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Shadow Of The Vampire

Über "Nosferatu"

Szene [Foto: Catherine McCormack und Cary Elwes]

"Mystizismus und Magie, dunkle Kräfte, zu denen sich die Deutschen schon immer mehr als bereitwillig hingezogen fühlten, hatten angesichts des Todes auf den Schlachtfeldern Hochkonjunktur. Die Hekatombe junger Männer, die in der Blüte ihrer Jugend gefallen waren, schienen die grimmige Nostalgie der Überlebenden zu nähren. Und die Geister, die schon die deutschen Romantiker verfolgt hatten, feierten Wiederauferstehung, wie die Schatten Hades' mit ihrem unstillbaren Appetit auf Blut. Die nimmer endende Faszination für alles Obskure und Unerklärbare erhielt auf diese Weise einen neuen Stimulus in Richtung jener brütenden spekulativen Reflexion, die man Grübelei nennt und in der apokalyptischen Doktrine des Expressionismus gipfelte."
(Lotte H. Eisner, The Haunted Screen)

Fritz Lang, G. W. Pabst und F. W. Murnau waren das große Triumvirat des deutschen Expressionismus-Kinos der zwanziger Jahre. Die Bewegung entstand in Berlin nach dem Ersten Weltkrieg - in der Ära der Goldenen Zwanziger, die für ihre ausufernde, "Cabaret"-artige Dekadenz berühmt wurde.

Mehr als 70 Jahre später haben die Meisterwerke der Stummfilm- und frühen Tonfilmära, wie Langs M - Eine Stadt sucht ihren Mörder, Pabsts Lulu und Murnaus Nosferatu - Eine Symphonie des Schreckens nichts von ihrer Faszination verloren und begeistern auch das heutige Kinopublikum mit ihrer beunruhigenden Kombination von schmerzhafter Schönheit und groteskem Terror.

Murnau, der in Hollywood im Alter von 42 Jahren unter immer noch nicht restlos aufgeklärten Umständen bei einem Autounfall ums Leben kam, war ein unermüdlicher Innovator, ein meisterlicher Geschichtenerzähler und ein kompromissloser Visionär, der es verstand, selbst simpelste Geschichten mit einer fast erschreckenden emotionalen Intensität aufzuladen.

Stets fasziniert vom Übernatürlichen, hatte Murnau eine Vorliebe für das Aufheben der Grenzen zwischen dem Realen und dem Irrealen, wie der legendäre Filmhistoriker Siegfried Kracauer anmerkt: "Die Realität war in seinen Filmen umgeben von einem Schein aus Träumen und finsteren Vorahnungen." In der imaginären Welt von Shadow Of The Vampire überträgt sich diese gefährliche Obsession von der Leinwand auf das wahre Leben.

Murnaus Besessenheit von der neuen Kunstform des Kinos war überwältigend: Er war kompromisslos bei seiner Mission, eine eigene unverkennbare Sprache für das Kino zu entwickeln - eine Sprache, die frei von Künstlichkeit und oberflächlichen Tricks sein sollte. Nosferatu ist Murnaus größter und berühmtester Film. Obwohl er auf Bram Stokers Roman "Dracula" basierte, mussten der Titel und die Namen der Figuren geändert werden, weil es rechtliche Probleme mit den Nachlassverwaltern Stokers gab.

Da ist es geradezu ironisch, dass sich der legendäre Ruf von Stokers berühmtem Roman erst auf Murnaus Film begründet. Nosferatu inspirierte Dutzende weiterer "Dracula"-Filme: von der Hollywood-Version mit Bela Lugosi über den Hammer-Klassiker mit Christopher Lee und Werner Herzogs Siebziger-Jahre-Remake mit Klaus Kinski bis Francis Ford Coppolas Schreckensoper Bram Stoker's Dracula aus dem Jahr 1992.

Murnaus Nosferatu durchdringt auch heute noch das Bewusstsein: ein Theatermusical, das auf Motiven des Films beruht, wird gegenwärtig erfolgreich aufgeführt. Jim Shepard veröffentlichte 1998 eine in Romanform gebrachte Biographie über Murnau, die den Titel "Nosferatu" trägt.

Die Hauptfigur von Nosferatu, Graf Orlock, wurde von dem gänzlich unbekannten Schauspieler Max Schreck gespielt. Er ist eine der unvergesslichsten Figuren, die das Kino hervorgebracht hat. Seine spitzen Ohren, klauenartigen Hände und Nägel wie Krallen brennen sich förmlich ins Gedächtnis ein. Die absurd schwarz umrandeten Augen des Grafen drücken unvorstellbare Seelenqual und Einsamkeit aus.

Wenn man den Film sieht, dann erlebt man einen Vampirfilm, bevor es das Genre gab, bevor unzählige Klischees den Vampirfilm jeglicher Wirkung beraubten, bevor zunehmend ausgeklügeltere Spezialeffekte die tieferen Motive regelrecht beerdigten. Der Film ist todernst, voller Respekt für das ihm zu Grunde liegende Material.

