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Nicht Schuldig
Produktionsnotizen
Abgeschottet gegenüber äußeren
Einflüssen und mit dem Schicksal des Angeklagten nicht vertraut,
prägt der Geschworene am nachhaltigsten das Bild des amerikanischen
Rechtssystems. Das Gericht verspricht ihm Anonymität. Der
Geschworene im Gegenzug Unparteilichkeit. Der Geschworene kann
für schuldig oder nicht schuldig votieren und dann zu seinem
normalen Leben zurückkehren. In der Realität ist das
nicht immer so.
Als Geschworene in einem Mafia-Prozeß
aufzutreten, ist für die Künstlerin und alleinerziehende
Mutter Annie Laird gleich in zweifacher Hinsicht verlockend. ,,Sie
ist in ihrem Leben an einem Punkt angekommen, wo sie sich ein
wenig langweilt und nach Ablenkung Ausschau hält", sagt
Demi Moore, die Annie darstellt. ,,Die Ernennung zur Geschworenen
scheint keine schlechte Sache zu sein und wird für einen
Moment das unterbrechen, was sie als eintöniges Leben betrachtet.
Annie möchte außerdem für ihren Sohn ein Exempel
statuieren, in dem sie sich verantwortungsbewußt zeigt und
ihrem Land dient."
Während der Auswahl der Geschworenen wird
Annie nicht nur vom Richter und den Anwälten eingehend geprüft,
sondern auch von einem Zuschauer mit gänzlich anderen Motiven.
,,Dieser Typ ist eine Art Verbrechensmanager für die Mafia",
erklärt Alec Baldwin, der die mysteriöse Figur des Lehrers
spielt. ,,Er ist sehr geschickt auf dem Gebiet der Elektronik
und Überwachungsmethoden. Von der Mafia wurde er angeheuert,
um jene Person in der Jury auszuwählen, die es schaffen kann,
alle anderen Geschworenen von ihrer Meinung zu überzeugen."
Die Wahl des Lehrers fällt auf Annie, denn ,,sie ist sehr
leidenschaftlich, und er will ihre Leidenschaft dafür nutzen,
die anderen derart zu beeinflussen, daß sie den Angeklagten
laufen lassen, selbst wenn sie in ihren Herzen wissen, daß
er schuldig ist."
Regisseur Brian Gibson fügt hinzu: ,,Oberflächlich
betrachtet scheint Annie eher eine ineffiziente Person zu sein.
Aber was niemand, nicht einmal sie selbst, weiß, ist, daß
ihr Wille ebenso schwer zu zerbrechen ist wie ein Diamant. Selbst
bei den wenigen Fragen während der Jury-Auswahl sieht der
Lehrer, daß in dieser Frau sehr viel Mut und Stärke
steckt. Und deshalb wählt er sie als jene Geschworene aus,
die alle anderen umdrehen soll."
Der Boffano-Prozeß ,,läßt
den Ball rollen in der Beziehung zwischen Annie und ihrem Sohn
und zwischen ihr und dem Lehrer", so Produzent Irwin Winkler.
,,Die Anteile, die die Jury und der Prozeß an der Geschichte
haben, sind geringer als im Vergleich dazu jene Konflikte, die
sich davor und danach ergeben. Wir verbringen nicht sehr viel
Zeit im Gerichtssaal. Das meiste passiert, wenn Annie nach Hause
geht."
Annie hat sich nach Demi Moores Ansicht aus
vielerlei Gründen vom gesellschaftlichen Leben ferngehalten
- eine Tatsache, die ihre anfängliche Verletzlichkeit gegenüber
dem Lehrer noch vergrößert. ,,Dadurch, daß sie
eine alleinstehende Mutter mit einem Sohn ist, kam es, daß
die beiden einander alles bedeuten. Indem sie für Oliver
gleichzeitig Mutter und Vater zu sein versucht, hat sie ihre eigenen
emotionalen Bedürfnisse verdrängt. Als dann der Lehrer
auftaucht, verkörpert er all jene romantischen Möglichkeiten,
denen sie sich so lange verweigert hat." Gibson fügt
hinzu: ,,Sie ist eine Mutter, aber zugleich auch ein kleines bißchen
Vater. Und sie ist außerdem wie ein bester Freund. Es gibt
eine fortschreitende Dynamik zwischen den beiden, die amüsant
und interessant ist. In Oliver steckt das Bedürfnis, der
Mann im Haus zu sein. Als Zwölfjähriger ist er dazu
jedoch noch nicht in der Lage."
