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Just Married
Interview mit dem Regisseur
Ein alltägliches Ehedrama
Rudolf Thome im Gespräch mit Petra Seeger am 2.6. 98 in Köln
In "Just Married" geht es um die Unterdrückung
der Männer in der Ehe. Oder?
(Lacht und überlegt lange) Ja.
Der Kritiker Wilhelm Roth beginnt seine Kritik des Films mit dem Satz,
daß die Ehe der beiden von vornherein kaputt sei. Das hat mich fassungslos
und sprachlos gemacht. Ich wollte ihm daraufhin eigentlich einen Brief
schreiben. Die Ehe der beiden ist schwierig, aber sie ist nicht kaputt.
Der Mann im Film geht ja nicht weg, sondern heiratet. Aber die Beiden leben
noch gar nicht zusammen, da hat er schon Probleme.
Was denn für Probleme?
Sie fragt ihn am Abend vor der Hochzeit auf dem
Bootssteg: "Liebst du mich?" und er sagt mit einer ganz kleinen Stimme:
"Ja." Das ist nicht gelogen, aber man merkt, daß er da nicht
so einfach hereinmarschiert in diese Ehe. Sie merkt das auch und fragt:
"Hast du Angst?". Und er sagt: "Ja. Auch." Da ist sehr klar
wie der Ausgangspunkt für diese Ehe ist. Der Ausgangspunkt ist positiv.
Aber er hat Probleme dabei. Dann macht der Film Zeitsprünge. Immer
wieder vergeht ein Jahr und jeweils wird ein Kind geboren. Innerhalb von
jedem der drei Zeitabschnitte taucht die Frage auf: "Liebst du mich?"
Und er sagt ganz klar : "Ja." Das ist absolut überzeugend. Er
lügt sie nicht an. Da kann man doch nicht schreiben die Ehe sei kaputt!
Wilhelm Roth hat offensichtlich ein Bild von der Ehe, die mit der Realität
einer Ehe überhaupt nichts zu tun hat.
Beschreibst du in dem Film die Realität,
den Alltag einer Ehe?
Ich beschreibe das aber natürlich pointiert.
Ich übertreibe. Der Film könnte auch "Beschreibung einer
Ehe" heißen. Vieles ist zugespitzt. Die Unterdrückung des Mannes
in der Ehe zeige ich überdeutlich.
Du sagtest mal, du würdest einiges heute,
zwei Jahre nachdem du das Drehbuch geschrieben hast, grundsätzlich
anders sehen. Kannst du sagen was das ist?
Meine Erfahrung mit der Ehe ist einen Schritt weitergegangen.
Ich hatte damals sehr viele trostlose Ehen in meinem unmittelbaren Bekanntenkreis
und das erstaunliche ist ja, daß diese Leute heute immer noch zusammen
sind, obwohl es vor zwei oder drei Jahren so aussah, als würden sie
auseinandergehen. Es ist halt ein komplizierter Prozeß, der sich
in einer Ehe abspielt. Das hat nichts mit romantischer Liebe und all dem,
womit wir erzogen werden zu tun. Damit hat eine Ehe nichts zu tun, oder
nur sehr wenig. Aber die Liebe kann in jeder Phase einer Ehe wiederkommen,
und mag sie noch so deprimierend und hart sein. Die Liebe kommt wieder,
wenn man zusammenbleibt. Wenn man natürlich abbricht, dann ist es
vorbei. Das ist klar. Aber wenn man zusammenbleibt, dann kommt das wieder.
Dabei spielen die Kinder auch eine ganz wichtige Rolle.
Aber nun hast du ja keinen Film darüber
gemacht wie die Liebe in einer Ehe wiederkommt, sondern du zeigst ein alltägliches
Ehedrama.
Ja. Ich wollte provozieren.
Wen?
Alle. Weil das keiner so sieht. Das Drehbuch war
ursprünglich noch härter. Das was ich gedreht habe, war dann
sanfter. Wenn er vom Felsen stürzt, hat sie sich ja in der ursprünglichen
Version auf einen gegenüberliegenden Felsen gesetzt und ein Buch gelesen.
Sie hat ihn halb zerschmettert liegen lassen und das Buch zu Ende gelesen.
Erst dann ist sie runtergegangen um ihm zu helfen. Einige Frauen haben
zu mir gesagt: Das macht keine Frau.
Du hingegen meintest, das macht eine Frau?
Ja. Ich würde nicht unbedingt soweit gehen
zu sagen: Die Frauen sind so. Aber es so zu zeigen, das gehört zu
meiner pointierten Erzählung. Ein Fernsehredakteur meinte, ich müsse
das in ihren Charakter einbauen, damit man das auch glaubt, daß sie
zu so einer Gemeinheit und Grausamkeit fähig ist. Da habe ich gesagt:
"Um Himmelswillen, so verhalten sich alle Frauen. Das soll kein spezieller
Charakterzug sein." Der Film soll etwas allgemeines aussagen über
Ehepaare mit Kind.
Die Unterdrückung der Männer
Warum sind deiner Meinung nach die Männer
so unterdrückt?
Weil die Frau die Kinder auf die Welt bringt. Das
gibt ihr Stärke und Macht. Ich bin der Meinung, es gibt keine Frau,
die diese Macht, die ihr das Kind gibt, nicht ausnützt, gegen den
Mann. Das hat mich oft zum Wahnsinn gebracht, wenn ich das gesehen habe.
Vielleicht hat es damit zu tun, daß die
Männer sich durch die Kinder plötzlich mehr an die Frauen gebunden
fühlen und nicht mehr einfach gehen, wenn ihnen etwas nicht paßt?
Ja, gut. Man kann gehen oder schreien oder sonstwas.
Der eine verhält sich so, der andere so. Aber das Zusammenleben von
einem Paar ist immer auch so: Einer ist der Chef. Es ist immer auch ein
Kräftespiel. Es ist immer Einer, der letzten Endes entscheidet, und
ohne Kind ist da immer eher ein Gleichgewicht. Mit Kind verlagert sich
das Gleichgewicht automatisch.
