Logo




Unterstützen Sie Kinoweb. Klicken Sie unseren Sponsor.

Mein Grosser Freund Joe


Szene Szene

Joe - Die Geburt eines Kino-Gorillas

Ein falscher, echter Freund

Die wohl größte Herausforderung stand den Filmemachern mit der Besetzung der Titelrolle bevor: eines viereinhalb Meter hohen Gorillas mit Namen Joe. Regisseur Ron Underwood war denn auch hin- und hergerissen: Tiere haben auf der Leinwand stets eine ganz besondere Ausstrahlungskraft. Aber wie, bitte schön, sollte sich die Darstellung von Joe gestalten?"

Ursprünglich gab es Überlegungen, mit einem echten Gorilla zu drehen. Gleichzeitig wurden bereits Angebote von führenden Spezialeffektfirmen ins Haus geschickt. Underwood: "Es war verzwickt. Einerseits sollte sich Joe ganz als Gorilla darstellen. Andererseits gab es eine Vielzahl von Aktionen, die präzise Choreografie verlangten. Und schließlich sollten sich auch starke Gefühle in Joes Mimik und Gestik widerspiegeln."

Als Antwort auf all diese Anforderungen entstand ein wahrlich "vielschichtiger" Gorilla: Joe, wie er im Film erscheint, ist eine außerordentliche Schöpfung, entworfen von erfahrenen Tüftlern und Technikern für elektronisch gesteuerte Modelle. Aber auch Computer-Grafiker, Puppenspieler und Schauspieler wirkten mit, um eine einzigartige Verbindung von hochentwickelter Mechanik und Effekttechnologie zu schaffen.

Neben Modelltechnologie und Computergrafik kam zudem Darsteller John Alexander ins Spiel. Er trug ein Affenkostüm und wurde im Maßstab 1: 2,5 mit verzerrter Perspektive und Blue-Screen-Technik ebenfalls zu einem wesentlichen Gestaltungsfaktor für Joe. Die Kombination aus realen Spielfilmaufnahmen mit jenen, die in 40-prozentiger Verzerrung entstanden, erwies sich als knifflig. Dazu Ron Underwood: "Zunächst wurden die herkömmlichen Aufnahmen gemacht. Dann schlüpfte John Alexander in sein Affenkostüm, das exakt 40% der gedachten Größe von Joe ausmachte. Die Aufnahmen mit ihm wurden in verminderter Geschwindigkeit gedreht, um ein Gefühl von Masse zu erzeugen, die der Größe von Joe entsprechen würde. Bei Kamerafahrten, speziell mit Wagen, ist es schon nicht leicht, alle Bewegungsabläufe exakt einzufangen. Aber wenn man mit 32 Bildern pro Sekunde statt den üblichen 24 dreht, dann schrumpfen die Maßstäbe. Eine komplexe Angelegenheit! Und folglich war für jede Einstellung ein enormer Aufwand an mathematischen Berechnungen und technischem Feingefühl nötig."

Die Arbeit mit einem buchstäblich großen 'Star'

Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit im Team war der Titelheld des Films, Mr. Joseph Young persönlich. Selbst bei kleinsten Regenschauern eilten Arbeiter herbei, um den Star mit Plane und Regenschirm zu schützen. "Fünf Wohnwagen mußten wir für Joe herbeischaffen", erinnert sich Produzent Tom Jacobson. Dazu eine halbe Armee von Zofen und Dienern. Ständig zupften Leute an ihm herum und kämmten sein Haar.

Ich würde sagen, das war mit Abstand der größte Star, mit dem ich je zu tun hatte; der größte, schwerste und ganz sicher der mit den meisten Haaren."

Ein Geschöpf mit Haut und Haar

Der bereits mehrfach Oscar-prämierte Maskenbildner Rick Baker schuf mit Joe seine bislang ehrgeizigste Kreatur. "Ich hatte nie zuvor einen derart großen, hydraulisch gesteuerten Körper konstruiert. Diese Herausforderung erschien mir einerseits spaßig, anderseits furchteinflößend. Bis zu diesem Film war ich der Meinung, daß Gorillas im Nebel meine beste Arbeit sei. Aber jetzt bin ich überzeugt, daß Joe der beste Gorilla ist, der je für einen Film gebaut wurde."