Wie Shadow Of The Vampire, der komplett vor Ort in Luxemburg gedreht wurde, zog Murnau für Nosferatu echte Drehorte den für diese Zeit typischen stilisierten Sets vor. Obwohl Schrecks grotesker Orlock wie die Antithese des weltgewandten, verführerischen Dracula von Bela Lugosi wirkt, zieht sich eine unverkennbare erotische Aura durch Nosferatu.

Die Filmhistorikerin Lotte Eisner sah in Nosferatu einen Ausdruck von Murnaus homosexueller Selbstqual und Entfremdung. Und doch ist dieses zeitlose Meisterwerk ein durch und durch romantischer Film mit einem tiefen Glauben an die unbezwingbare Kraft der Liebe.


Über Murnau

Lotte Eisner nannte F. W. Murnau "den größten Filmregisseur, den es jemals in Deutschland gegeben hat". Er drehte 22 Filme. Nicht einmal die Hälfte hat die Jahrzehnte überlebt. Heute kennt man Murnau vor allem für seine drei Meisterwerke, Nosferatu (1922), Der Letzte Mann (1924) mit Emil Jannings als Hotelportier, der nicht über den Verlust seines Berufs hinwegkommt, und Sunrise (1927), der Janet Gaynor einen Oscar einbrachte für ihre Rolle einer jungen Ehefrau, deren idyllische Landehe durch einen Besuch in der Großstadt erschüttert wird.

Sein letzter Film war die Südsee-Dokumentation Tabu (1931), die er gemeinsam mit Robert Flaherty drehte. Noch vor der Premiere des Films kam Murnau gewaltsam zu Tode.

Der Europa-Erfolg von Der Letzte Mann öffnete Murnau die Türen Hollywoods. Filmmogul William Fox war es, der ihn noch während der Stummfilmära in die Traumfabrik holte. Als er sich im Studiosystem akklimatisiert hatte, erklärte Murnau, dass es sein Ziel sei, das Medium Film von allen Tricks, Gimmicks und anderen Hürden zu befreien, die nichts mit dem Kino zu tun hätten. Also begann er, immer weniger Zwischentitel zu benutzen und sich mehr und mehr auf den visuellen Ausdruck zu konzentrieren. Murnau sagte: "Der ideale Film braucht keine Titel." So ist es nicht verwunderlich, dass in einem Murnau-Film jede Einstellung eine präzise, bewusst getroffene Konstruktion ist.

Der Filmkritiker Andrew Sarris schrieb: "Was wir auf der Leinwand sehen, ist das, was der Regisseur uns sehen lassen will. Er könnte uns mehr zeigen oder weniger oder etwas anderes. Aber er zeigt uns das, was er uns zeigt, weil es einen Grund dafür gibt."

Murnau, der eine Ausbildung als Kunsthistoriker genoss, ließ sich bei seinen Kompositionen von den Romantikern, Impressionisten und Expressionisten beeinflussen. Ob es nun die deutschen Landschaften seiner frühen Filme waren oder die Weizenfelder Oregons in City Girl: sein sentimentales Verlangen nach Natur, dem Land in seinem ursprünglichen Zustand, zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk.

Da Murnau bereits 1931 starb, weiß man mit Ausnahme seiner Filme nicht viel über ihn. Er gab selten Interviews, von denen nur noch sehr wenige erhalten sind. Seine Weggefährten sind seit langem tot.

Um mehr über Murnau zu erfahren, sprach Drehbuchautor Steven Katz mit Kevin Brownlow und Bartholomew Gill, den großen englischen Filmhistorikern. Obwohl keiner von ihnen Murnau jemals traf, kannten sie doch eine Reihe von Leuten, die mit ihm gearbeitet hatten.

Janet Gaynor, die für ihre Rolle in Murnaus Sunrise den ersten Oscar als Beste Schauspielerin überhaupt gewonnen hatte, erinnerte sich an ihn als überaus freundlichen, klassisch preußischen Typ.

Kurz vor seinem viel zu frühen Tod unterzeichnete der damals 42-jährige Murnau einen Vertrag mit Paramount, wo er wieder mit zwei deutschen Exilanten gearbeitet hätte: Josef von Sternberg und Ernst Lubitsch.

Nach seinem Tod bei einem Autounfall begannen erste Gerüchte über Murnaus Homosexualität zu kursieren. In seinem klassischen Tell-It-All "Hollywood Babylon" schrieb Kenneth Anger: "Murnaus Tod im Jahr 1931 löste eine Flutwelle an Spekulationen aus. Murnau hatte einen gut aussehenden vierzehnjährigen Philippino-Jungen namens Garcia Stevenson als Valet angestellt. Der Junge saß am Steuer des Packard, als der tödliche Unfall geschah. Gut unterrichtete Kreise in Hollywood wollten wissen, dass Murnau Garcia oral befriedigte, als das Auto von der Straße abkam. Nur elf mutige Seelen (Greta Garbo unter ihnen) tauchten bei der Beerdigung auf. Die Garbo gab eine Totenmaske in Auftrag. Die einsame Schwedin bewahrte sie während all ihrer Jahre in Hollywood auf ihrem Schreibtisch auf."




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