Ohne Kind bestimmt auch heute noch oft der Mann.
Nach einer Geburt ist die Natur dann auf der Seite der Frauen und das verwechselst
du mit Unterdrückung. Du erzähltest mal, von einer Frau, die
ihrem Mann das Baby hinhält und sagt: "Wickel du, es ist auch
dein Kind!" Da hast du dich aufgeregt und gesagt, daß sei demonstrativ,
stelle den Mann bloß. Da überträgst du ja nur auf die Frau
das, was vom Kind kommt. Das Kind fragt nicht, wann der beste Moment zum
Scheißen ist. Der Fremdbestimmung, die die Frauen erleiden wenn sie
ein kleines Kind haben, unterliegen dann auch die Männer. Du überträgst
das aber auf die Frau und sagst: "Die ist schuld, wenn sie mir das
Kind gibt." Aber die Situation ist einfach die, daß das Kind
gewickelt werden muß, egal ob du Besuch hast oder nicht. Das ist
eine alltägliche Erfahrung, die wir Frauen machen.
Das ist mir zu theoretisch.
Was ist daran theoretisch? Also die Windeln sind
voll, das Kind schreit. Gut, es muß was passieren.
In dem Moment wo die Frau das Kind hochnimmt, kann
sie es ja auch selbst wickeln.
Nein. Die muß gerade weg. Die muß
z.B. arbeiten gehen.
Ok. (Lacht)
Und sie will die Arbeit teilen und das ist der
Appell.
(Lacht) Gut. ok. Aber sie zwingt den Mann.
Nein, sie zwingt ihn nicht. Das ist es eben.
Sondern sie macht darauf aufmerksam. Wir Frauen sind ständig in Situationen
in denen wir unterbrochen werden. Wir jonglieren ständig zwischen
unseren und den Bedürfnissen der Kinder.
Petra! Ich verstehe das und ich war auch drauf und
dran dir Recht zu geben, aber es geht ja nicht nur um die Arbeitsteilung.
Wenn ich jetzt ein Baby hätte und das Gespräch jetzt bei mir
zu Hause stattfinden würde und meine Frau das Baby nehmen würde
und mir es hier hinhalten würde, das wäre doch ein bißchen
deplaziert. Sie sieht ja, daß wir auch bei einer Sache sind die ihre
Wichtigkeit hat, und mit mir jetzt gerade in diesem Moment teilen zu wollen,
da geht es dann nicht nur um die Arbeitsteilung. Das ist eine Provokation.
Die Frauen kämpfen und sie benutzen dabei
Gemeinheiten.
Ist der Mann denn so unterdrückt in der
Ehe?
Ich war immer erstaunt, daß es bei vielen
Paaren so ist.
Wir haben gerade gesagt, daß es nicht so
eindeutig schwarzweiß ist, sondern daß es für beide eine
schwierige Zeit ist wo die Machtverhältnisse neu verteilt werden.
Ich glaube eher, dich ärgert, daß du nicht mehr wie vorher die
Kontrolle hast. Daß du durch die Kinder eine Bindung an die Frau
hast, die so stark ist, daß du nicht mehr so schnell gehen kannst.
Du fühlst dich gebunden und verwechselst das mit Unterdrückung.
Vielleicht. Aber man muß aber auch sehen,
vor 100 bzw. 50 Jahren wäre das Problem gar nicht existent gewesen,
weil die Frau es sowieso hätte machen müssen. Da war die Rollenverteilung
eindeutig.
Sehnst du dich vielleicht nach dieser Zeit?
Nein. Ich bin zum Teil noch mit dieser Rollenverteilung
aufgewachsen. Das ist heute nicht mehr so und man muß einfach sehen,
wie es ist. Die Männer, zumindest ein großer Prozentsatz, haben
es ja auch gelernt. Die Männer haben ja auch gelernt zu wickeln. Das
machen sie ja. Mir geht es nur darum, wie die Frauen das machen. Sie kämpfen
und sie benutzen dabei Gemeinheiten.
Was sind denn das für Gemeinheiten?
Ich habe doch eben das Beispiel gebracht. Wenn mir jetzt meine Frau
in dieser Situation das schreiende und zu wickelnde Kind in die Hand drücken
würde, das wäre gemein.
Es geht nicht nur um diese Situation. Der Film
enthält die Aussage, daß die Männer durch die Struktur
der Ehe unterdrückt sind. Das hängt natürlich im Film auch
damit zusammen, daß der Mann eigentlich nur eine Funktion seiner
Frau ist. Sie bestimmt den Ablauf und die Umstände der Hochzeitsreise,
sie bestimmt die Spielregeln. Aber warum sagt der Mann nichts dazu?
Man könnte natürlich auch eine andere
Geschichte erzählen, wo der Mann sich wehrt.
Er entzieht sich einer Auseinandersetzung und
dann fühlt er sich unterdrückt, und wenn man das anschaut leidet
man mit ihm mit. Wolltest du das auch?
Ja, das wollte ich.
Also das große Selbstmitleid der Männer. Er sagt an keiner
Stelle: "Laß mich in Ruh"
(Langes Schweigen)
Die Frau ist sehr dominant, auf eine Art und Weise, daß eigentlich
keine Beziehung mehr stattfinden kann. So wie du sie beschreibst.
(Langes Schweigen)
Du hast ja immer schon diesen Hang in deinen
Filmen die Frauen sehr dominant zu beschreiben.
Von Anfang an. Von meinem ersten Kurzfilm an, vor
dreißig Jahren. Ich meine, es gibt natürlich Frauen, die nicht
so sind, nicht so dominant. Natürlich, die genau das machen, was der
Mann ihnen sagt.
Aber dazwischen gäbe es ja nochwas anderes.
Ja. Dazwischen gäbe es eine Beziehung, wie
du es nennst. Das eben kenne ich nicht. Ich habe noch nie in meinem Leben
ein Paar getroffen, das eine Beziehung hat, wie du es definierst, die im
Gleichgewicht ist. Meine Erfahrung ist, daß das Gewicht immer auf
der einen oder der anderen Seite ist. Auf der Seite der Frauen.