Rick Baker steht im Ruf, der weltbeste Künstler für Prothesen-Makeup zu sein. Für Joe brachte der "Gorilla-Gott" (so sagte Produzent Tom Jacobson) einmal mehr innovative Elemente in seine Arbeit ein. So wurde für die Augen eine gewölbte Hornhaut entworfen. Baker: "Bei Gorillas im Nebel hatten wir noch mit Kugeln gearbeitet. Die künstliche Hornhaut wirkt jedoch realistischer und erlaubt zudem eine größere emotionale Bandbreite im Ausdruck."

Nachdem die Maße für Joe abgesprochen waren, arbeiteten Rick Baker und die Designer seines Cinovation Studios ein ganzes Jahr an den Materialien für Joe und an den mechanischen Apparaturen für die nötigen Bewegungsabläufe. Drei große Joes wurden in jeweils verschiedenen Haltungen erstellt - Joe auf allen vieren, ein sitzender und ein schlafender Joe.

Für die Szenen, in denen Joe sich mehr bewegen mußte, als es die hydraulischen Konstruktionen erlaubten, waren verschiedene maßstabgerechte Kostüme für John Alexander, einen der Erfahrensten, was die Darstellung in Ganzkörperkostüme angeht, entworfen worden. In diesem Kostüm agierte Alexander inmitten von Miniaturmodellen oder in Kulissen, die um knapp die Hälfte ihrer Größe reduziert worden waren.

Alle Joe-Modelle entstanden aus natürlichen Fellen und Kunstfellen, Lycra, Spandex, Latex-Schaum, Polyurethanschaum, Glasfiber und Aluminium. Acht Perückenmacher waren zehn Monate lang damit beschäftigt, Haare zu verknoten und mit Häkelnadeln an den Kostümen zu befestigen.

In Boston fand man eine Mühle, in der noch Strickmaschinen aus der Jahrhundertwende gelagert waren. Diese Maschinen waren in der Lage, Yak- und Pferdehaar zu verarbeiten. Auf diese Weise entstand eine Fellstruktur, die für die großen Joe-Modelle zum Einsatz kamen. Ein Team von erfahrenen Puppenspielern wurde engagiert, um die großen Joe-Modelle in Gesichtsausdruck und Körperbewegung lebendig werden zu lassen. Zusätzlich waren Leute pausenlos beschäftigt, das Fell zu bürsten und die Lippen zu befeuchten.

Ein glücklicher, wenngleich nur bedingt einkalkulierter Faktor war die Strapazierfähigkeit der Konstruktion. Dazu Rick Baker: "Als wir mit der Arbeit an Joe begannen, wußten wir noch nicht, daß wir damit nach Hawaii fahren würden. Normalerweise werden derart große hydraulische Konstruktionen, wie etwa auch die Dinosaurier aus JURASSIC PARK, in einem bestimmten Gebiet untergebracht und die Kulissen drum herum gebaut." Aber Joe überstand nicht nur den Flug nach Hawaii unbeschadet, auch dem Transport durch die Regenwälder von Oahu und zahlreichen Umzügen in Los Angeles hielt die Konstruktion stand.

Cyber-Joe

Bakers Arbeit lieferte auch das Basismaterial für die visuellen Effekte mit Joe als Computer-Grafik, die der Oscar-prämierte Effektkünstler Hoyt Yeatman und sein Team aus der Trickschmiede Dream Quest Images im Computer exakt aufeinander abstimmen mußten. Für den virtuellen Joe wurden zunächst Kopf- und Körperskulpturen sowie Ganzkörperabbildungen von John Alexander im Gorillakostüm in den Computer eingelesen.

Hinzu kamen zahlreiche Fotografien, Abmessungen und Proben des Haars, außerdem beriet sich John Alexander mit den Animationstechnikern über Verhalten und Bewegungsabläufe von Gorillas. Hoyt Yeatman sah eine große Herausforderung in der Tatsache, daß Joe ein wesentlicher Handlungsträger ist.

