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Die Piratenbraut


Szene

Produktionsnotizen

Ob Schurke oder Held ­ Piraten waren schon immer faszinierende Figuren. Ihre Abenteuer, ob nun in Roman­ oder Filmform, fesseln seit jeher die Menschen. Die uralten Mythen von versunkenen und vergrabenen Schätzen spornen noch heute Träumer und Phantasten zu abenteuerlichen Expeditionen an.

Renny Harlins monumentales Abenteuer um die Glückssucher auf Cutthroat Island ist eine unverholene Hommage an die alten Sagen und Legenden. Auch wenn in diesem Film so mancher Aspekt des Genres eine zeitgemäße Modernisierung erfuhr. Bislang waren Piraten im Kino fast immer Briten, erklärt der Regisseur. Doch die Welt der Freibeuter und Seeräuber wurde tatsächlich von den unterschiedlichsten Kulturen geprägt. Ein Piratenschiff ­ das war ein wahrer Schmelztiegel von Nationalitäten, Religionen und Rassen. Dieser bunte, abwechslungsreiche Mikrokosmos war etwas, was ich in meinem Film zeigen wollte.

So sind die Charaktere in Harlins Film auch bunter und schriller, als man es von anderen Streifen dieser Gattung gewohnt ist. War es in Klassikern ­ wie Burt Lancasters Der rote Korsar ­ schon eine modische Provokation, einen überdimensionalen Ohrring zu tragen, so kann zum Beispiel Morgans Gefährte Mr. Reed (Maury Chaykin) gleich mit einer extravaganten Tätowierung aufwarten, die sein gesamtes Gesicht bedeckt.

Was in keinem Piratenfilm, der etwas auf sich hält, fehlen darf, ist zudem ein dressierter Affe. In Cutthroat Island wird diese Rolle nahezu Oscarverdächtig von dem Kapuzineraffchen Shayna gespielt. Als Schiffsmaskottchen King Charles verblüfft es mit einer faszinierend menschenähnlichen Mimik und Gestik.

Das Wichtigste bei einem großangelegten Freibeuter­Epos ist freilich eine Landschaftskulisse, die das Publikum in Breitwandformat in ihren Bann zieht. Regisseur Harlin und sein Team entschieden sich für den Drehort Malta. Die Insel südlich von Sizilien ist nicht nur von ursprünglicher Naturschönheit, sie verfügt auch über eine weitgehend erhaltene, hunderte von Jahren alte Architektur ­ und, was schließlich den Ausschlag gab, die Mediterranean Film Studios. Hier finden sich die größten Wassertanks der Welt, ideal für großangelegte Szenen, die zu hoher See spielen. In den gigantischen, künstlichen Fluten ließen sich die komplexesten und kompliziertesten Sequenzen drehen, ohne daß Rücksicht auf die unkalkulierbaren Launen des echten Meeres genommen werden mußte. Katastrophen, die bei Drehs auf offener See bekanntlich viel Zeit und Geld kosten können, wollten die Produzenten von Cutthroat Island von vornherein ausschließen. Warum sich selbst unter unberechenbaren Rahmenbedingungen etwas beweisen, wenn sich dieselben Bilder auch mit spektakulären Tricks erzeugen lassen; Film ist eine Welt der Illusionen ­ nicht der selbstzerstörerischen Grenzerfahrungen.

Einen ungefähren Eindruck der monströsen Wassertanks gewinnt man, wenn man sich klar macht, das die beiden Schiffe, die in Cutthroat Islands eine Rolle spielen, zeitgleich in ihnen Platz fanden. Die Morning Star und die Reaper sind keine maßstabsgerechten Modelle, sondern echte Galeeren, die in Originalgröße für diesen Film gebaut wurden ­ und wahrend des Drehs auf Malta zu einer echten Touristenattraktion avancierten.

Doch damit noch nicht genug der Gigantomanie: Dieselben beiden Schiffe wurden in einer Werft in Jakarta noch einmal in derselben Ausführung gebaut und über das Meer zum zweiten Drehort, nach Phuket in Thailand, geschippert. Man kann sich die Verblüffung moderner Seefahrer vorstellen, als ihnen auf dem Ozean plötzlich zwei riesige, hölzerne Piratenschiffe im Stil des 17. Jahrhunderts entgegenkamen.

