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Unterstützen Sie Kinoweb. Klicken Sie unseren Sponsor. The Virgin SuicidesDie mythischen JungfrauenDoch dann trat sie näher, und wir sahen dieses Licht in ihren Augen, nach dem wir seither vergebens suchen.(Der Erzähler in "The Virgin Suicides" über Lux Lisbon)
Vielleicht ist die Zeit der Pubertät wirklich losgelöst von jedem Realitätsempfinden, eine Phase der Träume und Alpträume, beängstigender körperlicher Metamorphosen und einer rasenden Begierde und Sehnsucht. Das andere Geschlecht scheint fremd und faszinierend, viel zu nah und doch Welten entfernt. Musik klingt so schön, dass man sterben möchte, und schon ein Blick aus fremden Augen läßt das eigene Herz explodieren. Und dann, gleich nebenan: diese fünf Schwestern, die Lisbon-Schwestern. Für die Jungs des kleinen Vorortes, die jeden Tag an ihrem Haus vorübergehen und sie in der Schule sehen, sind sie nicht nur Mädchen. Sie sind Sirenen, geheimnisvolle, jungfräuliche Wesen. Mythen. Mythen, geschaffen von dem jungen Romanautor Jeffrey Eugenides, der die Lisbon-Schwestern als lyrische Allegorie geformt hat, als Sinnbild für den leidenschaftlich-melancholischen Blick zurück auf die verlorene Unschuld der Jugend und die erste Liebe. "The Virgin Suicides" ist angelegt als Detektivgeschichte ohne Lösung, als ein Sammeln von Beweisen, das bis zum Schluss doch nie in den Kern des Geheimnisses vordringt. "Der Roman," sagt Eugenides, "beklagt nicht nur den Tod der Mädchen, sondern auch das Verstreichen der Zeit, den Verlust dieses verwirrenden, romantischen, halluzinatorischen Zustands unbestimmten Sehnens, den man ,Pubertät' nennt. Amerikaner meiner Generation neigen dazu, bis tief in ihre mittleren Jahre hinein pubertär zu bleiben, genau wie der Erzähler in meiner Geschichte. Sie kommen niemals darüber hinweg." Eugenides Buch wurde von der Kritik mit Lob überhäuft. Seit "Romeo & Julia", hieß es, führe kein jugendlicher Selbstmord mehr so tief hinein in die Geheimnisse des Lebens und der Liebe, seit "Harold & Maude" stecke in der pubertären Faszination vom Tod nicht mehr so viel schwarzer Humor. Die New York Times Book Review schrieb, Eugenides besäße "die magischste Gabe, die ein Geschichtenerzähler überhaupt haben kann - die Fähigkeit, das Triviale zum Außergewöhnlichen zu machen".
Auch auf Sofia Coppola übte der Roman eine starke Sogwirkung
aus. "Ich war mir überhaupt noch nicht bewusst, dass
ich Regisseurin sein wollte," sagt sie, "bis ich 'The
Virgin Suicides' gelesen hatte. Im Kern der Geschichte ging es
für mich darum, wie Zeit, Entfernung und Erinnerung auf
einen einwirken, und welche ungeheure Kraft das Unerklärliche
hat. Hier geht es um die großen Themen des Lebens: um Sterblichkeit,
Leidenschaft und Liebe. Es geht nicht darum, den Selbstmord zu
romantisieren. Für mich hatten die Lisbon-Schwestern und
das, was sie getan haben, nie etwas Reales, und ich glaube nicht,
dass sie so gedacht waren. Die Lisbons sind Hirngespinste, Schatten
der Erinnerung: jene mythischen Wesen der Phantasie, die um so
viel schöner sind als die Wirklichkeit, dass sie natürlich
keinen Bestand haben können." Autor der Romanvorlage: Jeffrey EugenidesAls literarische Entdeckung des Jahres 1993 wurde Jeffrey Eugenides gefeiert, als das Manuskript zu seinem Debütroman "The Virgin Suicides" (deutscher Titel: "Die Selbstmord-Schwestern", Deutscher Taschenbuch Verlag) gleichzeitig in 17 Länder verkauft wurde. Als "Chronist des leisen Schreckens" wurde Eugenides gefeiert, der bereits für das erste Kapitel des Buches 1991 den Aga-Khan-Preis der Paris Review für die Beste Prosa des Jahres erhalten hatte.Eugenides wurde 1960 in Grosse Point, einem noblen Vorort von Detroit geboren (der dem Schauplatz der Geschichte von "The Virgin Suicides" nicht unähnlich ist). Mit sechzehn entschloss er sich, Schriftsteller zu werden, weil er "'Ein Porträt des Künstlers als junger Mann' von James Joyce gelesen - und falsch interpretiert hatte". Eugenides besuchte die Elite-Universität Stanford, bereiste ein Jahr lang den indischen Subkontinent und machte mit ersten Veröffentlichungen von Short Stories in der Gettysburg Review von sich reden.
Eugenides arbeitet derzeit an seinem zweiten Roman und ist Stipendiat
des DAAD in Berlin.
München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995. 2. Auflage, 2000. ISBN 3-423-08517-7, Paperback, 16,50 DM, 248 Seiten. | ||||
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