|
|
Unterstützen Sie Kinoweb. Klicken Sie unseren Sponsor.
Tango
Produktionsnotizen
Man kann sich kaum vorstellen, einen Film über den Tango
ohne Liebe oder Leidenschaft zu inszenieren, ob bei den Einzelelementen
der Geschichte oder auch bei der Schlüsselfunktion im kreativen
Schaffensprozess selbst.
Das Wesentliche des Tangos besteht in der Auslassung, die der
Phantasie Nahrung gibt: Schon außerhalb des Drehortes sind
das die ersten musikalischen Klänge, die einleitenden und
sinnlichen Schrittkombinationen, dieser fordernde und rätselhafte
Blick auf die Gesichter der Tänzer nimmt uns auf Anhieb
durch seine Intensität gefangen. Die "Tangomania"
hat die Welt erobert.
Deshalb war es eigentlich keine Überraschung, als der argentinische
Produzent Juan C. Codazzi dem spanischen Regisseur Carlos Saura
seine Idee zu einem Tangofilm präsentierte. Saura, der als
einer der größten Meister für "Musik-Filme"
gilt, nahm den Vorschlag begeistert an. Die Liebe zum Tango geht
bei ihm bis in die frühe Kindheit zurück: "Ich
bin mit der Musik von Carlos Gardel" aufgewachsen, erinnert
sich der Regisseur.
Dennoch gestaltete sich das Unternehmen TANGO nicht
ganz einfach. Saura begann seine Recherchen, indem er die Tangobars
und "Milongas" in Buenos Aires durchstreifte, sich
unzählige CDs und Platten kaufte und dutzende von Filmen
sichtete. "Dieses Projekt hatte nur einen Sinn, wenn ich
mich der Seele des Tangos annähern konnte. Es genügte
mir nicht, nur irgendeinen weiteren Musik-Film zu drehen",
erklärt Saura. Um dieses Ziel zu erreichen, stellte er sich
vor, verschiedene Elemente zu verbinden: den Tango als populären
Tanz, aber auch als hoch stilisierte Tanznummer mit außergewöhnlicher
Choreographie; die symbolischen Aspekte verknüpft mit einer
gewissen Bodenständigkeit; seine Bedeutung als volkstümliche
Musik wie auch als Ausdruck sehr zeitgenössischer Gefühle,
die sich durch den Tango Raum schaffen; die erstaunliche Mischung
aus absolutem Minimalismus und extremer Komplexität.
Musik und Tanz
"Mir war klar, daß die wichtigsten Bestandteile die
Choreographie und das Licht sein würden: die visuelle Wirkung
halte ich für das Ausschlaggebende. Notwendig war erst einmal
ein außergewöhnlicher Rahmen. Zu starke realistische
oder naturalistische Räume würden die Aufmerksamkeit
von der Musik und dem Tanz ablenken".
Saura begann das Projekt ohne Drehbuch, gleichzeitig war er
sich aber auch über die Notwendigkeit eines Drehbuchs klar.
Bei "Carmen" lag die Geschichte schon vor,
bei "Flamenco" startete er mit einem Drei-Seiten-Skript.
"Aber in diesem Fall erforderte der Plot einfach ein Drehbuch.
Es sollte nur die Grundstruktur der Story umreißen, aber
nie den Stellenwert der musikalischen Erzählung ersetzen.
Abgesehen vom Choreograph, Kameramann, den Tänzern und
den Musikern, gibt es eigentlich nur drei Charaktere", resümiert
Saura. Leichter gesagt als getan. Um die genaue Infrastruktur
zu schaffen, benötigte man weitere Expertenmeinungen. So
schien der argentinische Komponist Lalo Schifrin, eine Koryphäe
im Bereich des Jazz und der klassischen Musik, für diese
Aufgabe prädestiniert. Er war lange Astor Piazzollas Pianist,
sowie musikalischer Berater und Komponist des berühmten
"Mission Impossible"-Scores. "Wir wußten
zwar die generelle Richtung, aber hatten nicht die geringste
Idee, wie alles enden würde. Das war eine spannende Herausforderung.
Wir verstärkten die Recherchen, haben uns den Kopf heiß
geredet und zerbrochen, Ideen und Meinungen untereinander ausgetauscht",
so Schifrin.
