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Vatel

Historische Genauigkeit

Interview mit Marie-France Noël


Wie sah Ihre Rolle bei den Dreharbeiten zu "Vatel" aus?

Szene [800] [1280] [Foto: Der Hofstaat]

Meine Anwesenheit war hauptsächlich notwendig, um Anachronismen zu vermeiden. Gleichzeitig sollte ich allerdings den Filmemachern die kreative Freiheit lassen, Dinge zu erfinden.

Ich bin erst relativ spät zu dem Projekt gestoßen: das Drehbuch war fertig geschrieben, die Ausstattung ausgesucht und der Set aufgebaut. Ich war also eher da, um mit den Schauspielern zu arbeiten.

In Abstimmung mit dem Choreographen habe ich Gesten und Haltung korrigiert. Beispielsweise kreuzte der König am Hofe niemals sein Beine. Zusammen mit dem kulinarischen Berater Jean-Yves Patte habe ich mich zudem mit allen Aspekten des Essens und der originalgetreuen Zubereitung auseinander gesetzt. Wir waren sehr darauf bedacht, eine historisch genaue Darstellung der Speisen zu erreichen.

Die reizvollsten Momente sind für mich die Blicke hinter die Kulissen, wo die Vorbereitungen und Vorkehrungen für das grandiose Fest getroffen werden, das der Prinz de Condé für seinen König gibt. Die Atmosphäre in den Küchen des Schlosses von Chantilly wird rekonstruiert, die Rezepte der verschiedenen Festmahle stammen von anderen großen, königlichen Feiern aus dem 17. Jahrhundert.

Die Hierarchien in dieser Zeit waren sehr deutlich. Die Begrüßung am Hof folgte einer komplexen und bedeutsamen Zeremonie. Darauf musste geachtet werden. Außerdem habe ich einige Instruktionen in bezug auf die Rollen der einzelnen Bediensteten gegeben, vom Haushofmeister oder Maitre de Plaisir über den Stallmeister bis zum Privatsekretär.

Auch habe ich auf die Darstellung der einzelnen Abteilungen in den Küchen geachtet. Die Küchen der Adligen dieser Zeit kann man durchaus mit großen und exquisiten Restaurants von heute vergleichen: durchorganisiert, entschlossen und spezialisiert. Eine Vermischung der Bereiche fand nicht statt. Die einen bereiteten das Fleisch, die anderen Saucen, wieder andere die Vorspeisen. Und natürlich gab es auch Spezialisten für die Süßspeisen. Zu dieser Zeit waren das Obstpasteten und glasierte Früchte, kleine Kuchen und Sahnetorten. Jeder Bereich der Küchen war eine in sich geschlossene Welt, die jede für sich wachsam ihre Geheimnisse und Rezepte hütete.

Was ist wirklich überliefert zu François Vatel?

Szene [800] [1280] [Foto: Depardieu als Vatel]

Die Historiker wissen nur wenig über ihn. Das, was man weiß, stammt eigentlich aus einem Brief von Madame de Sévigné an ihre Tochter Madame de Grignan. Ein paar Zeilen, die von einem Zwischenfall während des Empfanges auf Schloss Chantilly erzählen und eher in die Kategorie Klatsch und Tratsch fallen.

Dazu muss man wissen, dass sich niemand dafür interessierte, was hinter den Kulissen und in den Küchen passierte, während sich der Hof in Chantilly aufhielt. Der Unfall eines Dieners oder ein Haushofmeister, der Selbstmord begeht, waren völlig nebensächlich, da es sich eben nur um Diener handelte. Prinz de Condé soll dennoch sehr erzürnt gewesen sein, da es den Ablauf der Festivitäten störte.

Aus einem zweiten Brief von Madame de Sévigné an ihre Tochter erfährt man, dass der König nach diesem Zwischenfall nicht in Chantilly bleiben konnte, da die Kirche Selbstmord als großen Frevel betrachtete. Vatel wurde schnellstmöglich beerdigt, und Gourville übernahm die Führung des Haushalts und der Küchen. Madame de Sévigné drückt es in ihrem Brief recht treffend aus: "Wir haben gut gespeist." Ende der Geschichte. Das Leben ging weiter.

