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Das Leben ist ein Spiel
Regie: Claude Chabrol
Seine 50. Kino-Regiearbeit bezeichnet Altmeister Claude Chabrol
wahlweise als seinen "ersten autobiographischen Film", als "Komödie
ohne schrille Gags" oder als "Film, der möglicherweise das
ein oder andere Geheimnis verbirgt". Kurzum: DAS LEBEN IST EIN
SPIEL ist ein Film über scharfsinnige Zyniker, die natürlich
die größten Romantiker sind und bei denen Komik und
Tragik, Wut und Witz denkbar nah beieinanderliegen.
Über die in 48 Tagen gedrehte Produktion merkt Chabrol außerdem
an: "Mit dem Drehbuch zu DAS LEBEN IST EIN SPIEL versuchte ich
mich erstmals an einer echten Komödie, und die Geschichte
nahm konkrete Form an, als ich Michel Serrault und Isabelle Huppert
engagiert hatte. Mit solchen Schauspielern ergab sich die ironische
Leichtigkeit der Figuren wie von selbst, wobei es mir gut gefällt,
daß die beiden als Paar nicht sozial einzuordnen sind und
auch gar nicht daran denken, Dritte - oder den Zuschauer - über
ihr skurriles Verhältnis zueinander zu informieren. Die
Coups, Cluzets Charakter, die Mafiosi - das sind doch letztlich
amüsante und nur unvermutet riskante Randerscheinungen bei
dem spielerischen Duell, das Betty und Victor einander liefern."
Claude Chabrol wurde am 24. Juni 1930 als Sohn eines Apothekers
in Paris geboren und wuchs bei den Großeltern in Sardent
auf. Noch während seiner Studien der Literaturwissenschaft,
der Jura und der Pharmazie (abgebrochen) war er Stammgast des
unter dem Vorsitz von André Bazin firmierenden Cinéasten-Zirkels
im Pariser "Café de la Comédie", woraus sich bald
Chabrols Arbeit als Kritiker bei den "Cahiers du Cinéma"
ergab.
Als er gerade eine gemeinsam mit Eric Rohmer verfaßte Monographie
über Alfred Hitchcock veröffentlicht hatte, ermöglichte
ihm eine üppige Erbschaft seiner Frau, zukünftig selbst
Filme zu drehen und dabei die Nouvelle Vague mitzubegründen.
Sein 1957 in Schwarzweiß gedrehtes Debüt "Die
Enttäuschten" etablierte Chabrol bereits als stilsicheren
und thematisch kompromißlosen wie eigensinnigen "auteur",
und durch den Erfolg seiner zweiten Produktion, der hintergründigen
Satire "Schrei, wenn du kannst", konnte er seine eigene
Produktionsfirma AJYM gründen, die im folgenden die Erstlingswerke
von Rohmer, Philippe De Broca und Jacques Rivette finanzierte.
Chabrol indes mußte, unter anderem mit der Lesart des Blaubart
Mythos "Der Frauenmörder von Paris", zunächst einige
kommerzielle Schlappen verschmerzen und als Auftragsregisseur
diverse Parodien auf Agentenfilme drehen, bevor in den späten
Sechzigern seine goldene Ära anbrach.
In Klassikern wie "Eine untreue Frau", "Das Biest
muß sterben", "Der Schlachter" und "Der
Riß" ergründete er seine bevorzugten Themen -
Obsession und Abhängigkeit, Bourgeoisie und Bigotterie,
Mord und Rache - mit soviel intellektueller Schärfe und
erzählerischem Realismus, daß er unter dem Gewande
des Thrillers geradewegs sein eigenes Subgenre des Gesellschaftskrimis
schuf. In dieser Phase begründete Chabrol auch langjährige
Kooperationen mit Freunden und Stabmitgliedern; darunter seine
Ex-Frau Stéphane Audran, Komponist Pierre Jansen und vor
allem Drehbuchautor Paul Gégauff, mit dem er häufig
die schlummernde Gewalt unter dem Deckmantel des Bürgertums
sezierte (perfiderweise wurde Gégauff 1983 von seiner
zweiten Frau umgebracht).
Im folgenden sah sich der Regisseur, der alle Male die Ansicht
vertritt, daß es besser sei, "schlechte Filme zu drehen,
als gar keine", wieder mit einigen Enttäuschungen konfrontiert,
bevor er mit der poetischen Landpartie "Traumpferd"
und den mörderischen Analysen "Violette Nozière"
sowie "Die Phantome des Hutmachers" zur alten Form auflief.
Zu Beginn der Achtziger arbeitete Chabrol auch verstärkt
fürs Fernsehen, doch als er den DAS LEBEN IST EIN SPIEL-Produzenten
Marin Karmitz traf, legten die beiden mit "Inspektor Lavardin",
"Masken" und "Der Schrei der Eule" eine feine
Serie schwarzhumoriger Krimis hin.
Einen seiner größten Erfolge verbuchte der Mann mit
den einst großen Brillen, der Vorliebe für Pfeifen
und dem Röntgenblick für heuchlerische Moralvorstellungen
dann 1988 mit "Eine Frauensache", wohingegen die Nachfolgewerke
"Stille Tage in Clichy" und "Dr. M" es unter
seinen fünfzig Filmen eher nicht in die Top Vierzig schafften.
In den Neunzigern machte Chabrol schließlich vor allem
mit dem Eifersuchtsdrama "Die Hölle" und dem trefflich
betitelten Emanzipationsbeitrag "Biester" von sich reden.
Und daß er sich nicht nur in Spielfilmen als beißender
Chronist von Sünden, Sühne und Seelenlast versteht,
bewies Chabrols 1993 gedrehte Résistance- Dokumentation
"Das Auge von Vichy".
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