Der Original-Soundtrack schließt traditionelle Tango-Melodien
von Pugliese, d'Arienzo, Danaro und anderen bekannten argentinischen
Tango-Komponisten ein, aber ebenso neue, für diesen Film
komponierte Stücke von Lalo Schifrin. "Ich weiß
nicht, inwieweit ich in der Lage war, mich dem Einfluß
der von mir verehrten Musiker wie Piazzolla oder Salgan zu entziehen.
Aber ich habe mich bemüht, etwas sehr persönliches
zu entwerfen, indem ich den Sound - nicht den Stil - der Orchester
aus den 40er und 50er Jahren benutzte. Abgesehen von den traditionellen
Instrumenten setzte ich auch philharmonische Orchesterbearbeitung
und einen 80köpfigen Chor ein. Das ist zwar nicht üblich
bei dieser Art von Musik, dennoch hat der Tango seinen Charakter
nicht verloren. Das Resultat halte ich für äußerst
beeindruckend".
Neben Regisseur und Komponist stieß kein Geringerer als
Italiens Lichtvirtuose und Kameramann Vittorio Storaro zum "Trio
Infernal". Denn wer sonst hätte Sauras Visionen für
die Leinwand so grandios umsetzen können?
Der erste Aufenthalt Storaros in Buenos Aires entwickelte sich
zu einer Reise ins Reich der Sinne. "Tango ist für
mich eine sehr bewegende Musik, ich wollte herausfinden, woher
diese starke mystische Seite kommt, wo die Wurzeln dieser Magie
liegen". Die Antwort fand sich eng mit Storaro selbst verbunden:
"Normalerweise erzählt man Geschichten mit Worten,
was oft der Musik und den Bildern schadet. Im Kino erzählt
man dagegen Geschichten durch das Licht und die Bewegung",
erklärt der renommierte Kameramann, der hierzu seinen Vater
zitiert, "an dem Tag, an dem das Kino die Sprache der Worte
lernte, hat es seine poetische Dimension verloren". Und
Storaro fügt an: "Ich benutzte das Licht als Ausdrucksmittel
für das Bewußtsein und Schatten, um das Unbewußte
zu repräsentieren".
Auch außerhalb dieses kreativen Dreiecks zeigt die Produktion
noch sehr viele künstlerische Facetten. So folgten Saura,
Schifrin und Storaro zwar Codazzis Initial-Idee, aber nichts
wäre möglich gewesen ohne Juan Carlos Copes, Ana Maria
Steckelman, die wunderbaren choreographischen Entwürfe von
Carlos Rivarola, Oscar Cardozo Ocampos musikalische Leitung und
die Beteiligung von Horacio Salgáns "Nuevo Quinteto
Real" sowie vielen anderen außergewöhnlichen
Musikern.
Stars
Zu den weiteren personellen Highlights zählt der Gastauftritt
des bekannten Ballett-Stars Julio Bocca. "Ich wollte immer
mit Julio in diesem Film zusammenarbeiten, einen der begnadetsten
Tänzer der Welt", sagt Saura. Obgleich Bocca zu Beginn
sehr viel Angst vor dem Filmdebüt äußerte, zeigt
er sich zufrieden mit seinem Auftritt. "Ich weiß,
daß mein Schauspieltalent begrenzt ist. Ich bin vor allem
Tänzer und empfand es als Herausforderung, den weiblichen
Part zu tanzen, dessen Komplexität mir nicht bewußt
war. Aber mit einem so erfahrenen Partner wie Carlos Rivarola
war es weniger schwierig als es aussah". Weniger sicher
zeigte sich Bocca in puncto Texte. Aber unter der Regie von Saura,
zog er sich souverän aus der Affäre.
Beeindruckend auch die Schauspieler mit sehr unterschiedlichem
Background: Hauptdarsteller Miguel Ángel Solá gehört
zu den anerkanntesten Theater- und Filmschauspielern Argentiniens;
Mía Maestro, ein vielversprechendes junges Tanz-, Sing-
und Schauspieltalent, wurde von Saura aus über 200 Kandidatinnen
ausgewählt; Cecilia Narova gilt als außergewöhnliche
und renommierte Schauspielerin und Tänzerin, deren einzigartiger
und charismatischer Stil hoch geschätzt wird.
|