Was können Sie über die Funktion von Vatel auf Schloss Chantilly sagen?

Szene [800] [1280] [Foto: Depardieu als Vatel und Julian Glover als Condé]

Er war der Angelpunkt des Haushaltes, er war verantwortlich für alle Bediensten und gab die notwendigen Anweisungen. Er sorgte dafür, dass jeder an seinem Platz war und ordentlich die aufgetragenen Aufgaben erfüllte. Vatel selbst bekam seine Befehle direkt vom Prinzen de Condé und hatte eine sehr wichtige Position auf Chantilly.

Auch wenn er ein Diener war, sein Rang war nicht vergleichbar mit dem der Köche und der anderen Bediensteten. Vatel konnte sich kleiden wie ein Gentleman und trug ein Schwert, was in dieser Zeit durchaus Ausdruck einer relativ hohen gesellschaftlichen Position war.

Sie sagen, er bekam seine Befehle direkt vom Prinzen, aber es scheint doch, als hätte er eine ziemlich große Entscheidungsfreiheit gehabt?

Sicher. Man darf nicht vergessen, dass Vatel im Anwesen geschult wurde. Zehn Jahre zuvor war er Fouquets Haushofmeister und organisierte all die großartigen Feste, für die sein Herr damals so berühmt war. Darunter auch der legendäre Empfang für den König, der Fouquets Schicksal besiegelt haben soll. Der König zeigte sich eifersüchtig auf die Macht und Größe, die Fouquet auszustrahlen vermochte. Eine Fähigkeit, die der noch junge König nicht besaß.

Gedrängt von Colbert, war eine seiner ersten Amtshandlungen tatsächlich, Fouquets ins Gefängnis zu verbannen. Und er sicherte sich die Statuen aus dem Besitz des Verbannten für die gerade angelegten Gärten von Versailles genauso wie einige Gartenkünstler, Bildhauer und Maler aus Fouquets Dienerschaft.

Warum er Vatel nicht nach Versailles holte, wissen wir nicht. Vatel verschwand eine Zeit lang aus Frankreich. Der Grund dafür war, so hieß es, dass er Fouquet sehr nahe gestanden hatte und mit bestimmten Geheimnissen vertraut gewesen war. Als er zurückkehrte, ging er in die Dienste des Prinzen de Condé und übernahm damit erneut die Geschicke eines sehr großen Haushaltes. Man darf nicht vergessen, dass der Prinz de Condé ein Prinz von königlichem Geblüt war, der theoretisch durchaus den Thron hätte erben können, wenn die Abstammungslinie von Ludwig XIV. ausgelöscht worden wäre.


Ausstattung

Interview mit Jean Rabasse


Wie ist es zu Ihrer Mitarbeit bei "Vatel" gekommen?

Szene [800] [1280] Es war ziemlich verrückt und ging alles unheimlich schnell für mich. Einige Ausstatter waren schon angesprochen worden. Dann erhielt ich einen Anruf vom Produktionsleiter Patrick Bordier, der mir von dem Projekt erzählte. Aber als er Roland Joffé erwähnte, da dachte ich, der muss sich verwählt haben, es kann doch nicht sein, dass man mich anruft bei so einem Projekt. Immerhin hat Joffé Filme gemacht wie "The Mission" oder "Killing Fields". Allein das Angebot war schon ein riesiges Geschenk für mich.

Nachdem Sie das Drehbuch gelesen hatten, wie haben Sie sich vorbereitet und wie war die Arbeit mit Roland Joffé?

Szene [800] [1280] Bevor wir über spezielle Techniken oder historische Genauigkeit geredet haben, machte Roland Joffé eines klar: Er wollte das Bild verändern, das man normalerweise von einem historischen Film hat. Er wollte den Blickwinkel verändern, man sollte den König und den Hofstaat mit den Augen der Diener sehen, quasi von hinter den Kulissen auf das Geschehen blicken. Darüber sollte ich mir zuallererst Gedanken machen.