Yeatman: "Gemeinhin dienen Effekte vor allem dazu, ein Umfeld zu schaffen. Aber hier definieren sie die Hauptfigur des Films. Egal, ob es nun ein Darsteller im Kostüm ist, ein Modell oder eine Computer-Grafik, die Figur ist über den ganzen Film hinweg präsent."

Was Joe zum ständigen Unruheherd macht. Einmal ist er in Nahaufnahme zu sehen, ein anderes Mal in der Totalen, mal ist er allein, mal im Getümmel - das Hauptaugenmerk richtet sich also darauf, daß die Proportionen und Details immer stimmen müssen. Das gilt besonders für die Abstimmung von Haaren und Fell, wenn Trickaufnahmen mit Realfilm kombiniert werden sollen.

Hochentwickelte Blue Screen-Techniken waren erforderlich, um den Gorilla und sein verkleinertes Umfeld auf einer Bühne oder digital ins Bild einzupassen. Es wurden Blue Screens mit Abmessungen von bis zu 15 mal 80 Metern erstellt; es sind die wohl größten, die je für einen Film zum Einsatz kamen.

Für die nötige Ausleuchtung eines schwarzen Gorillas in nachgestelltem Tageslicht war ein enormer Aufwand an Scheinwerfern nötig. Das allerdings bedeutete einen massiven Temperaturanstieg; bereits nach 40 Sekunden begann das Kostüm von John Alexander in der Hitze zu qualmen, so daß zusätzliches Dämmaterial ins Kostüm eingearbeitet werden mußte.

Per Blue Screen eingepaßte Bilder bringen es trotz verbesserter Technik mit sich, daß feine Strukturen wie etwa Haare an den Rändern feine Aureolen aufweisen, was den Bildeindruck in seinem Realismus mindert. Um diesen Mangel zu beheben, entwickelte Yeatman in enger Zusammenarbeit mit Eastman Kodak ein neuartiges Filmmaterial, das die künstlerischen Möglichkeiten für Bildkompositionen deutlich aufgewertet und die Arbeitszeiten für Produktion und Entwicklung enorm verkürzt hat.

Yeatman und Dream Quest entwickelten darüber hinaus ein Software-Programm, das es erlaubt, Haare unabhängig voneinander zu bewegen. Digitales Haar galt lange Zeit als ähnlich unlösbares Problem wie die Schaffung eines digitalen Menschen. Hier schrieben die Programmierer von Dream Quest eine Software für die naturgetreue Wiedergabe von Haar mit dem Spitznamen "Yeti". Das Programm erlaubte eine realistische Bestimmung von Dynamik und Trägheit für alle dreieinhalb Millionen Haare, die an Joes Körper befestigt waren. Dream Quest's Beteiligung am Film umfaßte 110 komplexe Blue Screen-Einstellungen und 23 Einstellungen mit einem vollständig computergenerierten Gorilla. Zwei Jahre waren für die vollständige Umsetzung nötig.

Die Sache mit dem Maßstab

Zahlreichen Aufbauten und Kulissen mußten auf 40% ihrer Größe reduziert werden, wann immer John Alexander im Gorillakostüm auftrat. Forrest Leathers, Ausstatter für visuelle Effekte, beschreibt es anschaulich: "John Alexander entspricht in seinem Kostüm exakt 40% der Größe von Joe. Alles um ihn herum muß daher ebenfalls verkleinert sein auf 40% seiner tatsächlichen Größe."

Leather und sein Team standen deshalb vor der Aufgabe, zahlreiche Kulissen, in denen mit den großen Joe-Modellen gedreht worden war, noch einmal mit äußerster Sorgfalt im kleineren Maßstab nachzubauen. So entstanden etwa 40-prozentig verkleinerte Bananenstauden oder ein entsprechend reduziertes Modell eines Humvee-Geländewagens. Für die Partyszene, bei der Joe Amok läuft, mußten Tische, Stühle, handgemaltes Porzellan, Silberbesteck und natürlich die Speisen präzise auf 40% ihrer ursprünglichen Größe nachgestellt werden.


Logo.6
[ Vor | Zurück | Film-Home ]
[ kinoweb | Info | Suche | Post ]