Bist du selber so unterdrückt?
Nein. Eigentlich nicht. Zumindest ist es erträglich.
Ich komme damit zurecht. Meine Güte, ich denke, daß es das eigentlich
gar nicht gibt eine Gleichberechtigung, eine Beziehung wo auf einer ebenbürtigen
Basis der Eine das sagt und der Andere das sagt. Ich meine den Sonderfall
Ehe, wo ein Paar Kinder hat. Eine Ehe ohne Kind ist anders.
Das ist der Normalfall, der sich da abspielt!
Man könnte sagen, der Film hat einen kalt-beschreibenden
Blick auf die zwangsläufige Entwicklung einer Ehe: Verliebt, verlobt,
verheiratet und fast geschieden.
Eben nicht fast geschieden. Das ist der Normalfall
der sich da abspielt!
Früher bei "Rote Sonne" schien es zumindest
so, daß du auf der Seite der Frauen warst. Einige schrieben, du seist
ein feministischer Regisseur. Wim Wenders schrieb damals: In "Rote
Sonne" sei es dir als einzigem gelungen, die Emanzipation der Frau augenfällig
werden zu lassen. Bist du heute mehr auf der Seite der Männer, oder
auf deiner Seite vielleicht?
Das denke ich nicht. Ich denke, daß ich hier
bei "Just Married", auf der Seite von beiden bin.
Aber du wolltest schon, daß man mit dem
Mann mitleidet.
Ja klar. Aber das ist in der Übertriebenheit
in der das dargestellt wird, auch ein bißchen ironisch. Es ist ja
so dramatisch, wie er z.B. da in seinem Blut liegt. Ich bin aber auch auf
ihrer Seite. Ich beobachte und zeige sie mit der gleichen Sympathie wie
ihn. Wenn sie ins Wasser springt, nachdem er gerade gestürzt ist,
sieht man ihr Gesicht ganz nah, für einen Moment, ehe sie springt.
Da ist die Sympathie auch bei ihr. Wenn sie dann ins Zelt geht und ihre
Sachen zusammenpackt, ist die Kamera ganz lange bei ihr. Ich zeige eigentlich
sie viel ausführlicher als ihn. Und die Sympathie ist bei ihr und
die Aufmerksamkeit. Nicht bei ihm. Ich zeige nicht ihn, wie er leidet.
Sonne, Mond und Sterne
Aber sie hat es verursacht. Sie verhält
sich zickig.
Sie hat einen Traum von einer Hochzeitsreise, wo
die ganze Alltagswelt, das ganze normale Leben draußen bleibt und
nur das, was sie im Moment erleben, für sie existiert: Sonne, Mond
und Sterne. Das will sie haben. Und ihn. Er verspricht ihr das, und er
bricht das Versprechen. Er ist schwach.
Sie will sich scheiden lassen, weil er in den
Computer guckt?
Nicht weil er in den Computer guckt - sondern weil
er ihr versprochen hat nicht zu arbeiten. Weil er es ihr geschworen hat.
Und das Versprechen bricht er. Sie ist nicht wirklich zickig. Sie ist naiv
bei dem Versuch, diesen Traum zu realisieren. Und er ist schwach. Er müßte
ja nicht dem Computer nachklettern. Was soll das? Der liegt im Wasser.
Er reagiert wie ein Kind. Wenn er nachdenken würde, würde er
doch merken: der Computer ist hin. Er ist schuld, daß er da 'runterfliegt.
Nicht sie.
An zwei Stellen des Films schmeißt sie
ja seine technischen Geräte ins Wasser.
Das ist natürlich gemein, weil das sein Lieblingsspielzeug
ist. Es ist ja, als ob du einem Kind sein Lieblingsspielzeug wegnimmst.
In dieser ganzen Beziehung gibt es wenig Respekt voreinander!
Das ist es allerdings. Das stimmt. Das ist es. Aber
ich meine, bei ihr kann man da nachsichtig sein, und der Film ist es auch,
wegen ihrer Jugend.
Ich wollte witzig und böse sein
Es ist wenig zu spüren von neueren Ideen.
Es ist alles konventionell. Es ist als hätten die letzten zwanzig
Jahre nicht stattgefunden. Die Dinge die da gedacht wurden, die Öffnung
in den Beziehungen...
Ist das denn alles anders geworden?
Nein, aber die Frage ist: Will das Publikum so
mittelmäßige Leute sehen? Will das Publikum sich im Kino selber
begegnen? Will man nicht Leute sehen, die etwas darüber hinausgehen.
Will man nicht lieber deinen zweiten Film "Tigerstreifenbaby..." sehen?
Das ist mir wurscht.
Der Ethnografische Spielfilm
Für mich haben deine Filme fast ethnografische
Bedeutung, fast wie ein Naturwissenschaftler untersuchst und beschreibst
du in deinen Filmen die jeweilige Zeit. Deine Filme sind nicht nur persönliches
Tagebuch sondern auch Tagebuch der jeweiligen Zeitströmung. Wie kein
anderer deutscher Regisseur/Innen läßt du dich auf den Alltag,
das konkrete Leben ein.
Das haben die Kritiker geschrieben. Ich habe das
nie gesagt. Ich kann nur sagen, wie ich funktioniere. Ich nehme viel aus
meiner Umgebung, Freunde etc. Aber in meinen Filmen kommen manchmal wortwörtliche
Dialoge vor, die ich mit irgend jemand gehabt habe, das mag zwanzig oder
dreißig Jahre zurückliegen. Die Geschichte ist natürlich
immer erfunden, aber sie setzt sich zusammen aus vielen kleinen Details,
die Erfahrungen sind. Das sind Dinge, die ich erlebt oder gehört habe.
