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Hexenjagd

Literatur: Millers Hexenjagd


Szene

1952 reist Arthur Miller zum ersten Mal zum Anschauungsunterricht nach Salem und geht dort ins "Hexenmuseum" der Historischen Gesellschaft. Er liest Dokumente und studiert dann eine Reihe von Kupferstichen und Holzschnitten, erkennt "die betroffenen, unschuldigen Mädchen, die voll Entsetzen mit dem Finger auf die Frau eines Farmers deuteten, die sie insgeheim mit ihren Zauberkräften verfolgte", erkennt die Richter in ihren Amtsroben und die Kirchträger in ihren langen Gewändern, "die sich über die unglaubliche, vom Teufel angestachelte Verstocktheit der Angeklagten empörten" - und denkt intensiver über ein Stück zum Thema nach. Miller begreift mehr durch diese Bilder als alles andere "einen vertrauten inneren Zusammenhang zwischen der Hexerei und dem Puritanismus, seinen Illusionen, Dummheiten und auch seiner Erhabenheit". Und noch etwas nimmt er wahr: eine Verwandtschaft zwischen diesen selbstgerechten Neuengländern und den Ur-Hebräern.

Beide - weiß er - glauben inbrünstig an Gott und sehnen sich nach einem System, in dem alles klar ist und "auf die Buchstaben des Gesetzes reduzierbar", mit einer "reinen und intellektuell geschliffenen Beweisführung". Das Thema reizt den jüdischen Autor schon deshalb mehr und mehr. Und je intensiver er sich informiert,je mehr er liest - Protokolle der Verhöre, die oft phonetisch niedergeschrieben wurden und Miller später helfen, die harte Neuengland-Sprache authentischer wiederzugeben, Bücher, Essays, Aufzeichnungen, Aufarbeitungen, Deutungen - es wird ihm bewußt, daß er mit dem Stück nicht nur aufklären will, nicht nur belehren, sondern über das Leben und vor allem seine Zeit schreiben würde. Und muß.

Denn Senator Joseph McCarthy treibt inzwischen seine antikommunistische Hysterie auf einen Höhepunkt. Auch Arthur Miller ist betroffen, muß sich, weil er kommunistischer Umtriebe bezichtigt wird, vor dem House Committee on Un-American Activities verteidigen, soll Kollegen verraten, anderen Autoren politische Unzuverlässigkeit nachweisen und ihre Identität preisgeben. Was er nicht tut. Lieber schreibt er sein Stück und gibt dem, was McCarthy seinem Land zumutet und zufügt, den richtigen Namen: "Hexenjagd".

Es ist dieselbe Massenhysterie, die in Salem im 17. Jahrhundert ein paar junge Mädchen und dann mehr und mehr Bewohner des Ortes mit dem Teufel im Bunde glaubt, die jetzt - kurz nach der Mitte dieses Jahrhunderts in Amerika glaubt, daß die Roten und die Linken, die Kommunisten und die Liberalen nichts anderes als den Untergang des Landes im Sinn haben. Millers Stück, 1953 fertig geworden, kam zur richtigen Zeit. Viele seiner Zuschauer begriffen, wie das gemeint war mit den Hexen damals und dem Wahnsinn, der ihre Gegenwart zermürbte.

Und Miller begann, seinen Ruf als bester amerikanischer Bühnenautor dieses Jahrhunderts seit Eugene O'Neill und Tennessee Williams zu festigen.

Ein anderes Motiv, heimlicher und privater, bewegt ihn zusätzlich. Er hat sich in den blonden Traum fast aller Amerikaner verliebt, die für manche nur eine "blonde Hexe" ist: Arthur Miller, der große Intellektuelle, liebt Marilyn Monroe, das Kurvenwunder. Und sie liebt ihn. Er hat seiner Frau Mary Grace Slattery, mit der er zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn, hat, von dieser Liebesgeschichte gestanden. Und so läuft bei Millers zu Hause ab, was in solchen Situationen üblich ist.

Miller schreibt sich seinen Kummer von der Seele, wenn er John Proctor sprechen läßt, schreibt seinen Appell an die eigene Frau in seiner "Hexenjagd". Abigail Williams, Magd bei den Proctors, ist nach der Affäre mit John aus dem Haus verbannt worden. John sehnt sich danach, daß alles wieder so ist, wie es einst war. Aber Elizabeth kann ihm nicht verzeihen. "Verschone mich!" sagt John. "Du vergißt nichts und vergibst nichts. Lerne doch Nachsicht und Güte, Weib. Ich bin sieben Monate lang in diesem Haus auf Zehenspitzen gegangen, seitdem sie fort ist. Ich habe keinen Schritt getan, ohne daran zu denken, wie ich dir zu Gefallen sein könnte, und trotzdem geht ein düsterer Leichenzug ewig um dein Herz."

1956 heiratet Miller Marilyn Monroe - wie Mary Grace Slattery darüber denkt, teilt er niemandem mit. Und sein Stück "Hexenjagd" befindet sich längst auf einem Triumphzug um die Welt, weil das Thema in jedem Land verstanden wird und auf keinem Flecken der Welt nicht auch nachhaltige aktuelle Bedeutung findet. Hexenjagden gibt es überall und zu jeder Zeit.


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