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Die Stille nach dem Schuss

Inhalt


PS

Vergiß nicht vater wenn du frierst
ich bin wie du geworden
ich laß mich nicht und laß mich nie
mit lauten lügen morden

vergiß nicht mutter wenn du weinst
du hast mich gut erzogen
und niemand kriegt und keiner kriegt
mich einfach krummgebogen

vergeßt nur nie unter der last
eurer langen leben
ich bin zu jung um schwach zu sein
zu blind um aufzugeben

"PS" von Silly, gesungen von Tamara Danz


Szene Deutschland in den 70er Jahren. Über die heitere Anarchie kommt Rita Vogt (Bibiana Beglau) zum Terrorismus, verführt durch ihren Gerechtigkeitsinn und durch die Liebe zu Andi (Harald Schrott).

Als sie das Scheitern der Bewegung erkennt, taucht sie in der DDR unter. Mit Hilfe der Staatssicherheit, personifiziert in Erwin Hull (Martin Wuttke), beginnt für sie dort unter anderem Namen eine neue Existenz. Rita führt sozusagen das normale Leben der Arbeiterklasse. Sie will ankommen, während ihre junge Kollegin Tatjana (Nadja Uhl) weg will, in den Westen. Zwischen beiden beginnt eine Freundschaft, der eine Fahndungsmeldung im Westfernsehen ein abruptes Ende setzt.

Wieder muss Rita untertauchen. Mit einem neuen Namen in einer neuen Stadt scheint sie mehr Glück zu haben. Rita lernt im Urlaub den Studenten Jochen (Alexander Beyer) kennen. Er will sie mitnehmen nach Moskau. Doch dann wird Rita von ihrer Vergangenheit eingeholt, es ist das Jahr 1989 - die Mauer fällt, die DDR hört auf zu bestehen.


Szene Die Stille nach dem Schuss wurde als offizieller Wettbewerbsbeitrag bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin 2000 uraufgeführt. Bibiana Beglau und Nadja Uhl erhielten ex aequo den Silbernen Bären in der Kategorie "Beste Darstellerin", außerdem wurde der Film von der Wettbewerbsjury mit dem Blauen Engel als "Bester Europäischer Film" ausgezeichnet.

"Der Film behandelt sein Thema nicht in Form einer dramatisierten Dokumentation. Die Ereignisse sind genau recherchiert, die Personen, ihre Charaktere und der Bogen der Erzählung sind jedoch frei erfunden. Alles ist so gewesen, nichts war genau so. Der Film beschreibt das Schicksal einer jungen Frau, wie es wohl nur in Deutschland hätte geschehen können." (Wolfgang Kohlhaase)

Regisseur Volker Schlöndorff knüpft mit seiner direkten, knappen, klaren Erzählweise an die großen Erfolge seiner politisch engagierten Filme der 70er Jahre an (Die verlorene Ehre der Katharina Blum). Sein Film nach dem Skript des renommierten Drehbuchautors Wolfgang Kohlhaase ist eine Überraschung für jeden, der genau zu wissen glaubt, wie man heute über West-Terroristen und Ost-Alltagsleben urteilen müsste.

Der Film ist komisch, tragisch, ernst - und provozierend. Die Kontroversen zwischen begeisterten Publikumsreaktionen, Pro- und Contra-Kritiken und den Preisen auf der Berlinale lassen eine lebendige Diskussion auch zum Kinostart erwarten.


Wolfgang Kohlhaase beschreibt das Thema

Dies ist die Geschichte von Rita Vogt, die über die heitere Anarchie zu den Terroristen kam. Als sie in Westberlin ihren Freund Andi aus dem Gefängnis befreit, als sie mit ihm und anderen über Ostberlin nach Beirut entkommt, wird sie mit der Stasi bekannt. Der Mann, der sich um sie kümmert, heißt Hull.

Nach Jahren lebt sie versteckt in Paris, sitzt in den selbstzerstörerischen Diskussionen einer gescheiterten Bewegung, sieht, daß Andi zu Anna gehört, gerät in eine Verfolgung, tötet einen Polizisten.

Hull kommt wieder ins Spiel, als sie nach Ostberlin fährt, selbst entmutigt und mit dem Auftrag, für andere Entmutigte, die in möglichst ferne Länder wollen, die Vermittlung der DDR zu erbitten. Die Stasi ist an verdeckten Beziehungen zu den Terroristen interessiert. Die Stasi will aber nicht vermitteln. Wenn schon, dann will sie die Leute im eigenen Land haben und im eigenen Blick.