"Just Married" ist für mich eine Bestandsaufnahme. Ich habe Mitte
der 70er Jahre die Filme "Made in Germany und USA", "Tagebuch"
und "Beschreibung einer Insel" gedreht. Ich habe damals einen Essay
geschrieben über den ethnografischen Spielfilm. Da habe ich meine
Erfahrungen von "Made in Germany" verallgemeinert. In diesem Film
beschreibe ich objektiv eine Situation zwischen den Leuten, und das ist
ja Ethnografie.
Das tue ich in "Just Married" im Grunde genommen auch.
Nur ist es ein bißchen pointierter. Die Geschichte ist zugespitzter,
ich habe nicht nur eine ethnografische Haltung eingenommen. Ich habe sie
zugespitzt weil: Ich wollte witzig und böse sein! Du fragst, wollen
die Leute sowas sehen. Cirka 300 Leute haben ihn bis jetzt auf den Festivals
gesehen und die Reaktionen dieser Leute sind doch ziemlich erstaunlich.
Es gibt viele Leute auf deren Urteil ich etwas gebe, z.B. Cynthia Beatt,
sie hält diesen Film für besser als "Tigerstreifenbaby".
Sie liebt den Film. Ich sehe das nicht so, aber sie sagt, die jungen Mädchen
sind heute so. Die sind so cool.
Aber sind sie auch so wenig emanzipiert, wie
du sie darstellst?
Was heißt denn emanzipiert? Wie würde
sich denn eine emanzipierte Frau verhalten? Würde sie sich mit dem
Mann hinsetzen und das diskutieren?
Nein diese Figur ist schon so angelegt. Am Anfang
ist sie verliebt, dann ist sie mit der Hochzeitsreise beschäftigt,
dann bekommt sie ein Kind, dann ist sie damit beschäftigt den Mann
zu hassen, dann beauftragt sie einen Detektiv, um ihren Mann auszuspionieren
und am Schluß zwingt sie ihren Mann in die Ehe zurück.
Das könnte sie nicht. Sie zwingt ihn nicht
zurück. Er geht zurück.
Aber sie bestimmt, mit wem er Kontakt hat und
mit wem nicht. Sie entscheidet das mit einer Geste für ihn. Und bis
zum Ende des Films weiß man nicht,was sie für einen Beruf hat.
Sie managt die Kinos.
Das sagst du jetzt, weil du dir inzwischen Gedanken
gemacht hast, weil ich dich das schon mal gefragt habe und du völlig
fassungslos warst ob dieser Frage. Du hattest nie darüber nachgedacht.
Sie tritt in dem Film so in Erscheinung, daß ihr Beruf, bzw. alles
außer Mann und Kinder keine Rolle spielt. Bei ihm gehört der
Beruf wie selbstverständlich dazu und ist ja auch Teil des Konfliktes.
Sie existiert nur in Bezug auf Mann und Kinder. Dann erbt sie später
wahrscheinlich vom Vater.
Ja. Sie erbt. Sie ist halt Tochter.
Ja. Die ewige Tochter. Und ihr Augenmerk im Film
ist ganz auf ihn gerichtet, auf das was er tun oder lassen soll oder was
sie verlangt.
Ich finde das nicht unsachlich.
Nein unsachlich ist das nicht. Es zeigt nur eine
Frau, die nur orientiert ist auf ihren Mann. Während er auf die Bank
geht und mit den Bankiers verhandelt, um große Projekte am Potsdamer
Platz zu starten.
Innerhalb der Geschichte ist das stimmig. Sie hat
halt bei ihrem Vater gelebt vor der Hochzeit. Und solange sie bei ihrem
Vater gelebt hat, hat sie alles was sie braucht. Sie hat eine Wohnung,
sie hat ein Auto und hat vermutlich keinen Beruf gelernt. Sie ist 23 oder
24 Jahre. Sie hat vermutlich nichts gelernt, weil sie sowieso die Kinos
übernehmen wird. Sie rutscht aus dieser Geborgenheit, der Situation
mit dem Vater, dann in die Ehe mit ihm.
Also zuerst ist sie auf den Vater fixiert und
dann auf den Ehemann. Da ist ja nicht sehr viel Eigenes.
Ja.
Ich glaube nicht,daß die Frauen, die angeblich
heute so cool sind, so leben.
Das ist nicht der Durchschnittsfall. Es hat sich
einfach aus der Konstellation ergeben.
Nein. es ergibt sich auch aus deinem Frauenbild.
Wie meinst du das?
Manche sagen, du seist ein feministischer Regisseur. Ich glaube, daß
du hier auf der Seite des Mannes bist. Da hilft auch die Komik nicht. Es
gibt von der Erzählung doch wenig ironische Distanz.
Ja? Das sehe ich nicht so. Als der Film das erste
Mal vorgeführt wurde, da haben die Leute bei "Just Married" viel
mehr gelacht als bei "Tigerstreifenbaby". Die haben also die Ironie
des Erzählens durchaus kapiert. Ich würde sagen, die Ironie entsteht
vor allem durch die zugespitzte Erzählweise.
Nach "Just Married" meint man, eine neue
Männerbewegung sei nötig. Du hast mal gesagt, daß über
diese Unterdrückung die der Mann aushält, noch keiner so offen
gesprochen habe wie du jetzt in "Just Married".
Stimmt. Es ist mir wurscht, ob es einen neue Männerbewegung
geben wird oder geben sollte. Ich rede von mir, von meinen Erfahrungen
und Erlebnissen und mache daraus Geschichten, die auch nicht unbedingt
etwas mit mir zu tun haben müssen. Da ist sicherlich Biographisches
drin, aber wichtiger dabei ist der Anteil an Beobachtungen von Anderen.
Ich lebe in dieser Welt und die ist jetzt so, und ich versuche in meinem
Film das zu zeigen, was jetzt im Moment ist. Es ist immer eine Bestandsaufnahme.
Das Mittel, mit dem ich Regie führe ist
die persönliche Beziehung zu den Schauspielern
Ist Friedrich Bär dein alter ego?
Nein. Weniger als die meisten anderen Hauptfiguren
meiner Filme.
