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In Love and War
Regie und Produktion: Sir Richard Attenborough
Die Londoner Times zitierte Richard Attenborough kürzlich
in ihrer Sonntagsausgabe in einem Interview mit den Worten: ``lch
bin kein Genie. Ich bin kein Autorenfilmer. Ich bin Handwerker
- wenn auch kein ganz schlechter.'' Ein Understatement, nicht
untypisch für den Mann, der, als er seinen Director's Guild
Award als bester Regisseur für Gandhi entgegennahm,
auf dem Weg zur Bühne zu Steven Spielberg hinüberging
(der in jenem Jahr für E.T: nominiert war), ihn umarmte
und sagte: ``Das ist nicht gerecht - das sollte Ihr Preis sein.''
Spielberg nennt diesen Moment noch heute die ``Verleihung seines
Ehren-Oscars''.
Tatsächlich hatte Spielberg Jahre später, als er gleichzeitig
in der Postproduktion von Jurassic Park und in den Dreharbeiten
zu Schindlees Liste steckte, Attenborough sogar gefragt,
ob er statt seiner nicht für einige Tage Regie bei Schindlers
Liste führen könne.
Attenborough mußte wegen Zeitmangels (er drehte zu der
Zeit Shadowlands) absagen, aber die Begebenheit spricht
doch Bände darüber, wie hoch Richard Attenborough in
der Meinung seiner Kollegen steht. Der mehrfache Oscar-Gewinner
wird von vielen englischen Kritikern sogar als der einzig legitime
Erbe von David Lean gehandelt, jenes Regisseurs, dessen historische
Film-Epen Kinogeschichte schrieben.
Wie der Zufall es will, begann Attenborough seine Karriere zunächst
als Schauspieler in David Leans erstem Film In Which We Serve
(1942), wo er einen an den Kriegsfolgen leidenden Marinesoldaten
spielte. Später schaffte er vor allem mit seinem Part des
jugendlichen Killers Pinkie in der Graham-Greene-Verfilmung Brighton
Rock (1947) und mit seiner Bühnenrolle in dem Londoner
Erfolgsstück ``The Mousetrap'' den Durchbruch als Schauspieler-
seinen eigenen weiblichen Fanclub inbegriffen.
1959 gründete Attenborough, der es müde wurde, immer
als ``der mondgesichtige Trottel vom Unterdeck'' besetzt zu werden,
gemeinsam mit Regisseur Bryan Forbes die Firma Beaver Films und
begann mit der Produktion einer Reihe von Independent-Filmen,
die schließlich den Beginn des britischen ``New Wave''
markierten. Dazu gehörten u.a. das Gewerkschaftler-Drama
The Angry Silence (Zorniges Schweigen, 1960),
The L-Shaped Room (Das indiskrete Zimmer, 1962)
und Seance on a Wet Afternoon (An einem trüben
Nachmittag, 1964).
Attenborough stand natürlich auch weiterhin vor der Kamera.
Bis heute spielte er in über 60 Filmen, darunter neben Steve
McQueen in The Great Escape (Gesprengte Ketten,
1962) und in The Sand Lobbies (Kanonenboot am Yangste-Kiang,
1966), in Robert Aldrichs Flight of the Phoenix (Der
Flug des Phönix, 1965), in Satyajit Rays The Chess
Players (1977) und die Titelrolle in Richard Fleischers
10 Rillington Plasce (John Christie, der Frauenwürger
von London, 1971), den viele für seinen besten Film
halten.
Seine vorerst letzte Rolle spielte er in Otto Premingers Spionage-Thriller
The Human Factor (1979). Erst fünfzehn Jahre später
holte Steven Spielberg Attenborough für seinen Megahit Jurassic
Park (1994) als Schauspieler zurück. Zuletzt sah man
ihn in John Hughes' Remake von Miracle on 34th Street
(Das Wunder von Manhattan, 1994), ehe er in Spielbergs
The Lost World (1997) abermals gegen die Urzeitechsen
aus dem Jurassic Park antrat.
Schon 1962 wurde der Vorschlag, nach Louise Fischers Biografie
einen Film über Mahatma Gandhi zu drehen, an Attenborough
herangetragen. Der gewaltige Stoff ließ ihn nicht mehr
los, doch es sollte noch weitere 18 Jahre dauern, in denen er
immer wieder daran arbeitete, ehe er Gandhi drehen würde.
Sein Regiedebüt gab Attenborough hingegen schon 1969 mit
seiner Adaption des erfolgreichen Antikriegs-Musicals Oh!
What a Lovely War, für die er u.a. Laurence Olivier,
Vanessa Redgrave, John Gieldgud und Ralph Richardson vor der
Kamera versammelte. Drei Jahre später drehte er mit Young
Winston (Der junge Löwe, 1972) seine erste
Filmbiografie: Simon Ward spielte Winston Churchill. Mit A
Bridge Too Far (Die Brücke von Arnheim, 1977)
und Magic - Eine unheimliche Liebesgeschichte, 1978
verfilmte Attenborough anschließend zwei Drehbücher
des Oscar-Preisträgers und Bestsellerautors William Goldman.
1982 schließlich erfüllte er sich seinen langjährigen
Traum und realisierte das monumentale Epos Gandhi, das neben
zahlreichen anderen internationalen Preisen mit insgesamt acht
Oscars ausgezeichnet wurde.
Nach Gandhi gab Attenborough erneut seiner Leidenschaft
für Musicals nach und inszenierte A Chorus Line
(1985), ehe er mit Cry Freedom (Schrei nach Freiheit,
1987) ein weiteres Mal das Thema des politischen Kampfes gegen
Rassentrennung aufgriff - und damit zugleich einem jungen Schauspieler
namens Denzel Washington seine erste Kinorolle gab, für
die dieser mit einer Oscar-Nominierung geehrt wurde.
Mit Chaplin (1992) griff Attenborough ein weiteres Mal
auf biografisches Material zurück. Die tragikomische Geschichte
des großen Stars verhalf Robert Downey Jr. zu einer Oscar-Nominierung
als bester Hauptdarsteller. Attenboroughs vorletzte Regiearbeit
Shadowlands (1993) beinhaltet ähnliche Motive,
die der Thematik von In Love and War Schwerpunkte setzen:
Darin erzählt er die dramatische Liebesgeschichte zwischen
dem alternden englischen Autor C. S. Lewis (Anthony Hopkins)
und einer jungen New Yorkerin (Deborah Winger).
Richard Attenboroughs Arbeit für das Kino macht bei der
Filmerei nicht halt. Sein politisches Engagement in zahlreichen
Ausschüssen und Gremien quer durch alle Medien läßt
sich durch ein legendär gewordenes Zusammentreffen mit Margaret
Thatcher treffend beschreiben: Als er die Premierministerin in
den 80er Jahren mit einer Handvoll anderer Filmemacher aufsuchte,
um den durch ihre Kulturpolitik beschleunigten Verfall der britischen
Filmindustrie anzuprangern, fragte Thatcher ihn mit großen
Augen, warum ihr denn davon nie jemand erzählt habe. Darauf
Attenborough: ``Darling, you never asked!'' Auch John Major hat
die scharfen Attacken des heute 73jährigen bereits zu spüren
bekommen.
Von der englischen Königin wurde er 1976 zum Ritter geschlagen,
und seit 1993 führt Sir Richard Attenborough den Titel Lord
Attenborough of Richmond-on-Thames, der ihn dazu berechtigt,
einen Sitz im englischen Parlament einzunehmen. Er wählte
die Seite der oppositionellen Labour Partei.
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