Ausstattung
Interview mit Jean Rabasse
Wie ist es zu Ihrer Mitarbeit bei "Vatel" gekommen?
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Es war ziemlich verrückt und ging alles unheimlich schnell
für mich. Einige Ausstatter waren schon angesprochen worden.
Dann erhielt ich einen Anruf vom Produktionsleiter Patrick Bordier,
der mir von dem Projekt erzählte. Aber als er Roland Joffé
erwähnte, da dachte ich, der muss sich verwählt haben,
es kann doch nicht sein, dass man mich anruft bei so einem Projekt.
Immerhin hat Joffé Filme gemacht wie "The Mission"
oder "Killing Fields". Allein das Angebot
war schon ein riesiges Geschenk für mich.
Nachdem Sie das Drehbuch gelesen hatten, wie haben Sie
sich vorbereitet und wie war die Arbeit mit Roland Joffé?
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Bevor wir über spezielle Techniken oder historische Genauigkeit
geredet haben, machte Roland Joffé eines klar: Er wollte
das Bild verändern, das man normalerweise von einem historischen
Film hat. Er wollte den Blickwinkel verändern, man sollte
den König und den Hofstaat mit den Augen der Diener sehen,
quasi von hinter den Kulissen auf das Geschehen blicken. Darüber
sollte ich mir zuallererst Gedanken machen.
Mit dieser Vorgabe haben wir uns dann an die Ausstattung des
Festes gemacht; das heißt, eines Festes im 17. Jahrhundert
für König Ludwig XIV. und seinen Hofstaat. Wir haben
intensiv recherchiert und stellten fest, dass dies eine Zeit
der gigantischen Schöpfungen war, in der spielerisch mit
allen möglichen Techniken umgegangen wurde.
Man erlaubte sich Dinge, die wir heute nur mit ganz anderen und
vor allem viel moderneren Methoden schaffen. Dafür hatte
man eine enorme Fantasie und man verwirklichte die Vorstellungen
mit einfachen Bühnentechniken, wie man sie vom Theater kennt.
Es gab eine intensive historische Recherche, inwieweit
war da noch Platz für Einfallsreichtum und Fantasie?
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Einen historischen Film zu machen, ist nicht unbedingt das, was
mich am meisten reizt. Ich habe mit Découflé gearbeitet
und komme eher aus einer Welt, in der neue Umgebungen kreiert
werden. Ich habe nie nach Projekten gesucht, die eine historische
Wiederherstellung verlangen.
"Vatel" ist allerdings etwas besonderes. Einerseits
hat mich die Arbeit mit einem Regisseur wie Roland Joffé
interessiert und andererseits habe ich mir gesagt: Wir haben
hier drei historische Shows, die wir nachzustellen haben. Wir
haben eine Menge Freiheiten, und wir bewegen uns in einer Zeit,
die eine ganze Menge Verrücktheiten erlaubt.
Damit fühlte ich mich bei dieser historischen Wiederherstellung
genauso wohl wie beispielsweise bei der Ausstattung der Fantasiewelten
für Caro und Jeunet. Roland Joffé wollte, dass wir
ein ordentliches und intelligentes Abbild dieser Zeit erschaffen.
Er wollte aber auch, dass wir noch viel weiter gingen als nur
ein schickes Modell der Welt des 17. Jahrhunderts zu bauen, wie
man es in Vaux-en-Velin oder Versailles finden kann.
Wir mussten die Essenz finden: Was hat diese besonderen Festivitäten
ausgemacht, wie sah das Leben am Hofe aus, wie das Leben in Schloss
Chantilly und wie die Welt der Diener in Schloss Chantilly?
Haben Sie mit Spezialisten zusammengearbeitet, die sich
mit den Speisen, den Getränken, den Gedecken, dem Geschirr
und den sonstigen Accessoires dieser Zeit auskannten?
Wir haben gerade bei den Gedecken sehr aufs Detail geachtet und
uns mit Köchen wie Maxime Rebière abgesprochen, der
für das Design und die Prägung des Geschirrs verantwortlich
war. Und mit Louise Marzaroli, die mir bis zum Ende sehr dabei
geholfen hat.
Jede kleine Kirsche, die irgendwo auf einem kleinen Teller liegt,
war das Ergebnis eingehender Überlegungen und bedeutete
eine Menge Arbeit.
Es ist eine seltene Ausnahme, dass man so viele der Beteiligten
bei einem Film sieht, die sich mit den künstlerischen Aspekten
im Hintergrund auseinandersetzten.
Oh ja, und selbst die Zusammenarbeit mit der Historikerin Marie
France-Noël bezog sich nicht nur auf die historische Genauigkeit
und Verifizierung. Wir haben sehr viel über den Alltag am
Hof geredet, den Alltag der Diener. Wie sahen die kleinen Details
aus, die uns die Geschichte dieser Zeit erzählen lassen?