Auch du telefonierst nach den Abendvorstellungen
mit den Kinos, fragst die Zuschauerzahlen von jedem Kino, in dem deine
Filme laufen, ab, um nur eine Ähnlichkeit zu nennen.
Das machen andere auch, das ist nichts Spezielles.
Ich weiß von Charlie Chaplin, daß er bei seinem letzten Film
"Die Gräfin von Hongkong", der von der Kritik überall verrissen
wurde, von seiner Villa am Genfer See jeden Tag in London angerufen hat
und sich die Zuschauerzahlen hat geben lassen. Selbst ein Mann wie Charlie
Chaplin mit 75 oder 80 Jahren. Jemand, der mit Haut und Haaren eine Sache
macht, kann nicht aufhören sich dafür zu interessieren in dem
Moment, wo er fertig ist, und die Filme laufen. Das ist noch immer sein
Baby und man will wissen, wie das ist mit dem Baby.
Du würdest schon sagen, daß er ein
alter ego ist?
Die Figur weniger, die ist ja auch blaß im
Film. Es gibt keine besonderen psychologischen Charaktereigenschaften,
keine besonderen Züge. Blaß ist zu wertend. Es sind abstrakte
Figuren. Und ich würde sagen, daß die Besetzung, Herbert Fritsch
eher ein alter ego von mir ist. Er war mir auf den ersten Blick in seinen
Schwächen sympathisch. Also, der Schauspieler ist eher ein alter ego
als die Figur.
Herbert Fritsch, Theaterstar an der Volksbühne
Berlin, hat bisher eher ausgefallene, provozierende Rollen gespielt. Wie
kamst du darauf, diesen eher undramatischen, durchschnittlichen Ehemann
ausgerechnet mit ihm zu besetzen.
Weil er mir sofort als alter ego erschienen ist.
Der Vorschlag ihn kennenzulernen kam von meiner Regieassistentin. Ich habe
mich mit ihm getroffen. Das ganze drumherum war auch ganz nach meinem Geschmack:
Auf die Idee kommen, jemanden anrufen, und der ist sofort bereit mich in
einem Café zu treffen.
Wie kamst du darauf, ihn zu besetzen, wo er so
andere Rollen gespielt hatte?
Die kannte ich nicht. Ich kannte ja nur ihn.
Ach so, du hattest noch nie was von ihm gesehen?
Ich war noch nie in der Volksbühne gewesen.
Die Entscheidung, ihn zu nehmen, ist bei dir
ganz gekoppelt an diese persönliche Beziehung, gar nicht so sehr an
die Rolle, die er spielen sollte?
Das ist schon immer so gewesen. Als ich bei "System
ohne Schatten" Bruno Ganz besetzt hatte.
Du willst doch nicht sagen, daß du den
vorher noch nie im Theater gesehen hast?
Natürlich. Sowohl im Theater wie im Film. Er
war ja damals ein Star. Ich hatte ihn in vielen Filmen gesehen, aber er
gefiel mir nicht so gut. Aber als ich ihn privat getroffen habe, und wir
uns einfach so unterhalten haben, da gefiel er mir. Ich fand ihn viel sympathischer,
freundlicher, normaler als alles, was ich von ihm im Kino gesehen hatte.
Das heißt, du mußt immer eine persönliche
Beziehung herstellen?
Ich muß eine persönliche Beziehung herstellen,
oder glauben, daß sie sich herstellen läßt. Dann lasse
ich mich auf einen Schauspieler ein. Das geht ja auch nicht anders. Das
Mittel mit dem ich Regie führe, ist die persönliche Beziehung,
die ich zu den Schauspielern habe. Ich kann es ja nur machen, wenn ich
Spaß habe, das mit ihr oder ihm zu machen. Wenn wir beide Spaß
haben, das zu machen, dann wird es auch gut.
Eine professionelle Liebe
Du hast mal gesagt, mit Herbert Fritsch habe
dich eine Liebesbeziehung verbunden.
Ja. Also, eine Art professionelle Liebe.
Was heißt professionelle Liebe. Daß
man dafür bezahlt?
Nein. (Lacht) Bei Männern ist es ja unverfänglich.
Aber bei Frauen ist es natürlich nicht mehr ganz so unverfänglich.
Wenn ich mich beim Drehen in eine Hauptdarstellerin verliebe, was ich in
der Regel ja tue, wenn es gut geht, dann ist es nicht eine Verliebtheit,
die zu einer Liebesbeziehung führen muß, sondern es existiert
nur für die Situation des Drehens. Eine Offenheit, ein Vertrauen im
Umgang miteinander. Es führt dazu, vor allem bei Männern, daß
ich anfange, mich wie meine Hauptdarsteller zu bewegen, daß ich Sätze
so spreche, wie sie sprechen, und mich bewege, wie sie es tun.
(Lacht) Aber das ist ja das Regiefach ad absurdum
geführt. Meine Tochter nennt sowas "verkehrte Welt". Du besetzt
dein alter ego doch deshalb, weil er Züge von dir hat . Nun erzählst
du, daß du als Regisseur die Schauspieler imitierst.
Ich arbeite ja anders. Ich versuche das, was die
Schauspieler an Persönlichem haben, in den Film aufzunehmen Ich versuche,
sie sich selbst sein zu laßen, soweit wie möglich. Ich versuche
nie die Schauspieler dazu zu bringen, etwas darzustellen, was von außen
kommt. Deshalb sind ja meine Bücher ganz unpsychologisch. Die sind
alle ohne jede Psychologie geschrieben und die bekommen ihre Farbe und
ihre Lebendigkeit durch die Eigenheiten ihrer jeweiligen Darsteller.
Ich habe keine Visionen
Man könnte jetzt provozierend sagen, daß
es dir an eigener klarer Vorstellung mangelt und du aus dieser Not eine
Tugend machst und möglichst viel Persönliches von den Schauspielern
nimmst.
