Logo




Unterstützen Sie Kinoweb. Klicken Sie unseren Sponsor.

Gattaca

Gastkommentar von Holger Wormer


(Der Autor ist Redakteur im Ressort Umwelt - Wissenschaft - Technik der Süddeutschen Zeitung)

Die Spuren seines Kusses, ein Haar des abendlichen "dates" reichen aus für die minutenschnelle Diagnose: Irenes Eroberung war ein guter Fang - aus genetischer Sicht. Zwar mag man seine Zweifel haben an der Aussagekraft der Untersuchung, die zudem auch in "nicht allzuferner Zukunft" nicht ganz so schnell vor sich gehen wird.

Doch Zweifel am prinzipiell Möglichen kommen ebensowenig auf, wie in den meisten anderen Szenen in GATTACA: Der genetische Fingerabdruck, den Detective Hugo zur Mödersuche einsetzt, ist Realität. "Genchips", als letzter Schrei aus den Labors der Molekularbiologen, erlauben Massentests auf eine Vielzahl von Genen gleichzeitig, die - wenn auch nur schwerlich den Charakter einer Eroberung - so doch eine Reihe von Schäden im Erbgut schnell aufdecken können.

Als Folge der raffinierten Methoden, die den Blick der Molekularbiologen mehr und mehr schärfen, wirft die Diskriminierung aufgrund "schlechter" Gene ihre Schatten voraus: So wie im Film die Türen des Kindergartens vor dem kleinen Vincent zufallen, so schließen sie sich mitunter bereits in der Gegenwart, wenn es etwa um die Aufnahme in eine Versicherung geht. Die Akzeptanz gegenüber Behinderten sinkt - allein durch die Möglichkeiten der Gen-Diagnose. "So etwas muß doch heute nicht mehr sein" ist schon im Denken vieler Menschen verankert. Ein Genforscher räumte bei der Diskussion um das Klonen ein, man werde Eltern mehr und mehr fragen, warum sie das Risiko "der genetischen Lotterie", der natürlichen Zeugung, eingegangen sind.

Bis zu einem Jerome, einem gentechnisch perfektionierten Menschen, dürfte es freilich ein wenig länger dauern. Zu kompliziert erscheint noch das Zusammenspiel der Gene untereinander und mit der Umwelt, die die Entwicklung entscheidend prägt. Wenn es etwa darum geht, eine besonders intelligente Person hervorzubringen, reicht es eben nicht aus, ein einziges Gen zu verändern. Noch greifen bei den meisten Wissenschaftlern auch ethische oder rechtliche Bedenken gegen eine Menschenzucht. Allerdings gibt es genug Forscher, die keine Hemmungen hätten, sich an der Konstruktion menschlicher Wesen zu versuchen, die "intelligenter und schöner" sein sollen als die heutigen. Am notwendigen Handwerkszeug, kombiniert mit der künstlichen Befruchtung, fehlt nicht viel.

Es spricht für diesen Film, der ohne Science-fiction-Schnickschnack auskommt, wenn er deutlich macht, daß die "richtigen" Gene keine Erfolgsgarantie bedeuten. Die wissenschaftliche Entwicklung für die "nicht allzuferne Zukunft" wird lediglich auf einem Nebenschauplatz überschätzt: Die technischen Möglichkeiten und das wirtschaftliche Interesse für Firmen wie die GATTACA-Corporation, ferne Planeten zu erreichen, dürften um Jahrzehnte hinter der Gentechnik hinterherhinken. Deren Konsequenzen werden weniger im All, sondern direkt vor der eigenen Haustür zu beobachten sein.


Logo.6
[ Vor | Zurück | Film-Home ]
[ kinoweb | Info | Suche | Post ]