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Gadjo Dilo - Verrückter Fremder

Regie: Tony Gatlif


Tony Gatlif wurde am 10. September 1948 in Algerien geboren. Wie viele andere, verließ er seine Heimat Anfang der 60er Jahre. "Wir waren 500 Kinder, lebten auf der Straße, waren frei und verachteten die Schule. Wir wollten nicht eingesperrt sein!"

Also drohten die Behörden mit Streichung der Familienbeihilfen für diejenigen, die ihre Kinder nicht zur Schule schickten. Das funktionierte nicht. Schließlich versprachen sie Milch und Mehl für alle fleißigen Schüler. Doch auch das funktionierte nicht.

Ein Lehrer fand schließlich eine geniale Lösung. Er kaufte einen 16mm Projektor und zeigte jede Woche einen unterrichtsbezogenen Film. "Wir haben Filme von Vigo und Renoir gesehen, 'Schlagende Wetter' von John Ford, die Chaplin-Filme und, und, und... Das Kino drang in meine Leere ein. Meine ganze Karriere verdanke ich diesem Mann, der sich damals, vor vielen Jahren, um mich gekümmert hat."

Gatlif kam nach Frankreich, ohne einen Franc in der Tasche. Er kannte die chaotischen Wege der Straßenkinder, das Verbrechen, die Besserungsanstalt: "Damals interessierte sich der Staat das erste Mal für mich, weil ich ein Rebell war." Tagsüber profitierte er von den Kinos auf den großen Boulevards, in denen man warm und relativ gemütlich schlafen kann. Gatlif: "Ich erinnere mich, daß ich allein viermal während 'Außer Atem' geschlafen habe."

Eines Abends, 1966, beschloß Gatlif, sein Idol Michel Simon zu besuchen, der damals in einem Stück von Rene de Obaldia spielte: "Ich glaubte, es handle sich um eine Kinovorstellung. Als sich der Vorhang hob und auf dieser großen erleuchteten Bühne der echte Michel Simon stand, war das ein Schock." Am Ende des Stücks versteckte sich Gatlif in der Loge. "Als alle Bewunderer gegangen waren, kam Simon zu mir und fragte, was ich wolle. Ich antwortete: "Ich möchte Kino machen. Glauben sie, daß das möglich ist?" Er hat mich sehr lange angeschaut und dann mit dieser außergewöhnlichen Stimme geantwortet: "Natürlich ist das möglich!" In seiner Verrücktheit schrieb der Schauspieler eine Empfehlung, die seinen Impressario auf Gatlif aufmerksam machen sollte.

Tony Gatlif besuchte einen Drama-Kurs in Saint-Germain-En Laye. Da er kaum lesen konnte, lernte er seine ersten Texte phonetisch. Fünf Jahre später stand er im 'Theatre National de Paris' auf der Bühne, in einem Stück von Edward Bond. Der andere Anfänger am Theater war Gérard Depardieu.

Gatlif lacht: "Wann immer wir an Texten arbeiteten, war es Gérard, der am schlechtesten vorlas. Irgendwie gelang es ihm, immer noch hinter mir zu landen." Gleichzeitig schrieb Gatlif sein erstes Drehbuch La Rage au Poing. Gatlif: "Depardieu machte sich jeden Abend über mich lustig. Man muß bedenken, daß ich auf einer Plastikschreibmaschine schrieb, und das wirkte nicht sehr seriös."

Später dreht Depardieu Les Valeuses und Eric Le Hung La Rage au Poing, einen Film, der von den Erfahrungen in Besserungsanstalten inspiriert ist. Als nächstes beschließt der neue Drehbuchautor, hinter die Kamera zu wechseln. 1975 dreht er seinen ersten Film. La Tete en Ruine. 1978 folgt La Terre au Ventre, der die Geschichte einer Mutter von vier Kindern während des Algerienkrieges erzählt. "Zu dieser Zeit", erinnert sich Tony Gatlif, "war ich fasziniert von der Geschichte des Andreas Baader. Ich habe bei dem Film über die algerische Revolution immer an ihn gedacht."

1981 dreht er, mit Zigeunern aus Granada und Sevilla, Corre Gitano in Spanien: "Der erste Film, in dem ich meine Zigeunerherkunft wiedergefunden habe. Dieser Film bekennt sich zum Zigeuner-Sein. Trotz allem, trotz der Verfolgung, der Verachtung - ich bin Zigeuner. Ich existiere, wir existieren."

Aber der Film, der Tony Gatlif bekannt macht, ist Les Princes (Die Prinzen). Vielbeachtet von der Kritik, ist Les Princes ein kompromißloser Film ohne jeden Pathos über die seßhaften Zigeuner in den Pariser Vorstädten. Les Princes hat den Weg geebnet und die Zuschauer aufmerksam gemacht. Ein Film, den der Regisseur als Faustschlag betrachtet.

1992 stürzt sich Tony Gatlif mit Latcho Drom in ein verrücktes Abenteuer. Mit einem kleinen Team macht er sich auf die Spur der Roma. Eine Reise, die ihn während eines Jahres von Rajastan nach Andalusien führt, über Ägypten, Rumänien, Ungarn und Frankreich.

"Für mich ist dieser Film eine Hymne - im ursprünglichen Sinn des Wortes. Ein Film, der über die Musik eine Verbindung schafft für die Gesamtheit des Zigeunervolkes." Der Film wird fantastisch aufgenommen, als er in Gonnes in der Reihe 'Un Certain Regard' läuft.

Nach Les Princes und Latcho Drom vollendet Tony Gatlif mit Gadjo Dilo sein Triptychon, das er den Zigeunern gewidmet hat.


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