Ich empfinde das nicht als Mangel. Das ist meine
Methode. Ich mache es ja auch nicht nur mit den Schauspielern. Ich mache
das mit allen Mitarbeitern. Der Kameramann ist auch völlig selbständig.
Ich lasse ihn seine Vorstellungen realisieren. Nicht immer, aber meistens.
Das ist beim Komponisten und beim Cutter genauso. Alle Leute, die zur künstlerischen
Gestaltung des Films beitragen, arbeiten selbständig. Sie realisieren
ihre Ideen, nicht meine. Ich habe gar keine. Es mangelt mir nicht daran.
Ich habe gar keine!
Aber du hast doch ein Anliegen?
Ich habe kein Anliegen und ich habe keine Vorstellung.
Ich bin ja mit dem Kameramann fast wahnsinnig geworden, oder er mit mir,
weil er eben diese Vorstellung hatte: Ein Regisseur hat ein Anliegen, eine
Vision, ein Bild und er versucht, dieses Bild zu realisieren. Ich habe
keine Visionen und ich habe kein Bild. Es ist eine Erfahrung aus der Zeit,
als ich anfing Kurzfilme zu machen, daß man sich natürlich was
vorstellt, aber daß die Dinge dann immer anders kommen. Und daß
die Dinge dann die ursprünglichen Vorstellung stören und behindern
und es soweit kommen kann, daß die Vorstellung ganz zerstört
wird. Warum soll ich mir was vorstellen und es mir dann kaputt machen lassen
von der Realität, der ich ja beim Drehen ausgesetzt bin. Durch das
Wetter, das schlecht ist und all solche Geschichten. Ich habe das dann
auch ein bißchen theoretisiert. Ich sorge dafür, daß die
Zufälle, die passieren, in den Film eingehen können. Außerdem
habe ich gemerkt, daß das Vorhandene immer viel besser ist, als etwas,
daß man sich raffiniert zurechtgebaut hat. Dann gibt es noch einen
anderen Aspekt. Ich alleine habe ja nur meine Vorstellung, meine Idee,
meine Phantasien. Aber wenn alle Mitarbeiter ihre Vorstellungen mit einbringen,
kriegt der Film ja viel mehr Leben und Kraft.
Aber die Vorstellung, die z.B. viele Filmstudenten,
aber auch Filmschaffende haben, ist , daß sie meinen Regie führen
hieße ganz genau wissen, was man will. Man ist der Bestimmer und
die Anderen sind nur die Ausführenden der Umsetzung der Phantasievorstellungen
des Regisseurs. Es gibt verschiedene Arbeitsweisen die ja mit der eigenen
Haltung zusammenhängen. Jemand, der z.B. wie Hitchcock arbeitet.
Der hatte das vorher alles aufgemalt, wie er es machen will. Der mußte
noch nicht mal am Drehort sein. Das glaube ich zwar auch nicht, aber so
hat man das halt vermittelt. Der hat jede Einstellung aufgezeichnet, ein
Storyboard gemacht.
Das liebst du ja auch nicht.
Nein, ich halte es für Quatsch, ein Einstellungsdrehbuch
zu machen. Bei meinem ersten Spielfilm hatte der Regieassistent ein Einstellungsdrehbuch
gemacht und wir haben uns nicht daran gehalten, weil es absurd war. Er
hat die Einstellungen einfach so aus dem Blauen phantasiert, kannte aber
die Räume nicht, in denen gedreht wurde.
Ich habe das dann zum Dogma
gemacht: Bei mir kommen zuerst die Schauspieler und dann die Technik. Die
Schauspieler, die die Szene für sich erst mal erfinden, so daß
sie glaubhaft und realistisch und stimmig ist. Dann kann die Kamera kommen,
die sagt: Diesen Teil nehmen wir so auf. Und nicht sich vorher eine wunderschöne
Einstellung ausdenken und dann die Schauspieler in die Markierungen, in
die Enge zwängen, und ihnen jede Freiheit nehmen.
Du bist gegen ein Storyboard und lange Vorgespräche.
Wie kommt denn dann so eine Entscheidung zustande, den ganzen Film in Plansequenzen
zu drehen?
Es war die Idee von Carsten Thiele. Ich habe das
eigentlich seit "Tarot" nicht mehr gemacht. Um etwas Neues zu machen,
habe ich einen ganz jungen Kameramann genommen, der noch nie einen Spielfilm
gemacht hat fand den Vorschlag von ihm, etwas zu machen, was ich vor 30
Jahren gemacht hatte, interessant. Ich wußte natürlich nicht,
wie er es machen würde und das hat mich dann gereizt. Ich war neugierig:
Wie macht er es?
Mir war klar, daß Plansequenzen bedeuten, daß
der Film länger wird, weil man nicht schneiden kann. Das war eine
Erfahrung, die ich bei den kurz geschnittenen Filmen gemacht hatte, daß
eine Szene die mir beim Drehen unglaublich gut gefallen hatte, durch den
Schnitt zwar schneller wurde, aber auch an Kraft verlor. In dem Moment
wo geschnitten wird, wird der Person, die gezeigt wird, etwas an Kraft
weggenommen und das hat mich immer auch gestört. So schön es
war, schnell zu sein, so schlecht war es auch, daß es dadurch nicht
mehr so stark war.
Was bedeutet "stark" für dich?
Stark? Wenn man sich auf den Schauspieler, der eine
Szene spielt, total einläßt, und man hin und weg ist, ganz begeistert.
Mit Stärke meinst du ja auch sicher eine gewisse Authentizität.
Auch. Die Begeisterung kommt durch Authentizität.
Eine weiteres Merkmal ist auch daß man
zwei Personen gleichzeitig im Bild hat das hat man ja bei Schuß/Gegenschuß
nicht.
