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Long Hello & Short Goodbye
Dreharbeiten: Rechte Winkel, quadratische Muster
"Es stand außer Frage, daß wir wieder in Hamburg
drehen", sagt Rainer Kaufmann. "Denn ich bin sehr glücklich
mit den Filmen, die ich hier gemacht habe. Was wir in ,Long Hello'
sehen, ist ein ganz spezielles Hamburg."
In Absprache mit Kaufmann entwickelte Szenenbildner Knut Loewe
ein Stil-Konzept, das dem Thriller-Ambiente die optische Entsprechung
garantiert: im Hamburg des Films sind nur Gebäude der Nachkriegszeit
zu sehen: gerade Linien, rechte Winkel, quadratische Muster.
Neben Schwarzweiß-Tönen dominieren Grau, Braun und
Orange.
"Ich mache bereits den dritten Film mit Knut Loewe",
sagt Kaufmann. "Er hat eine besondere Vorliebe für
Design-Konzepte. Bei der Vorbereitung bietet er immer eine Reihe
von Vorschlägen an. Und während wir uns einarbeiten,
beginnt dann eines dieser Konzepte zu greifen - diesmal eben
der rechte Winkel. Das hängt mit dem Stil der Gebäude
zusammen. In unseren Drehorten herrscht Geradlinigkeit und Schlichtheit
vor."
Als idealer Drehort erwies sich ein leerstehendes Bürogebäude
(Baujahr 1961) in der City Nord, das einst die NATO beherbergt
hat. In den Büroräumen richteten die Ausstatter Dennis'
Wohnung plus Hausflur und Graffiti-verschmiertem Foyer ein, aber
auch das Hotelzimmer in der "billigen Absteige" und
den Verhörraum auf Kahnitz' Polizeirevier.
Für das Äußere von Dennis' Wohnung wählte
man den Sprinkenhof im Stadtzentrum. Dort stellen sich Melody
und Ben im offenen Fenster hoch über dem Abgrund die Vertrauensfrage.
Entscheidend für die Motivwahl war hier das abgestufte Dach,
auf dem die Kamera einstellungsgerecht plaziert werden konnte.
Hamburg-gemäß spielen Wassermotive eine wichtige
Rolle - die Elbe ist häufig im Hintergrund auszumachen,
zum Beispiel an den Elbbrücken mit ihren verwinkelten Stahlträgern.
Die Schlangenzüchterin Ida wohnt flußaufwärts
in einem Wohnwagen neben einer rostigen alten Werfthalle am Oortkatenufer
im Vorort Ochsenwerder.
In der Halle baute Loewe eine ganze Reihe von gläsernen
Terrarien übereinander, die samt einem Reptilienexperten
für die Dauer der Dreharbeiten angemietet wurden. Durch
die Anordnung der Glaskästen ergaben sich auch hier die
rechteckigen Strukturen - Loewes Quadratur des Kreises. Flußabwärts
liegt die Elbinsel Hahnöfersand. Dort befindet sich die
echte Jugendstrafanstalt, vor deren stacheldrahtbewehrtem Tor
die Szene spielt, in der sich Ben und Melody kennenlernen.
Bens und Melodys Badeausflug wurde am Baggersee in einer 300
ha großen Kiesgrube in der Nähe des ehemaligen Grenzübergangs
Gudow-Zarrentin an der Autobahn Hamburg-Berlin gedreht. Eine
300 m lange Düne bildet dort die perfekte Strandlandschaft.
Weitere Drehorte waren der Cityhof am Hauptbahnhof, das Foyer
eines Luxushotels, eine Tanzbar und der Friedhof Ohlsdorf. Selbst
in dieser riesigen Parkanlage fand Knut Loewe seine rechten Winkel:
Axel Milberg und Sunnyi Melles schieben ihren Kinderwagen durch
die geradlinig ausgerichteten Steinreihen deutscher Soldatengräber
aus dem Ersten Weltkrieg.
Dreh- und Angelpunkt der Filmhandlung ist die von Percy und
Aurelia gemietete Villa, in der Ben den Safe knacken soll. Im
Sinne seines Konzepts suchte Knut Loewe ein Haus mit rechteckigen
Konturen, wie es in den 40er Jahren mit den "Case Study
Houses" entwickelt wurde. Ein solches Privathaus aus Würfelelementen
liegt im idyllischen Alstertal nördlich von Hamburg.
"Ich brauche etwa drei bis vier Monate Vorbereitung für
meine Arbeit", sagt Loewe. Zusammen mit seiner Assistentin
Kirsten Garbade, die wie er ausgebildete Architektin ist, war
er sechs Wochen in und um Hamburg unterwegs; aus den 600 photographierten
Motiven wurden schließlich etwa 30 ausgewählt. Loewe
verlangte und bekam außerdem drei Requisiteure: "Wir
sind unser Geld wert, denn unser Team kann im Hause vieles leisten,
wofür sonst kostenintensive Aufträge an Fremdfirmen
vergeben werden müßten."
Kirsten Garbade fand das Traumhaus beim systematischen Blättern
im Hamburger Architektenjahrbuch, das alle wesentlichen Neubauten
registriert. Um den zentralen Schauplatz des Films in Szene zu
setzen, wurde nur die Außenfassade des echten Hauses vor
Ort gefilmt. Loewe wollte aber, daß die Filmvilla am Elbufer
liegt, unter anderem deswegen, weil die Lichter der Hafenanlagen
das nachtdunkle Haus glaubhaft erhellen. Einen Teil der Hausfassade
baute Loewe also am Elbufer in Oevelgönne nach, um die Illusion
dieses Standorts durch entsprechend aneinandergeschnittene Einstellungen
zu erzeugen. Die Szenen im Innern der Villa entstanden im nachgebauten
Set im Studio Hamburg - komplett bis hin zum Zierteich, der -
selbstverständlich - quadratisch ist.
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