielen europäischen Filmarchiven lagernde Stummfilmmaterial, das meist stark beschädigt und angegriffen war. Der besondere Reiz dieser frühen Filmdokumente liegt in ihrer Unschuld. Es sind von einem festen Standpunkt, mit einem festen Objektiv und mit der Hand gekurbelte Filmbilder, die nicht inszeniert, manipuliert oder nachträglich bearbeitet wurden. Gerade durch ihre mitunter naiv anmutende Einfachheit, durch ihre unfreiwillige Skurrilität geben diese Bilder einen unverfälschten Eindruck von jener Zeit. Der Kinozuschauer des Jahres 2000 sieht die umstrittene Herrscherfigur in den selben Bildern wie die Zeitgenossen des Kaisers.

Ein einmaliges, bisher unbekanntes Farbfilmdokument von 1913 zeigt die strahlende Kaisermetropole Berlin beim verschwenderisch ausgerichteten Empfang der europäischen Majestäten aus Anlass der Hochzeit der einzigen Kaisertochter Viktoria Luise mit dem Welfenherzog Ernst August von Braunschweig. Dass die Straßen Berlin gelb sind, hat einen Grund: um die Pferdehufe zu schonen, war märkischer Sand gestreut worden.

Der Schriftsteller Ludwig Thoma schrieb 1908: "Gerade der merkwürdige Hang zum Opernhaften hat unser loyales Bürgertum dazu gebracht, in Wilhelm II. die Verkörperung des Ideals zu sehen. Welche epischen Gefühle hat jede Vergnügungsreise des Herrschers ausgelöst! Welche Lyrismen sind gesagt und geschrieben worden, wenn nichts geschah als die Abnahme einer Parade. Kein Ding konnte mehr nüchtern und in der Stille geschehen; auch das Einfachste vollzog sich in bengalischer Beleuchtung. Die bourgeoise Phantasie war täglich angeregt und aufgeregt durch die Persönlichkeit des Kaisers. In allem letzte und höchste Instanz, fand Wilhelm II. nirgends Widerspruch; auch da nicht, wo er ihn suchte."




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