Das war für mich der Grund, früher in
Cinemascope zu drehen. Bei Cinemascope ist man auch bei einer Zweiereinstellung
nah an den Personen und sieht genau, was in den Gesichtern passiert. Und
bei Cinemascope kommt noch dazu, man sieht etwas von der Umgebung, dem
Raum, in dem sich die Leute bewegen. Bei der Plansequenz ist es genau das
Gleiche. Die Plansequenz ist im Grunde genommen der optimale Ersatz für
Cinemascope. Man hat aber den Nachteil, daß es schwerer zu schneiden
ist. Man kann ja Plansequenzen aus mehreren Distanzen drehen, so daß
man dann auch innerhalb der Plansequenz schneiden könnte. Aber das
kostet halt Geld.
Hier bei "Just Married" konntest du im Schnitt
nur den Anfang und das Ende festlegen. Nur da hattest du ja Spielmöglichkeit.
Richtig. Aber durch die Geschichte gab es an vielen
Stellen die Möglichkeit hin und her zu schneiden und parallel zu erzählen.
Bei "Tigerstreifenbaby" haben wir das nicht gemacht, insofern ist
der Film stilistisch viel konsequenter. In "Just Married" gibt es
Plansequenzen, aber sie sind an vielen Stellen unterschnitten.
Bei der Plansequenz
gibt es noch einen Aspekt: Du kannst schneller arbeiten. Die Entscheidung
für die Plansequenz war auch davon beeinflußt. Da hat sich der
Kameramann absolut pragmatisch verhalten. Ich habe gesagt, 24 Tage ist
die Drehzeit, die müssen wir einhalten.
Was wäre eigentlich üblich?
Ein Film mit einem Dreh in Italien, Minimum 30 Tage.
Eine weitere Entscheidung war, daß ihr
den ganzen Film aus der Hand gedreht habt. Die Kamera, die ihr hattet,
wog circa 24 Kilo. Carsten Thiele mußte jeden Tag bis zu 10 Stunden
damit arbeiten. Das war sehr anstrengend.
Ich habe mir über die Konsequenzen für
ihn nicht so viele Gedanken gemacht. Ich habe gesehen, er ist ein kräftiger
junger Mann. Er wird wissen, was er tut. Wenn er mir von Anfang an gesagt
hätte, daß er es so machen will, dann hätte ich dafür
gesorgt, daß er eine leichtere Kamera bekommen hätte. Die hat
er dann auch beim zweiten Film bekommen. Er hat es geschafft, auch wenn
es schwierig war.
Du hast ja zum ersten Mal mit einem Team gearbeitet,
das sehr viel jünger war als du . Einige Leute waren zum ersten Mal
bei einer Spielfilmproduktion dabei, einige waren Filmhochschüler.
Wie war das für dich?
Bei den Dreharbeiten war ich total begeistert. Nach
den Dreharbeiten empfand ich es als sehr anstrengend. Diese jungen Leute
waren anspruchsvoll, weil sie absolut professionell sein wollten. Sie brauchten
das und das und das. Sie haben alles verlangt und auch bekommen, das
hat mich viel Geld gekostet, das ich in dem Maße nicht hatte. Wir
hatten ein Equipment, wie ich es noch nie gehabt habe. Vom funkelnagelneuen
LKW an, die Scheinwerfer und so, das war alles vom Besten.
Warum hast du denn mit diesen jungen Leuten gearbeitet?
Ich gehe mal davon aus, daß du es nicht getan hast, weil du Filmnachwuchs
ausbilden wolltest. Also, was hast du dir davon versprochen?
Ich wollte um jeden Preis etwas Neues machen. Früher
haben die Kritiker gesagt, der Thome hat wie Picasso drei Perioden. Die
erste Periode, das waren die Genrefilme. "Rote Sonne", "Detektive",
"Supergirl" , "Fremde Stadt". Dann kam die zweite Periode mit
"Made in Germany und USA". "Tagebuch" und "Beschreibung
einer Insel" und dann ging eine neue dritte Periode los mit "Berlin
Chamissoplatz" "System ohne Schatten" und "Tarot". Darauf sind
sie am meisten eingestiegen.
Eigentlich kam dann eine vierte Periode, aber
das wurde von der Kritik nicht mehr so wahrgenommen. Mir gefiel das damals
immer, daß man glaubte, mich kennen zu können. Wenn dann ein
neuer Film kam, war dann aber alles ganz anders. Ich wollte es diesmal
ein bißchen forcieren, ich wollte etwas ganz neues machen, deswegen
die jungen Leute. Aber ich wollte bewußt alles riskieren. Das verblüffende
Resultat für mich ist ja: Obwohl alles neu und anders war, ist verdammt
noch mal ein Film rausgekommen, der gar nicht so anders ist als die vorigen.
Wenn mir das beim Drehen jemand gesagt hätte, ich hätte ihn ausgelacht.
Die Leute lieben, soweit es geht
Was ist für dich die wichtigste Qualität
beim Regie führen?
(Stöhnt) Das weiß ich nicht. Es gibt
viele Sachen die gleich wichtig sind. Das wichtigste ist vielleicht: Man
muß es wirklich wollen. Mit Haut und Haaren.
Man muß es auch können.
Man muß es zuerst wollen. Wenn jemand es macht,
weil er 30 oder 50.000 DM Regiegage bekommen will, oder weil er berühmt
sein will, das ist es nicht. Sich total in den Dienst einer Sache stellen,
ist wichtig.
Ein Deutschaufsatzthema bei meinem Abitur war: Drei Arbeiter
bauen an einem Dom. Der erste sagt: Ich behaue einen Stein. Der zweite
sagt: Ich arbeite für mein täglich Brot. Der dritte sagt: Ich
arbeite mit an einem Dom. Das war natürlich die richtige Einstellung.
Da ist Demut drin. Man muß sich einer Sache unterordnen. Der Regisseur
ist halt auch nur einer von denen. Er ist zwar der Bestimmer. Aber er muß
sich auch der Sache zur Verfügung stellen. Er mit seinem ego steht
darunter nicht darüber. Das ist wichtig. Das setzt voraus, daß
man überhaupt die Energie hat, es auf die Beine zu bringen. Beim Drehen
ist dann wichtig die Leute zu lieben, soweit es geht. Das ist auch nicht
immer leicht. Offen sein für das, was passiert. Keine Visionen haben.