Der Lehrer stellt Annie eine Falle, indem er
ihre Arbeit als Künstlerin dazu benutzt, um mit ihr in Kontakt
zu kommen. ,,Sie hat darum kämpfen müssen, ihren Lebensunterhalt
zu verdienen und gleichzeitig ihren künstlerischen Ambitionen
nachkommen zu können. Und dann kommt der Lehrer und kauft
einige ihrer Kunstgegenstände", erläutert Demi
Moore. ,,Er ist ein echter Glücksfall und entpuppt sich zudem
als ein Mann, den sie gern kennenlernen würde. Er ist intelligent,
hat viele verschiedene Interessen, und man kann sich hervorragend
mit ihm unterhalten. Und er ist sehr verführerisch, weil
er spirituelle Lehren verwendet, um auf diese Weise sein Leben
zu führen.
,,Annie wurde durch seine Komplimente für
ihre Kunst zur Kooperation mit diesem Mann verleitet, und durch
den Glauben, daß sie sich möglicherweise in jemanden
verliebt hat", erklärt Gibson. ,,Als er dann den wahren
Grund für sein Interesse an ihr preisgibt, führt dies
zu einer tiefen Verletzung, die vergleichbar ist mit dem, was
in einem Vergewaltigungsopfer vorgeht, das danach nicht zur Polizei
geht. Weil die Demütigung, die diesem Menschen angetan wurde,
zu privat und persönlich ist, um sich einem anderen zu offenbaren."
Demi Moore ergänzt: ,,Es ist ein schrecklicher Betrug, denn
hier ist eine Frau, die sich nicht öffnen wollte, weil sie
so einem Mann schutzlos ausgeliefert ist. Und dann trifft sie
jemanden, von dem sie sich angezogen fühlt. Sie öffnet
sich ihm und bekommt dann auf niederschmetternde Weise beigebracht,
daß er in Wahrheit wegen etwas ganz anderem da ist. So beginnt
für sie ein qualvoller Horror-Trip."
Das Anzeichen von Stärke, das der Lehrer
in Annie sieht, wird zum Kern ihrer seltsamen Beziehung. ,,Sie
werden tatsächlich Lehrer und Schülerin", stellt
Moore fest. ,,Er drängt sie dazu, die nötige Überzeugungskraft
und Leidenschaft zu finden, um die Jury umzustimmen. Und es bereitet
ihm große Freude, zu sehen, wie sie sich in die starke Persönlichkeit
verwandelt, an deren Existenz er die ganze Zeit fest geglaubt
hatte. Das Schachspiel beginnt, wenn sie sich nicht länger
innerhalb der Grenzen bewegt, die er festgesetzt hatte, und den
weiteren Spielverlauf selbst gestaltet." Alec Baldwin fügt
hinzu: ,,Er betrachtet sie als sein Pygmalion, und das ist ein
verhängnisvoller Fehler. Der Lehrer hilft ihr dabei, daß
ihre innere Stärke zum Vorschein kommt. Annie erreicht nicht
nur das Ziel, sondern findet auf dem Weg dorthin auch noch die
nötige Kraft, um den Spieß möglicherweise umzudrehen."
Noch einmal Moore: ,,Sie wird seine Schülerin, seine Obsession,
seine Liebe und sie sitzt total in der Falle. Jede in Frage kommende
Wahlmöglichkeit ist letztendlich keine. Ich denke, unser
Instinkt läßt uns daran glauben, daß unser Rechtssystem
unschuldig und achtbar ist und uns beschützt. Aber der Lehrer
lehrt Annie, daß dies nicht immer der Wahrheit entspricht."