Mit dieser Vorgabe haben wir uns dann an die Ausstattung des Festes gemacht; das heißt, eines Festes im 17. Jahrhundert für König Ludwig XIV. und seinen Hofstaat. Wir haben intensiv recherchiert und stellten fest, dass dies eine Zeit der gigantischen Schöpfungen war, in der spielerisch mit allen möglichen Techniken umgegangen wurde.

Man erlaubte sich Dinge, die wir heute nur mit ganz anderen und vor allem viel moderneren Methoden schaffen. Dafür hatte man eine enorme Fantasie und man verwirklichte die Vorstellungen mit einfachen Bühnentechniken, wie man sie vom Theater kennt.

Es gab eine intensive historische Recherche, inwieweit war da noch Platz für Einfallsreichtum und Fantasie?

Szene [800] [1280] Einen historischen Film zu machen, ist nicht unbedingt das, was mich am meisten reizt. Ich habe mit Découflé gearbeitet und komme eher aus einer Welt, in der neue Umgebungen kreiert werden. Ich habe nie nach Projekten gesucht, die eine historische Wiederherstellung verlangen.

"Vatel" ist allerdings etwas besonderes. Einerseits hat mich die Arbeit mit einem Regisseur wie Roland Joffé interessiert und andererseits habe ich mir gesagt: Wir haben hier drei historische Shows, die wir nachzustellen haben. Wir haben eine Menge Freiheiten, und wir bewegen uns in einer Zeit, die eine ganze Menge Verrücktheiten erlaubt.

Damit fühlte ich mich bei dieser historischen Wiederherstellung genauso wohl wie beispielsweise bei der Ausstattung der Fantasiewelten für Caro und Jeunet. Roland Joffé wollte, dass wir ein ordentliches und intelligentes Abbild dieser Zeit erschaffen. Er wollte aber auch, dass wir noch viel weiter gingen als nur ein schickes Modell der Welt des 17. Jahrhunderts zu bauen, wie man es in Vaux-en-Velin oder Versailles finden kann.

Wir mussten die Essenz finden: Was hat diese besonderen Festivitäten ausgemacht, wie sah das Leben am Hofe aus, wie das Leben in Schloss Chantilly und wie die Welt der Diener in Schloss Chantilly?

Haben Sie mit Spezialisten zusammengearbeitet, die sich mit den Speisen, den Getränken, den Gedecken, dem Geschirr und den sonstigen Accessoires dieser Zeit auskannten?

Wir haben gerade bei den Gedecken sehr aufs Detail geachtet und uns mit Köchen wie Maxime Rebière abgesprochen, der für das Design und die Prägung des Geschirrs verantwortlich war. Und mit Louise Marzaroli, die mir bis zum Ende sehr dabei geholfen hat.

Jede kleine Kirsche, die irgendwo auf einem kleinen Teller liegt, war das Ergebnis eingehender Überlegungen und bedeutete eine Menge Arbeit.

Es ist eine seltene Ausnahme, dass man so viele der Beteiligten bei einem Film sieht, die sich mit den künstlerischen Aspekten im Hintergrund auseinandersetzten.

Oh ja, und selbst die Zusammenarbeit mit der Historikerin Marie France-Noël bezog sich nicht nur auf die historische Genauigkeit und Verifizierung. Wir haben sehr viel über den Alltag am Hof geredet, den Alltag der Diener. Wie sahen die kleinen Details aus, die uns die Geschichte dieser Zeit erzählen lassen?

Das galt nicht nur für die Arbeit am Drehbuch und für das feine standesabhängige Beziehungsgeflecht der Menschen dieser Zeit, es galt auch für Accessoires, für das Arrangement und die Präsentation der Speisen, für die Zubereitung und für die Arbeitsaufteilung in den Küchen, für all die Dinge, die auf der Leinwand so selbstverständlich aussehen. Es stimmt auf jeden Fall, dass wir ziemlich detailversessen waren. Roland hat mit den Schauspielern gearbeitet, und wir anderen haben uns über die Kleinigkeiten Sorgen gemacht, mit peinlicher und manchmal etwas verschrobener Genauigkeit.