Hull gibt die Spielregeln bekannt, die für immer geheim sein werden.

So trennen sich die Wege: Andi, Anna und andere bleiben im Westen. Rita, ihre Freundin Friederike und andere betreten den Osten, den sie nur vom Durchreisen kennen, ein ungenaues graues Bild.

Rita ist entschlossen, sich auf diese zweite deutsche Gegend einzulassen. Sie arbeitet in einer Fabrik. Doch dann begegnet ihr eine andere Wirklichkeit als sie erhofft hat, vor allem durch die Bekanntschaft mit ihrer Kollegin Tatjana. Tatjana revoltiert gegen erstarrte Verhältnisse, an die Rita den Rest ihres Traums von einer anderen Welt hängt. Rita will ankommen, Tatjana will weg. Als Andi in einer Schießerei ums Leben kommt, als das westdeutsche Fernsehen die alten Fahndungsbilder auch in den Osten sendet, wird Rita auf einem Foto von damals erkannt.

Sie muß auch aus ihrem zweiten Leben verschwinden. Sie muß Tatjana belügen, die inzwischen ahnt, wer Rita ist.

Hull plant ihr drittes Leben. Mit anderem Namen in eine andere Stadt, mit einem nochmal geänderten Lebenslauf in eine abermals geänderte Erwartung. Es beginnt mit einer kleinen Tätigkeit in einem großen Betrieb. Sie fährt mit einem Kinderferienlager an die Ostsee.

Sie war noch nie an der Ostsee. Ihr fällt auf, daß sie nach allem noch immer eine junge Frau ist, auf die ein junger Mann sein Auge wirft. Er hilft aus als Bademeister, aber eigentlich ist er ein Physiker, der eine Karriere vor sich hat. Er heißt Jochen und kommt ihr an einem idyllischen Strand vor wie ein Mann von einem anderen Stern. So wie das kleine, streng regierte Land, aus dem viele wegwollen, manchmal auf einem eigenen Stern zu liegen scheint.

An der Kurpromenade singt ein Chor, der mit einem Bus gekommen ist, ein Lied von Mathias Claudius. Kulturleben. Rita entdeckt bei den Sängerinnen Friederike, einst Tochter aus gutem Hause, später Terroristin. Jetzt ist sie in der DDR-Provinz verheiratet und hat einen Sohn. Was hat man mal gewollt?

Der Sommer ist um, niemand weiß schon, daß es der letzte Sommer der DDR ist. Jochen, die Urlaubsliebe, taucht auf und macht Rita einen Heiratsantrag. Er will sie mitnehmen auf eine Arbeit ins Ausland, ein Institut in Moskau. Was hätte sie dort zu tun? Sie könnte die Mutter seiner Kinder sein. Es hört sich komisch an. Es hört sich auch ernst an. Ein Mann, eine Frau, ein Kind. Und die Frau ist Rita. Und es wäre das normale Leben.

Rita braucht die Zustimmung von Hull und seinem Amt, die er ihr verweigert. Jochens Zukunft und ihre Vergangenheit, das läßt sich nicht verbinden.

Rita erfährt, daß Tatjana verhaftet worden ist. Vielleicht ihretwegen. Sie will mit Tatjana sprechen und beginnt in ein Heft zu schreiben, was sie ihr sagen will. Sie will sagen, wie bis hierher ihr Leben war.

Als die Mauer gefallen ist, verlangt die Bundesrepublik von der DDR die Auslieferung jener Personen, zu denen auch Rita gehört. Nun will ihr auch die Stasi nicht mehr helfen, bis auf Hull, der sie wissen läßt, daß die Volkspolizei sie verhaften wird. Sie flieht und stirbt an einer Straßenkreuzung, die vorerst noch ostdeutsch bewacht wird. Sie stirbt auf einem deutschen Irrweg.

Alles ist so gewesen. Nichts ist genau so gewesen.


Details

Deutschland in den 70er Jahren. In den Erinnerungen von Rita Vogt (Bibiana Beglau) sind es die heiteren Jahre in ihrem Leben. Gemeinsam mit ihren Genossen überfällt sie eine Bank. "Enteignungsaktion" nennen sie ihren bewaffneten Raubzug, Sätze wie "Eigentum ist Diebstahl" und "Nieder mit dem Kapitalismus" sind ihre Motivation. Rita glaubt an eine gerechtere Welt, die sie mit Gewalt durchsetzen will. Verstärkt werden ihre Gefühle durch ihren Sinn für Gerechtigkeit und ihre Liebe zum charismatischen Anführer Andi (Harald Schrott).

