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Pakt der Wölfe
Szenen
Ein Interview mit Jamie Courtier,
Creative Director in Jim Hensons Creature Shop
Wie ist "Jim Hensons Creature Shop" mit diesem
Projekt in Berührung gekommen?
Pakt Der Wölfe ist sicherlich eines der besten
Drehbücher, das ich seit langer Zeit lesen durfte. Mir war
von vornherein klar, dass man daraus einen phantastischen Kinofilm
machen könnte. Zuerst trafen wir uns mit Christophe Gans
in Paris, dann kam er nach London, um sich selbst ein Bild über
unseren "Creature Shop" machen zu können.
Im Laufe der Jahre haben wir schon die ausgefallensten Dinge
kreiert, obwohl uns die meisten ausschließlich mit Kermit
in Verbindung bringen. Dieser Film gibt uns eine außergewöhnliche
Möglichkeit, unsere Vielfältigkeit zu zeigen. Es war
für uns eine große Herausforderung, etwas wirklich
Neues zu entwickeln. Die Bestie unterscheidet sich von allem,
was wir bisher erschaffen haben. Deshalb war es sehr aufregend,
diesen Film machen zu dürfen.
Wie haben Sie die Entwürfe für die Bestie entwickelt?
Wir haben einen außergewöhnlichen französischen
Designer, der Igor Chevalier heißt. Ich nahm Igor unter
meine Fittiche, habe ihn praktisch für die Zeit des Films
adoptiert. Er hat eine Vorliebe für die dunkle Seite von
Dingen, gleichzeitig ist er ein hervorragender Designer. Er war
erst einige Monate bei uns, als Christophe Gans und Samuel Hadida
zu uns kamen, um den Film mit uns zu machen. Es waren einfach
glückliche Umstände, die hier zusammentrafen, besonders
für Igor. Alles verlief absolut perfekt! Igor kannte natürlich
die Legende von der "Bestie von Gévaudan", und
sie entsprach genau seinem Geschmack. Christophe und er hatten
die gleichen Vorstellungen, und Igor war in der Lage, diese beeindruckenden
Visionen von der legendären Bestie auch praktisch umzusetzen.
Erläutern Sie doch mal die erste Stufe der Umsetzung?
Nachdem wir zunächst Zeichnungen anfertigten, die auf allgemeine
Zustimmung trafen, begannen wir mit dem Entwurf einer Skulptur.
In diesem Fall wurden Mengen von Materialien benötigt, um
der Bestie ihre innere Struktur zu geben und um einen Mechanismus
zu entwerfen, der es ermöglichte, sie zum Leben zu erwecken.
Als Leiter des Projekts war ich in der glücklichen Lage,
Topleute zu verpflichten, die auf diesem Gebiet auf jahrelange
Erfahrungen zurückgreifen konnten.
Wir haben einen großartigen Bildhauer, mit dem "Creature
Shop" schon seit zwanzig Jahren zusammenarbeitet. Nikki
Lyons, der schon für viele ungewöhnliche Kreaturen
das Innenleben entworfen hat und sie dadurch wirklich lebendig
erscheinen lässt, war auch an diesem Projekt beteiligt.
Ein Monster als einfache Statue zu bauen ist einfach, ihr Leben
einzuhauchen ist weitaus schwieriger. Die Art, wie sich eine
Kreatur bewegt, muss überzeugend sein. Der Eindruck von
Körperlichkeit, Muskeln und Kraft muss vermittelt werden.
Es reicht nicht, eine Monsterattrappe wie beim Theater hinzustellen.
Wie viele Leute waren an der Herstellung beteiligt?
Wir waren ein kleines Team und haben alle eng zusammengearbeitet.
Es ging nicht nur um die Hydraulik, sondern auch um hochspezielle
Technologien. Die Bestie wie eine Maschine in Bewegung zu setzen,
ist eine Sache, aber das wirklich Schwierige ist das Zusammenspiel
zwischen Technik und dem äußeren Erscheinungsbild
der Kreatur, die so authentisch aussehen muss, dass es fürs
Publikum glaubwürdig erscheint. Wir nennen dieses Ineinandergreifen
"weiche Technologie", und das fordert auf diesem Gebiet
ganz besondere Fähigkeiten. Ein Team von zehn Leuten arbeitete
an dieser Fabrikation, angefangen von den Spezialisten bis zu
den Studenten, die sich um die einfacheren Arbeiten kümmerten.
Neben einem Team von Ingenieuren waren Elektronikspezialisten
vor Ort, die sich um die Animatronik im Studio kümmerten.
Wir benutzten ein hydraulisches System, das computergesteuert
wurde. Zu guter Letzt haben wir drei Maler engagiert, um der
Bestie den letzten Schliff zu geben.
Wie haben Sie die animatronische Bestie zum Leben erweckt?
Das animatronische Gerüst wurde ferngesteuert, und eine
Gruppe von Leuten übernahm die Puppenspielerei. Der Computer
war das Werkzeug, der mit der Technik in der Bestie in Verbindung
stand. Der Computer erlaubte es uns, gewisse Dinge zu programmieren.
Ein Beispiel: Allein wenn wir unsere Augen rollen, wird ein ganzer
Bewegungsapparat aktiviert. Die Augenlider und Brauen gehen hoch,
und viele andere Muskeln geraten in Bewegung. Mit einem Computer
kann man all diese Funktionen programmieren, um einer Kreatur,
die ja gar nicht lebt, eine gewisse Authentizität zu geben.