In Thailand entstanden die letzten vierzig Minuten des Films, die auf Cutthroat Island spielen. Für Regisseur Harlin war diese Location "Liebe auf den ersten Blick": Als ich diese Landschaft sah, wußte ich, daß ich das Paradies entdeckt habe. Der exotische Dschungel, die weißen Sandstrände und das azurblaue Wasser des Andaman Meeres in Thailand sind mehr als nur Kulisse ­ es sind Stars des Films.

Einen beträchtlichen Aufwand mußte das Cutthroat Island­Team auch betreiben, um eine lebensechte jamaikanische Hafenstadt zu errichten. Der ursprüngliche Plan, die Fassaden verschiedener maltekischer Straßenzüge neu zu verkleiden, wurde schon bald fallengelassen. Das Leben auf der Insel wäre durch die Absperrungen und Umbauten vermutlich nahezu zum Stillstand gekommen. Also blieb Regisseur Harlin und seinem Production Designer Norman Garwood nichts anderes übrig, als auf einem unbebauten Stuck Land, nahe der Wassertanks, eine komplette Stadt bauen zu lassen.

Historische Akribie war bei der Ausstattung der Kulissen natürlich Ehrensache. Und auch bei den Kostümen und Waffen wurde streng darauf geachtet, daß sie dem aktuellen Stand des späten 17. Jahrhunderts entsprachen. Jedes einzelne Kleidungsstuck im Film wurde mit der Hand genäht, wobei im wesentlichen die schon damals übliche Baumwolle als Material gewählt wurde. Bevor die neu geschneiderten Kostüme im Film zu sehen sein durften, wurden sie einer komplexen Alterung unterzogen. Tagelang malträtierte das Team um Enrico Sabbatini die insgesamt 2000 Kleidungsstücke, indem sie sie zerknautschten, bleichten, einrissen und blankscheuerten.

Nicht minder aufwendig war die Herstellung der Waffen. 300 Gewehre, Pistolen und Musketen, 620 Schwerter, 250 Dolche und 70 Äxte wurden nach 300 Jahre alten Originalplänen hergestellt. Manche von ihnen mit den authentischen Materialien, manche als naturgetreue Attrappen. So sind einige Schwerter tatsächlich aus massivem Stahl geschmiedet worden, andere dagegen aus Fiberglas hergestellt und einige schlicht aus Gummi, dem dann durch penible Bemalung ein metallischer Look verpaßt wurde. Das Aussehen der Waffen wurde zudem symbolisch zu dem Charakter ihrer Besitzer designt. Die Pistole von Piratenbraut Morgan war zum Beispiel silber, geschmückt mit einem edlen Löwenkopf, wahrend Dwags Waffe als Zierde einen bleichen Totenschädel bekam.

Nach Monaten, in denen fieberhaft ein komplettes Jahrhundert rekonstruiert wurde und Hunderte von Mitarbeitern penible und aufwendige Arbeit ablieferten, kam der Moment, der so manchem in der Seele weh tat: Wahrend des Drehs wurde alle Arbeit hemmungslos zerstört. Mein Motto ist: Wenn Du etwas aufgebaut hast, bleiben Dir danach nur zwei Möglichkeiten: Du brennst es nieder oder Du jagst es in die Luft, lacht Renny Harlin. Andernfalls wäre es einfach Geldverschwendung.

Wie atemberaubend solch eine hemmungslose Zerstörungswut sein kann, zeigt sich besonders bei der finalen Seeschlacht zwischen der Morning Star und der Reaper, die den monumentalen Höhepunkt des Films markiert. Da sich eine solch gigantische Szene nicht wiederholen läßt, erforderte sie immensen logistischen Aufwand. Sekundengenau wurde getimt, wann welche der insgesamt 40 Kanonen abgefeuert werden konnte, jeder Schritt der Darsteller und Statisten mußte auf den Millimeter genau vorbestimmt und die Bewegungen des Wassers im Tank exakt berechnet werden. Neun Kameras, an zentralen Punkten der Szenerie plaziert, filmten das Ereignis. Einige wenige Explosionen und Effekte, die sich einfach nicht realistisch ausfuhren ließen, wurden dann nachträglich noch von FXSpezialist Jef Okun als digitaler Trick eingefügt. Als das atemberaubende Shooting schließlich sein Ende fand, die turmhohen Kulissen in Trümmern lagen und Renny Harlin ein letztes Mal Cut! rief, konnte jeder in der Crew Dawg Brown verstehen, der inmitten des Schlachtengetümmels gedankenverloren an der Reling stand und lächelnd seufzte: I love it!


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