Das galt nicht nur für die Arbeit am Drehbuch und für
das feine standesabhängige Beziehungsgeflecht der Menschen
dieser Zeit, es galt auch für Accessoires, für das
Arrangement und die Präsentation der Speisen, für die
Zubereitung und für die Arbeitsaufteilung in den Küchen,
für all die Dinge, die auf der Leinwand so selbstverständlich
aussehen. Es stimmt auf jeden Fall, dass wir ziemlich detailversessen
waren. Roland hat mit den Schauspielern gearbeitet, und wir anderen
haben uns über die Kleinigkeiten Sorgen gemacht, mit peinlicher
und manchmal etwas verschrobener Genauigkeit.
Sie wurden fast schon zu Vatel?
Nicht nur ich. Ich habe mehrmals mit Roland darüber geredet.
Vatel ist für mich die Personifizierung eines Filmteams.
Zur gleichen Zeit Regisseur, Ausstatter, Produktionsleiter, Kostümbildner,
Drehbuchautor, und in gewisser Hinsicht war er sogar für
das Catering zuständig.
Insofern konnte sich, wenn man so will, jeder von uns irgendwie
mit ihm identifizieren. Zudem war er ein sehr rührender
Charakter, dem man sich sehr nahe fühlen konnte in seinem
Verständnis des Lebens, der Diener und der Dinge, die sie
zu tun hatten. Und gleichzeitig hatte er das gleiche tiefgreifende
Wissen über die Machtverhältnisse am Hofe.
Dafür liebe ich diesen Film, so weit er auch in der Vergangenheit
spielt, so sehr hat er mit unserem Alltag zu tun. Ich erinnere
mich daran, dass ich sehr von einer Szene berührt war, in
der wir Vatel aus seinem Arbeitszimmer kommen sehen. Das ist
eine Szene aus unserem täglichen Leben, ein Teil unseres
privaten Lebens, dass wir uns manchmal mit 200 erwartungsvollen
Augenpaaren konfrontiert sehen, die überrascht werden wollen.
Da darf man nicht einmal blinzeln. Manchmal habe ich Gérard
Depardieu beobachtet und musste genau daran denken.
Die Geschichte spielt in Schloss Chantilly, und sie haben
in verschieden Schlössern rund um Paris gedreht. Warum diese
Entscheidung für mehrere Locations?
Wir wollten ein glanzvolles Schloss des 17. Jahrhunderts neu
erschaffen. Davon gibt es nicht mehr viele rund um Paris, und
so kamen wir auf die Idee, es aus kleinen Einheiten zusammen
zu setzen. Wir haben an 11 verschiedenen Orten gearbeitet, und
wir haben ein Schloss geschaffen, dass aus 11 verschiedenen Schlössern
besteht.
Roland und ich waren anfangs sehr besorgt, dass der Eindruck
nicht einheitlich sein würde. Das gilt besonders für
die Szenen am Anfang des Filmes, wenn Vatel uns durch das Schloss
führt, von Schlafzimmer zu Schlafzimmer, vom Festsaal in
die Küchen. Aber wir hatten eine fantastische Zusammenarbeit
mit den französischen Denkmalpflegern. Wir konnten sowohl
neue Dinge installieren als auch vorhandene abändern. Das
hat uns sehr geholfen, den notwendigen Gesamteindruck zu erzeugen.
Wir haben auch in der Banque de France gefilmt, ein wirklich
außerordentliches Erlebnis. Wir dachten zunächst,
das wäre ein ziemliches Wagnis: So geeignet das historische
Bankgebäude auch ist, ich hatte ständig das Gefühl,
bei einem falschen Schritt einen Alarm auszulösen. Letztlich
lief aber alles glatt. Die Bank ist ein wunderbarer Ort für
diese Aufnahmen gewesen und ebenso herrlich wie aufwendig restauriert.
Zuvor hatte ich oft in Studios gearbeitet, sei es bei "Die
Stadt der verlorenen Kinder" oder bei "Asterix",
und ich war anfangs wirklich ziemlich besorgt an "echten"
Sets zu arbeiten. Doch das Großartige war, dass wir eine
reale Basis hatten, die einen nicht im Studio herzustellenden
Hauch von Echtheit verströmte.
Wie viele Menschen haben mit Ihnen in den heißen
Phasen des Setaufbaus zusammen gearbeitet?
Ungefähr 150 bis 200. Dazu zählen allerdings nicht
die, die für die Spezialeffekte und Speisenzubereitung zuständig
waren.
Zusammen mit Set Director Françoise Benoît-Fresco
wurde Jean Rabasse für den Oscar in der Kategorie "Best
Art Direction/Set Decoration" nominiert.