Den Zufall überhaupt möglich machen. Auf die Realität eingehen.
Auf das, was da ist, eingehen.
Ist es dir bei diesem Film manchmal schwer gefallen
die Leute zu lieben?
Ja. Aber ich lieb sie immer, wenn sie gut sind.
Happy-End
Hat der Film ein Happy-End für dich?
Ja. Die beiden gehen am Ende mit ihren Kindern Hand
in Hand. Er nimmt ja sogar ihre Hand, oder sie seine. Das ist beim Drehen
einfach so passiert. Keiner der beiden hat sich bei dieser Szene unter
Kontrolle. Sie hatten die Kontrolle verloren, weil es vorher viel zu viel
Anspannung wegen der Kinder gab, mit denen es schwierig war zu drehen.
Jede Reaktion war spontan. Die beiden gehen Hand in Hand mit den Kindern,
einen langen Weg am See entlang und am Ende des Wegs sieht man wieder das
Wasser. Das für mich eindeutig ein positives Ende. Sonst hätte
ich das finsterer enden lassen.
Als ihr diese Schlußszene gedreht habt
an dem Morgen am Lietzensee, da gab es Krach mit den Schauspielern. Herbert
Fritsch sah in der letzte Szene des Films kein Happy-End. Er sah in der
Figur mehr den geknechteten, resignierten Ehemann, der dem Druck der Ehefrau
nachgibt. Du meintest der Schluß sei ein Happy-End. Das Paar gehe
einer hoffnungsvollen Zukunft entgegen. Fritsch meinte: "Was die beiden
erwartet, ist die Hölle!" Herbert Fritsch hat sich gewehrt , ist sozusagen
aus der Rolle gefallen. Er wollte und konnte deine Interpretation so nicht
spielen. Dein alter ego hat gestreikt. Wie war das für dich als Regisseur?
Das war anstrengend. Ich mußte ihn dazu bringen,
es zu machen. Ich wußte, wenn er es macht, dann stimmt es.
Herbert, die Liebe ist die Hölle!
Aber diese Diskussion über das Happy-End
wurde heftig geführt.
Das empfand ich subjektiv nicht als großes
Problem. Er hat ja recht: Natürlich ist das die Hölle.
Du sagtest damals: "Herbert, die Liebe ist
die Hölle!"
(Juchzt auf) Hab' ich das gesagt? Au scharf!
Sogar zwei Mal hintereinander.
Das habe ich gesagt. So habe ich es gesagt? Donnerwetter.
Das ist das, was ich auch meine: Es gibt immer zwei Sachen. Da ist die
Liebe und da ist die Hölle. Unter der Liebe, unter dem Wunderbaren
kommt gleich das Andere. Das ist ein und dieselbe Sache. Und wir lernen
von den Eltern, von der Schule, so wie wir erzogen werden, daß die
Liebe etwas anderes ist. Die Liebe sei eine wunderbare Geschichte, ein
Traum, ein Paradies. Die Liebe sei das Paradies! Aber es ist nicht so.
Wir lernen nichts von der Zwiespältigkeit, der Dialektik der Liebe.
Das eine ist immer zugleich das Andere. Die alten Philosophen waren viel
klüger. Wir bekommen so einen "Hollywood-Happyend-Schund" aufoktroyiert.
Wir stürzen uns ins Leben und verlieben uns und denken, das bliebe
so. Wenn es sich dann nach drei oder vier Wochen, oder von mir aus nach
einem halben Jahr verändert, dann denken wir, es läge an der
Frau oder dem Mann, und verlassen den. Dann geht das Gleiche noch mal los
und das Gleiche passiert wieder.
Also geht es dir nicht nur um die Unterdrückung
des Mannes in der Ehe?
Das ist ein Aspekt. Der Film hat mehrere Aspekte,
mehrere Ebenen. Es gibt auch die Ebene mit dem Vater, die auch nicht ganz
unwichtig ist. Das mit der Unterdrückung ist nur ein Aspekt.
Man muß die Dinge nehmen, wie sie sind
Was ist das für eine Ebene mit dem Vater.
Was war dir daran wichtig. Was repräsentiert der für dich?
(Stöhnt) Och Petra ! Es ist nicht so leicht.
Ich habe darüber noch nie nachgedacht. Ich habe es geschrieben. Beim
Schreiben muß man ja nicht nachdenken. Also wenn du so willst, ist
der Vater auch ein alter ego. Der entspricht altersmäßig ja
viel mehr mir als der Herbert Fritsch. Eine seiner größten Weisheiten,
die er von sich gibt: "Man muß die Dinge so nehmen wie sie sind".
(Lacht) Wenn man so will, ist das auch die Summe meiner Lebensweisheit:
Man muß die Dinge so nehmen, wie sie sind. Aber das Wichtige ist
ja wie sind die Dinge? (Lacht) Und das versuche ich ja jetzt zu zeigen
wie die Dinge sind, daß die Liebe die Hölle ist und so Sachen.
Die Frage ist ja nicht nur wie sind die Dinge,
sondern kann man sie überhaupt sehen? Ist man überhaupt in der
Lage, die Dinge so zu sehen, wie sie sind?
Man kann sie sehen. Ich habe gesagt, ich würde
diesen Film jetzt nicht mehr drehen. Jetzt sehe ich die Dinge auch schon
wieder anders.
Zwei Jahre nach dem Drehbuch, wie siehst du sie jetzt?
Das was mir vorher theoretisch klar war, das ist
mir jetzt praktisch klarer: Man kann mit der Hölle der Liebe leben,
und es ist auch toll.
Bist du Masochist?
Ach Quatsch! Nein. Das würde der Herbert Fritsch
jetzt auch sagen und meinen. Nein, man lernt zu akzeptieren wie die Dinge
sind, das ist nicht masochistisch. Es geht nicht besser, Petra! Es geht
nicht schöner! Es gibt kein Paradies! - Auf der Erde.
Herr Thome, wir danken für das Gespräch.
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