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My Name is Joe


Produktionsnotizen

Szene

Die Dreharbeiten zu "My Name is Joe", einer warmherzigen Liebesgeschichte voller Humor, Leidenschaft und Dramatik, fanden in Glasgow statt, in einem der ärmsten und vom Wohlstand vergessenen Viertel. Zwei couragierte, aber verwundbare Menschen versuchen, mit den Bedingungen einer Gesellschaft zurechtzukommen, die ihnen nur wenig Möglichkeiten zur freien Entfaltung läßt. Ihre Geschichte reflektiert die Wirklichkeit einer Zwei-Klassen Gesellschaft im Glasgow der 90er Jahre, in der die Chancen ungleich verteilt sind, wo die Gratwanderung zwischen Überleben und Absturz nur eine Frage des Zufalls ist.

Der Film erkundet den Widerstreit der Gefühle zwischen Joe und Sarah, deren von Drogen, Prostitution und Gewalt geprägtes Umfeld. Beide sind nicht mehr ganz jung, aber noch jung genug für die Liebe, beide müssen mit schmerzlichen Erfahrungen fertigwerden. Joes und Sarahs Sehnsucht nach Vertrauen und Zärtlichkeit kollidiert mit ihrer Angst vor Enttäuschungen.

Wie alle Ken Loach-Filme zeichnet sich auch "My Name is Joe" durch Ehrlichkeit und Menschlichkeit aus, er preist die Kraft des Individuums, auch die schlimmsten Hindernisse zu überwinden. Der Film basiert auf sorgfältigen Recherchen und auf Unterstützung durch Sozialarbeiter, Street Worker, Ex-Drogenabhängigen und Noch-Abhängigen sowie früheren Prostituierten aus Glasgow, die mit ihrer Informations- und Hilfsbereitschaft zum Gelingen des Projekts beitrugen.

Drehbuchautor Paul Laverty: "Ich habe mehrere Monate damit verbracht, einfach nur in den Straßen Glasgows herumzulaufen, mit Leuten zu sprechen, mir ihre Geschichten anzuhören, bevor ich das erste Wort schrieb. Ausgangspunkt waren die Charaktere, dann erst kam die Story, die sie mir erzählten. Ich lebte in Ruchill, so der Name des Viertels mit dem Post Code G15 und schrieb das Drehbuch, verarbeitete laufend neue Erkenntnisse".

Bald kristallisierten sich auch Nebenstränge und Nebenfiguren heraus: Joes junger Freund Liam, ein gutherziger Junge, der mit den persönlichen Schwierigkeiten nicht fertig wird. Oder seine Freundin Sabine, die auf den Strich geht, um ihre Heroinsucht zu finanzieren und dabei ihrem kleinen Sohn eine intakte Familie bieten möchte.

Besonders schockierte und berührte Laverty in seiner Heimatstadt die groteske Ungleichheit zwischen den einzelnen Vierteln, oft nur durch eine Straße oder einen Kanal getrennt.

Ken Loach bewundert an Laverty "seine Ablehnung, irgendetwas aus zweiter Hand zu verarbeiten. Er recherchiert direkt an der Quelle". Die Wirklichkeit sieht so aus: In einer der modernsten und dynamischsten Städte Europas muß man nur ein paar Meter gehen, und von einer Minute auf die andere befindet man sich nicht mehr im Villenviertel, sondern in einer Gegend, deren Atmosphäre an die Dickens- und Zola-Romane aus dem 19. Jahrhundert erinnernt.

Loach bleibt auch in "My Name is Joe" seiner radikalen politischen Vision und seiner Kritik an der Ungerechtigkeit der kapitalistischen Gesellschaft treu: "Diese ganze soziale Misere würde verschwinden, wenn es genug Stellen gebe. Die einzigen vorhandenen Jobs bei kommunalen Projekten und Beratungsstellen sind nur der Tropfen auf dem heißen Stein"

Als das Drehbuch im Sommer 1997 schon fertig war, gab es bis kurz vor Beginn der Dreharbeiten im September 1997 immer wieder Änderungen - hervorgerufen durch Diskussionen mit den Bewohnern von G15, besonders in den Szenen, die sich mit Drogenabhängigkeit beschäftigten.

Alles sollte so authentisch wie möglich sein. John Hamill, der das Treffen der Anonymen Alkoholiker (AA) im Film leitet, ist beispielsweise ein städtischer Sozialarbeiter, der sein ganzes Erwachsenenleben damit zubrachte, Leuten mit Abhängigkeiten, sei es von harten Drogen oder Alkohol, zu helfen.

Gerade das Prinzip der Anonymität erschwerte die Kontaktaufnahme zu den einzelnen Mitgliedern. So entstand ein Großteil der Kontakte durch lokale Rehabilitationsgruppen. Man versuchte aus erster Hand von den Problemen derjenigen zu erfahren, die sich aus der Abhängigkeit befreien wollten. Einige, die ihre Lebensgeschichte erzählten, stießen dann zum Fußballteam, einer Gruppe von fast hoffnungslosen Fällen, die im Kampf um den Ball ihr Selbstvertrauen und ihre Identität wiederfinden wollten.

Zu den Beratern zählte auch Stef McBride, ein Ex-Junkie, der über sechs Jahre an der Nadel hing und auf der Straße lebte, bevor er an einem Methadon-Programm teilnahm und nach acht Monaten "clean" war. Loach kontaktierte ihn durch die Glasgow City Centre Initiative, ein städtisches Projekt für Obdachlose.

"Ich gab dem Team Tips, wo sich Sabine die Spritzen setzen, wie sie sie benutzen würde und wie die Einstiche aussehen müßten," erinnert sich Stef. "Die Ausstattung erhielt von mir Hinweise über die Größe der Nadeln, die Größe der Heroinpäckchen etc. Es war das erste mal seit 17 Monaten, daß ich mich an ein Drogenbesteck heranwagte. Meine Hände zitterten."

Für die Figur der Sabine stand die frühere Prostituierte Linda Tiffney quasi Pate. Ihr lag es daran - wie den anderen, die den Film mit ihren Erfahrungen bereicherten - Stereotypen zu vermeiden und die wirklichen Bedingungen von Drogenabhängigkeit, Prostitution und Gewalt zu zeigen. Linda engagierte sich wie viele der Berater für das Filmprojekt, weil sie von Loachs Reputation als Filmemacher überzeugt war. Sie zeigte sich begeistert über die Offenheit und die Sympathie, die ihr vom Team entgegenschlug:

"Es war gut, daß Loach sich Zeit nahm für die einzelnen Fakten. Filmemacher vergessen oft, mit den ganz normalen Menschen zu reden und nur wenige Filme über das Drogenmilieu versuchen überhaupt, die Wahrheit zu vermitteln." Sie ist fest davon überzeugt, daß Glasgows mächtige Gangster und Geldverleiher "ziemlich beeindruckt sein werden."

Linda, Stef und die anderen Berater betonen, daß ein erfolgreicher Entzug von der ständigen und ermutigenden Unterstützung von Freunden und engagierten Sozialarbeitern abhängt - eine Bestätigung für das Plädoyer des Films, den Ruf nach mehr Menschlichkeit und Solidarität.


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