Sie wurden fast schon zu Vatel?

Nicht nur ich. Ich habe mehrmals mit Roland darüber geredet. Vatel ist für mich die Personifizierung eines Filmteams. Zur gleichen Zeit Regisseur, Ausstatter, Produktionsleiter, Kostümbildner, Drehbuchautor, und in gewisser Hinsicht war er sogar für das Catering zuständig.

Insofern konnte sich, wenn man so will, jeder von uns irgendwie mit ihm identifizieren. Zudem war er ein sehr rührender Charakter, dem man sich sehr nahe fühlen konnte in seinem Verständnis des Lebens, der Diener und der Dinge, die sie zu tun hatten. Und gleichzeitig hatte er das gleiche tiefgreifende Wissen über die Machtverhältnisse am Hofe.

Dafür liebe ich diesen Film, so weit er auch in der Vergangenheit spielt, so sehr hat er mit unserem Alltag zu tun. Ich erinnere mich daran, dass ich sehr von einer Szene berührt war, in der wir Vatel aus seinem Arbeitszimmer kommen sehen. Das ist eine Szene aus unserem täglichen Leben, ein Teil unseres privaten Lebens, dass wir uns manchmal mit 200 erwartungsvollen Augenpaaren konfrontiert sehen, die überrascht werden wollen. Da darf man nicht einmal blinzeln. Manchmal habe ich Gérard Depardieu beobachtet und musste genau daran denken.

Die Geschichte spielt in Schloss Chantilly, und sie haben in verschieden Schlössern rund um Paris gedreht. Warum diese Entscheidung für mehrere Locations?

Wir wollten ein glanzvolles Schloss des 17. Jahrhunderts neu erschaffen. Davon gibt es nicht mehr viele rund um Paris, und so kamen wir auf die Idee, es aus kleinen Einheiten zusammen zu setzen. Wir haben an 11 verschiedenen Orten gearbeitet, und wir haben ein Schloss geschaffen, dass aus 11 verschiedenen Schlössern besteht.

Roland und ich waren anfangs sehr besorgt, dass der Eindruck nicht einheitlich sein würde. Das gilt besonders für die Szenen am Anfang des Filmes, wenn Vatel uns durch das Schloss führt, von Schlafzimmer zu Schlafzimmer, vom Festsaal in die Küchen. Aber wir hatten eine fantastische Zusammenarbeit mit den französischen Denkmalpflegern. Wir konnten sowohl neue Dinge installieren als auch vorhandene abändern. Das hat uns sehr geholfen, den notwendigen Gesamteindruck zu erzeugen.

Wir haben auch in der Banque de France gefilmt, ein wirklich außerordentliches Erlebnis. Wir dachten zunächst, das wäre ein ziemliches Wagnis: So geeignet das historische Bankgebäude auch ist, ich hatte ständig das Gefühl, bei einem falschen Schritt einen Alarm auszulösen. Letztlich lief aber alles glatt. Die Bank ist ein wunderbarer Ort für diese Aufnahmen gewesen und ebenso herrlich wie aufwendig restauriert.

Zuvor hatte ich oft in Studios gearbeitet, sei es bei "Die Stadt der verlorenen Kinder" oder bei "Asterix", und ich war anfangs wirklich ziemlich besorgt an "echten" Sets zu arbeiten. Doch das Großartige war, dass wir eine reale Basis hatten, die einen nicht im Studio herzustellenden Hauch von Echtheit verströmte.

Wie viele Menschen haben mit Ihnen in den heißen Phasen des Setaufbaus zusammen gearbeitet?

Ungefähr 150 bis 200. Dazu zählen allerdings nicht die, die für die Spezialeffekte und Speisenzubereitung zuständig waren.

Zusammen mit Set Director Françoise Benoît-Fresco wurde Jean Rabasse für den Oscar in der Kategorie "Best Art Direction/Set Decoration" nominiert.




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