Das Kokain und die Kartelle
Kokain ist ein Produkt der südamerikanischen Kokapflanze
und wurde bereits um 500 vor Christus, vor der Ära der Inkas,
von Indianern als natürliches Stimulationsmittel genutzt.
Mitte des 18. Jahrhunderts jedoch synthetisierten Wissenschaftler
die zentrale chemische Substanz der Kokapflanze - das kraftvolle
Narkotikum cocaine alkaloid.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde Kokain in den USA und in
Europa sowohl medizinisch als auch zur Anreicherung von Weinen
oder in anderen kommerziellen Produkten verwendet - darunter
auch das Getränk Coca-Cola. Viele berühmte Leute von
Sigmund Freud über Thomas Edison bis zu den ersten Stars
der Stummfilmära priesen die wundersam belebenden Effekte
von Kokain.
Kurz nach der Jahrhundertwende prägte das Kokain den neuen
Begriff vom 'dope fiend', wörtlich übersetzt dem 'Drogenfanatiker',
denn das Mittel schien bei Nutzern manisches, wahnhaftes und
obsessives Verlangen nach der Droge zu verursachen.
1903 entfernte Coca-Cola die Chemikalie aus ihren Brausegetränken.
Und 1914 wurde Kokain in den USA zur verbotenen Substanz erklärt.
Doch die Popularität der Droge ließ umgehend illegale
Vertriebswege entstehen und wie schon das Heroin wurde auch Kokain
fortan mit urbaner Kriminalität assoziiert.
Mit Anbruch der Vierziger war Kokain indes vorerst aus dem Mainstream
verschwunden und die Nutzung hatte sich erheblich verringert
bis zu Beginn der Sechziger und dem massenhaften Experimentieren
mit Drogen.
Aber erst in den Siebzigern machte Kokain ein massives Comeback,
denn die Droge wurde von Jet-set und Discogängern als bevorzugtes
Rauschmittel entdeckt und von den Medien durchaus als absoluter
Star-Stoff glamourisiert. Gewaltige Mengen Kokain begannen aus
Kolumbien die westliche Welt zu überschwemmen und 1982 wurde
geschätzt, dass allein 10,4 Millionen Amerikaner Kokain
konsumierten.
Während keine Party ohne Kokain auskam und die Dekadenz
erstmals seit den Zwanzigern wieder schillernde Urständ
feierte, stieg der Preis eines Kilo Kokain auf 50.000 Dollar.
Dieses Profitpotenzial beschleunigte den Aufstieg der kolumbianischen
Drogenkartelle, die beim Drogenhandel gleichsam wie multi-nationale
Konzerne und paramilitärische Organisationen operierten.
So flogen die Kartelle das Kokain beispielsweise direkt auf eigenen
Handelsrouten in Kleinmaschinen in die USA ein - oder sie entwickelten
High-tech-Labore und stellten ganze Inseln unter die Kommandantur
des Drogenverkehrs.
An der Spitze der kolumbianischen Kartellhierarchie befand sich
das Medellin-Kartell unter Führung des berühmt-berüchtigten
Pablo Escobar, von dem es heißt, dass er Amerika auf den
Kokaingeschmack brachte wie es Henry Ford vor ihm mit Autos getan
hatte. Escobar war auch der erste, der Amerikaner wie George
Jung benutzte, um die Märkte in den US-Großstädten
aufzubauen und letztlich kontrollierte er nicht nur Kolumbien,
sondern auch Städte wie Miami und New York. Derweil besaß
er die Reputation eines gnadenlosen Herrschers, dem von Bestechung
bis Mord jedes Mittel recht wahr, um die Koks-Hausse zu gewährleisten.
Auch durch internationalen Druck in die Enge getrieben ergab
sich Escobar im Juni 1991 den kolumbianischen Behörden -
um bald darauf wieder zu fliehen, was zur größten
Menschenjagd in der Geschichte des Landes und schließlich
zur Erschießung Escobars im Herzen von Medellin führte.
Danach verschoben sich die Anteile im Kokaingeschäft in
Richtung des Calí-Kartells. Doch obgleich auch dieses
zusammenbrach, ist der Kokainhandel heute nicht weniger massiv
- er ist bloß dezentralisiert.