Es ist diese Art von Lebenszeichen wie zum Beispiel Augenrollen,
die erst mit dem Computerprogramm erreicht werden. Das hängt
natürlich alles von der Sensibilität der leitenden
Künstler ab. Wenn es beispielsweise nur darum geht, in einer
Szene den Kopf in Bewegung zu zeigen, reichen zwei Puppenspieler
völlig aus. Wenn das Tier im Gesamtbild daliegt, braucht
man ganz offensichtlich Kontrollkabel, die aus dem Boden kommen
und wahrscheinlich Leute darunter mit Stangen, die an den Füßen
der Bestie befestigt sind und eine Hydraulikmaschine, die von
unserem Kontrollsystem gesteuert wird.
Wie viele Bestien mussten Sie für den Film bauen?
Sie existierte in zwei Versionen, nein, in drei Versionen, weil
wir noch ein Exemplar für die Stunts brauchten. Also drei
verschiedene Bestien, um diesen Film zu realisieren. Man darf
aber nicht vergessen, dass nicht nur eine animatronische Bestie
gebraucht wurde, sondern auch eine digitale Kreatur. Nachdem
die Dreharbeiten begannen, bekamen wir sofort das Filmmaterial,
um mit unserer Arbeit beginnen zu können. Der digitale Prozess
beginnt sowieso erst in der Postproduktion. Ein enormer Aufwand,
denn mehr als 150 verschiedene Szenen mussten bearbeitet werden.
Die computeranimierte Bestie war für die Actionszenen wichtiger
als die animatronische Kreatur, die nur für Szenen eingesetzt
wurde, in denen sie nicht so viel bewegt werden musste.
Wer oder was bestimmte, ob Animatronik und Computeranimation
geeigneter wäre?
Die Bestie, die wir für die Stunts brauchten, war die ganze
Zeit mit der Crew am Set. Aber die Frage, ob für eine Szene
die animatronische Bestie eingesetzt werden sollte, oder ob man
sie später per Computeranimation ins Bild setzt, entschied
sich oftmals erst in der letzten Minute und war von den jeweiligen
Umständen am Drehort abhängig. Grundsätzlich standen
immer beide Möglichkeiten zur Wahl. Es passierte auch schon
mal, dass eine Stuntszene mit der animatronischen Bestie gedreht
wurde, die dann aber nicht funktionierte. Da war es dann überhaupt
kein Problem, später die computeranimierte Kreatur ins Bild
zu setzen.
Wie wurde das Studiomaterial mit den Realszenen kombiniert?
Für die animatronische Bestie waren spezielle Drehs nötig.
Manche Szenen wurden direkt am Schauplatz gedreht, aber die meisten
entstanden in einem Londoner Studio. Wir verwendeten ein Bluescreen,
vor das wir die Bestie und Teile der Originalkulisse stellten.
Wir machten uns immer wieder ein Bild von den Locations in Frankreich,
um genau zu sehen, wie die Teile zusammenpaßten.
Natürlich ist es wunderbar, wenn es möglich ist, Kreatur
und Schauspieler zusammen agieren zu lassen. Einige Szenen konnten
so gedreht werden und wirken sehr überzeugend. Aber wir
mussten Wege finden, diesen Effekt auch mit der computeranimierten
Kreatur zu erreichen. Mit anderen Worten: Die Kreatur war gar
nicht am Set, und der Schauspieler musste versuchen, auf etwas
zu reagieren, was gar nicht sichtbar war.
Wir verwendeten Bälle, die auf Stangen befestigt waren,
um den Schauspielern eine Ahnung zu geben, von wo bis wo sich
die Bestie bewegt. Das setzte natürlich eine starke Vorstellungskraft
der Schauspieler voraus. Aber das gehört zu ihrem Aufgabenbereich,
Angst zu zeigen vor einem Football, der sich am Ende einer Stange
befindet.
In diesem Fall konnten wir feststellen, dass es die Schauspieler
bevorzugen, auf etwas zu reagieren, dass anonym bleibt. Wir hätten
sicherlich auch eine Attrappe als Kopf benutzen können,
aber alle Schauspieler waren sich generell darüber einig,
dass sie ihren eigenen Schrecken und ihre eigenen Ängste
besser vorstellen könnten, wenn sie einem anonymen Objekt
gegenüberstehen. Mit anderen Worten ausgedrückt: Ein
Football war erschreckender als eine Maske.
Hat Pakt der Wölfe dazu
beigetragen, die Technologie voranzutreiben?
Noch vor zehn Jahren hatte wir gar keine Computer, sondern benutzten
Kabel und die Technologie von Fahrradbremsen. Unser Fortschritt
wurde durch die Anforderungen dieses Projekts und natürlich
durch unsere Neugier vorangetrieben. Jeder von uns versucht,
noch ein Stück besser zu sein als beim letzten Projekt.
Bei "Creature Shop" ist kein Projekt wie das andere.
Auch deshalb, weil Regisseure und Produzenten uns antreiben,
etwas völlig Neues zu finden. Der "Creature Shop"
lotet die Grenzen des Möglichen immer wieder neu aus. Die
Bestie ist ein Wunderwerk der Technologie, eine Verschmelzung
von Kunst und Technologie. Wahrscheinlich ist sie eine der besten
Kreaturen, die wir jemals erschaffen haben.
Galerie
Sylvia (Monica Bellucci)
Marianne De Morangias (Émilie Dequenne)
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