George Dawes Green, der Verfasser der Buchvorlage,
sieht den Kampf - zum Ausdruck gebracht durch die beiden Hauptcharaktere
- als einen zwischen Chaos und Ordnung. Aber es ist das Chaos,
dem der Autor seine Sympathie entgegenbringt, während er
die Ordnung einer kritischen Prüfung unterzieht. ,,Annie
tastet sich in ihrem Leben langsam voran. Ihr Haus ist ein wenig
unordentlich. Sie ist ein bißchen chaotisch und verwirrt,
das kann man am Beispiel ihrer Skulpturen sehen. Sie hat ebensowenig
Antworten wie irgendwelche philosophischen Rezepte parat. Und
dann ist da der Lehrer, der glaubt, er habe den Schlüssel
zum Universum. Diese Leute empfinde ich als gefährlich. Ich
mag diese Menschen nicht, die denken, sie haben Antworten. Die
Menschen, die ich liebe, sind die verwirrten. Die lediglich versuchen,
irgendwie über die Runden zu kommen, und keine Idee haben,
was sie auf diesem Planeten tun, und auch nicht vorgeben, es zu
wissen." Die Geschichte", so Green weiter, ,,handelt
letztendlich vom Krieg zwischen Liebe und Struktur. Annies Liebe
für Oliver und seine für sie. Der Lehrer denkt, er hat
Macht, weil er Struktur besitzt, er denkt, er kennt alle Antworten.
Aber was er nicht hat, ist Liebe, und das ist schließlich
sein Verderben."
,,Ich bin fasziniert von der Idee, daß
jemand seinem Schicksal nicht entfliehen kann", gesteht Brian
Gibson. ,,Der Lehrer kann nicht all diese teuflischen Taten begehen
und dafür nicht eines Tages bestraft werden. Ich war deshalb
sehr an dieser Vorstellung von Gerechtigkeit interessiert. Nicht
nur jene Gerechtigkeit, die im Gerichtssaal zum Zuge bzw. nicht
zum Zuge kommt. Sondern auch jene Art von Gerechtigkeit, die eine
sehr viel größere Rolle spielt."
NICHT SCHULDIG ist die Geschichte einer Frau,
deren Leben vom Ausgang eines Mafia-Prozesses abhängt, und
die in einem Gerichtssaal ihren Anfang nimmt. Der Produzent (Rocky,
Wie ein wilder Stier, GoodFellas) und Oscar-Preisträger
Irwin Winkler war begeistert von der Aussicht, einen Film über
eine Geschworene zu machen, nachdem er selbst einmal diese Funktion
ausgeübt hatte. ,,Ich hatte das Glück, bei einem Prozeß
in Los Angeles als Jurymitglied teilzunehmen", erzählt
Winkler. ,,Ich war sowohl vom Funktionieren des Jury-Systems als
auch vom ganzen Ablauf fasziniert."
Winkler streckte seine Fühler nach einer
guten Story aus und schon bald darauf bekam er die Druckfahne
eines Buches in die Hände, das ein junger Autor namens George
Dawes Green geschrieben hatte. ,,Ich hatte einen Artikel im Magazin
The New Yorker über einen Zeitungsreporter gelesen,
der in New York als Geschworener fungierte. Mich interessierte
das, aber ich kam letztendlich zu dem Schluß, daß
es als Drama nicht genug hergab. Schließlich schickte mir
ein Agent, der wußte, daß mich die Thematik interessierte,
ein Manuskript von Greens Buch. Ich las es über Nacht und
kaufte die Rechte daran am nächsten Tag. Einige der entscheidenden
Elemente im Film kamen dann sehr schnell zusammen. Nachdem wir
die Filmrechte am Buch gekauft hatten, beschlossen wir, nach einem
wirklich guten Drehbuchautoren Ausschau zu halten. Glücklicherweise
konnten wir Ted Tallys Interesse wecken, der für seine Adaption
von Das Schweigen der Lämmer einen Oscar erhalten
hatte."
Zur gleichen Zeit schickte Winkler das Manuskript
Demi Moore, die ihn unmittelbar danach anrief und ihr Interesse
an der Rolle bekundete. ,,Sie liebte das Skript", so Winkler,
,,und stimmte ihrer Mitwirkung zu." Moore, die sich glücklich
zählt, am Projekt bereits seit seinem Frühstadium beteiligt
gewesen zu sein, erklärt, was ganz besonders ihre Aufmerksamkeit
erregte: ,,Ich mochte sehr den Antrieb des Buches. Ich mochte
das psychologische Drama. Und diesen Mann, der so verführerisch,
charmant und hinterhältig ist, daß er deine gesamte
Existenz bedroht. Der Roman las sich fast wie ein Drehbuch. Ich
wußte deshalb auf Anhieb, daß ich diese Rolle zu spielen
hatte. Ich mußte nur noch warten, bis alle anderen ebenfalls
zur Stelle waren."
