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Keiner Weniger
Produktionsnotizen
Ein Interview mit Zhang Yimou
Frage: Warum haben Sie diesen Film gemacht,
was reizte Sie an dem Stoff?
Zhang: Ich bin der Meinung, dass Leute mehr
denn je ein Gefühl der Verbundenheit suchen, Filmfiguren,
in die sie sich einfühlen können. Ich empfand die Emotionen
in der Geschichte als sehr real und sehr anrührend, ich
war mir sicher, dass sie auf das Publikum in China grosse Anziehungskraft
ausüben würden.
Viele Verwandte meiner Mutter sind Lehrer auf dem Land, und
ich habe mich ihrer Arbeit immer sehr verbunden gefühlt.
Jedes Mal, wenn ich an einem Schulhaus auf dem Land vorbeikomme,
möchte ich am liebsten anhalten, um einen Blick durchs Fenster
auf die Schüler beim Unterricht zu werfen.
Shi Xiangsheng (der Autor der Romanvorlage und des Drehbuchs)
schrieb die Geschichte, nachdem er einen Lehrer in der Einöde
von Xinjiang (Westchina) interviewt hatte. Als ich sein Buch
las, war ich auf Anhieb angetan davon und schrieb ihm, dass ich
interessiert wäre, es zu verfilmen.
Frage: War es schwierig, mit Laiendarstellern
zu arbeiten?
Zhang: Die Besetzung der jungen Aushilfslehrerin
war entscheidend für den Erfolg des Films. Um die richtige
Person zu finden, wurde viel Mühe und Zeit aufgewandt.
Meine Regieassistentin Li Hong reiste überall im Land herum
und interviewte tausende junger Mädchen. Sie wählte
einige wenige aus, ich schaute sie mir an und zwei davon kamen
für mich in Frage.
Wei Minzhi war ursprünglich die zweite Wahl. Wir waren
der Meinung, dass die andere Kandidatin die passende Persönlichkeit
besass: freimütig, aber zäh und ganz schön dickköpfig.
Unserer Meinung nach hatte sie genau die richtigen Eigenschaften,
aber sie erschien uns etwas zu alt für die Rolle.
Für die Geschichte brauchten wir eine Aushilfslehrerin,
die mehr oder weniger das gleiche Alter hatte wie die Schüler,
die sie unterrichten sollte. Um die gewünschte dramatische
Wirkung zu erzielen, musste die Unmöglichkeit der Situation
sofort offensichtlich sein. So gesehen war Wei Minzhi besser
geeignet.
Wir warteten mit unserer Entscheidung bis zum letzten Aufnahmetest.
Dabei sollte jede der beiden Kandidatinnen auf einer belebten
Strasse in der Innenstadt aus vollen Halse schreien - irgendetwas,
was ihnen gerade in den Sinn kam.
Angesichts so vieler Menschen um sie herum wurde die erste Kandidatin
unsicher und brachte keinen richtigen Schrei zustande. Wei Minzhi
dagegen brüllte sich fast die Lunge heraus und erregte grosses
Aufsehen unter den Passanten.
Für uns war das ein Zeichen natürlicher Offenheit
und Unbeschwertheit, in Verbindung mit ihrem Alter erschien sie
uns daher als die bessere Wahl.
Frage: Haben Sie mit Ihren Darstellern die
Rollen eingeübt?
Zhang: Nein, ich habe es vermieden, mit ihnen
über ihre Rollen als solche zu sprechen und liess keinen
von ihnen das Drehbuch lesen. Mir ist aufgefallen, dass die Menschen
in China immer mehr von den populären Medien beeinflusst
werden, besonders durch das Fernsehen.
Wenn ich den Darstellern das Drehbuch gegeben hätte, hätten
sie sich gefragt und darüber nachgedacht, wie sie ihre Rolle
spielen sollten. Und die einzigen Beispiele, nach denen sie sich
richten können, kennen sie aus dem Fernsehen. Sie würden
versuchen, das zu imitieren, und dabei ihren natürlichen
Ausdruck verlieren, den wir ihnen zu entlocken hofften.
Meistens habe ich die Kinder und alle anderen Darsteller im
Film einfach gefragt, wie sie sich in einer bestimmten Situation
verhalten würden. Sie haben ihre Reaktion dann beschrieben
und ich habe sie gebeten, die Szene genauso zu spielen.
Frage: Aber letztendlich war doch Schaupielerei
notwendig, Wie haben sie es erreicht, dass sie miteinander auf
natürlich wirkende Weise vor der Kamera spielen?
Zhang: Wir haben die Kamera und die übrige
Filmausrüstung so weit wie möglich zu verbergen versucht,
damit jeder das Gefühl hatte, er befinde sich in seiner
natürlichen Umgebung. Wenn ich mir den fertigen Film anschaue,
denke ich, das ich richtig gehandelt habe, als ich mich für
Laiendarsteller entschied.
Mein Film Die Geschichte der Qiuju ist auch in einem
sehr natürlichen, realistischen Stil gedreht worden. Aber
die Hauptrolle in Qiuju wurde gespielt von Gong Li,
die ja eine professionelle Schauspielerin und ein bekannter Filmstar
ist. Wir wollten sehen, wie sie sich in eine total andere Persönlichkeit
verwandelt. Sogar die kleinen Rollen in Qiuju wurden
von erfahrenen Schauspielern gespielt.
Aber in Keiner Weniger - Not One Less haben wir nicht
einen einzigen professionenellen Schauspieler eingesetzt. Hinzu
kommt, dass jeder Darsteller die gleiche Rolle spielt, die er
auch im wirklichen Leben hat. Ich finde, dass alle eine glänzende
Vorstellung geboten haben.
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