Mit Demi Moore an Bord war das Casting der
anderen Rollen ein leichtes Unterfangen: bis auf die Rolle des
Lehrers - die Besetzung des Initiators des Dramas bedurfte besonders
intensiver Überlegungen. ,,Wir wollten jemanden, der sehr
attraktiv und zugleich sehr, sehr gefährlich ist", erinnert
sich Irwin Winkler. Ich dachte, daß Alec Baldwin dafür
ideal wäre, und deshalb schickten wir ihm das Skript. Er
rief zurück und sagte ,yeah, ich bin dabei, die Rolle reizt
mich'." Baldwin, ein großer Bewunderer von Winkler,
war regelrecht versessen darauf, mit dem Produzenten zusammenzuarbeiten.
,,Er gehört zu einer sehr seltenen Spezies in der heutigen
Zeit, ein wirklich kreativer Produzent." Darüber hinaus
war dies die erste Gelegenheit, gemeinsame Sache mit einer alten
Freundin zu machen. ,,Ich kenne Demi seit zwölf Jahren, damals
fingen wir beide an, in L.A. zu arbeiten. Die meisten Schauspieler,
die ich kenne, wollen mehr als Ruhm und Geld, sondern Filme machen,
die ihren Vorstellungen entsprechen, mit Leuten, mit denen sie
gern zusammenarbeiten. Als sie mich fragten, ob ich in diesem
Film mitspielen wolle, war es deshalb so etwas wie die Erfüllung
eines Traums."
Winkler war sehr erfreut über die Aussicht,
ein Gerichtssaal-Drama zu drehen, das sich von anderen wesentlich
unterscheidet. ,,Die meisten Courtroom-Dramen, für das beste
halte ich Billy Wilders Zeugin der Anklage, konzentrieren
sich gewöhnlich auf den Angeklagten und die Anwälte.
Es gibt nur einige wenige, die sich wirklich mit der Jury befassen
- der Klassiker Die zwölf Geschworenen gehört
natürlich dazu. Wir wollten es deshalb ein klein wenig anders
machen. Es ist Annies Entscheidung, als Geschworene ihrem Vaterland
zu dienen, die sie in dieses Dilemma geraten läßt.
Was wir sehen, und was, so denke ich, mittlerweile ganz Amerika
nach all den spektakulären Prozessen in den letzten Jahren
erkannt hat, ist, wie sehr die Geschworenen-Gerichtsverfahren
Einfluß auf jeden von uns ausüben."
Koproduzent Rob Cowan (Das Netz) sieht
den Film als eine Charakterstudie. ,,Die Beziehung zwischen Annie
Laird und dem Lehrer ist eine Schachpartie zwischen einem Mann,
der gegen das Gesetz und nach seinen eigenen Regeln handelt, und
der alleinstehenden Mutter und Künstlerin, die lediglich
versucht, aus der Geschichte heil herauszukommen. Wir wollten,
daß sich das Publikum vollkommen mit Annie identifizieren
kann. Sie ist keine Superheldin, vor allem nicht so, wie Demi
sie spielt. Sie kreierte einen sehr empathischen Charakter."
Cowan ergänzt: ,,Die Herausforderung für Alec, der sie,
wie ich meine, hervorragend meisterte, bestand darin, einen Charakter
von schattenhafter Natur zu spielen, der das ist, was er
denkt, und ihn für das Kinopublikum sichtbar zu machen. Alec
hat viel zu der Figur beigesteuert. Geschickt vollführt er
die Drehungen und Wendungen, die der Lehrer durchmacht, als er
aus dem Konzept gebracht wird von dem Spiel, das er selbst begonnen
hat."
Das letzte fehlende Teil im Puzzle war jetzt
nur noch ein Regisseur als Leiter des Projekts. Dazu Produzent
Winkler: ,,Ich liebte Brian Gibsons Tina-Turner-Story What´s
Love Got To Do With It. Wir gaben ihm deshalb das Skript,
und er schaute eines Abends bei uns vorbei, und wir sprachen darüber.
Ich mochte ihn, und im Handumdrehen befanden wir uns außerhalb
von New York auf der Suche nach geeigneten Locations..."
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