Rita reist aus Beirut über Ost-Berlin nach West-Berlin. Durch ihre Pistole im Gepäck macht sie zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem ost-deutschen Überwachungssystem. Erwin Hull (Martin Wuttke) heisst der Mann, der sie ungeschoren nach West-Berlin durchreisen lässt und von nun an ein wachendes und schützendes Auge auf sie werfen wird.

In Berlin will Rita mit Friederike (Jenny Schily) und Klatte (Mario Irrek) Andi aus dem Gefängnis befreien. Die Aktion verläuft nicht wie geplant, es gibt einen Verletzten auf der einen und einen Tote auf der anderen Seite. Über Ost-Berlin können die vier entkommen, zunächst ins vermeintlich sichere Beirut, später nach Paris.

Jahre sind vergangen. Selbstzerstörerische Diskussionen und Andis Affäre mit Anna (Franca Kastein) zehren an Ritas Nerven; im Zuge einer Verfolgungsjagd erschiesst sie einen Verkehrspolizisten. Rita flieht nach Ost-Berlin, um für sich und andere Aussteiger, die in möglichst ferne Länder wollen, die Vermittlung der DDR zu erbitten.

Doch die DDR zeigt kein Interesse am Vermitteln. Wenn schon, dann will sie die Leute im eigenen Land haben, unter eigener Kontrolle. Rita entscheidet sich gegen die Bewegung und gegen Andi. Sie will sich auf das andere Deutschland einlassen.

Hull: "Dann beginnen wir jetzt mit deiner Legende."

Rita: "Was ist meine Legende?"

Hull: "Dein falsches Leben. Das jetzt dein richtiges wird."

Aus Rita Vogt wird Susanne Schmidt, Arbeiterin im VEB Modedruck. Dort begegnet ihr eine andere Wirklichkeit, als sie erhofft hat, vor allem durch ihre Bekanntschaft mit der Kollegin Tatjana (Nadja Uhl). Tatjana revoltiert gegen die erstarrten Verhältnisse, an die Rita den Rest ihres Traums von einer besseren Welt gehängt hat.

Rita will ankommen, Tatjana will weg und sei es durch Wodka, den sie im "Konsum" stiehlt. Die beiden Frauen verbindet bald eine starke Freundschaft. Durch Zufall erfährt Rita aus den Nachrichten des West-Fernsehens, dass Andi an der deutsch-französischen Grenze erschossen wurde. Auch ihr Fahndungsfoto wird ausgestrahlt - Ritas Legende ist nicht mehr sicher. Es vergeht kein Tag und sie muss aus ihrem zweiten Leben verschwinden, muss ihre Freundin Tatjana belügen, die inzwischen ahnt, wer Rita wirklich ist.

Erwin Hull plant Ritas zweite Legende und den Start in ein drittes Leben. Diesmal wird aus Rita Vogt Sabine Walter, die in einem Kombinat für die Betreuung von Kindern zuständig ist. Mit ihnen fährt sie in ein Ferienlager an die Ostsee. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist Rita am Meer und nach Jahren der Flucht fallen alle Anspannungen von ihr ab.

Rita ist glücklich, versteht nicht, wie es Menschen geben kann, die aus diesem Land wegwollen. Jochen (Alexander Beyer), der Physik-Student, der im Sommer am Strand als Bademeister aushilft, teilt ihre Ansichten. Nach vielen Jahren ist Jochen der erste Mann, bei dem sich Rita wieder geborgen und verstanden fühlt.

Aus dem Urlaubsflirt wird Liebe. Eine dunkle Vorahnung befällt Rita erst, als sie zufällig auf der Kurpromenade eine Freundin aus den kämpferischen Tagen in Westdeutschland wiedertrifft. Auch Friederike ist in der DDR untergetaucht, führt nun mit Mann und Kind ein bürgerliches Dasein in der Provinz. Doch der Schein vom heilen Leben trügt, Friederike ist weit davon entfernt glücklich zu sein.

Der Sommer geht vorbei und noch ahnt niemand, dass es der letzte der Deutschen Demokratischen Republik sein wird. Unvermittelt taucht Jochen bei Rita auf und hält um ihre Hand an. Er will sie mitnehmen nach Moskau, wo man ihm eine Stelle an einem wissenschaftlichen Institut angeboten hat.

Rita liebt Jochen, doch der Gedanke an eine Zukunft als "Mutter seiner Kinder" klingt so befremdlich wie beruhigend. Die Chance auf ein normales Leben lässt sie Hoffnung fassen. Doch Hull hält nichts von der Idee. Jochens Zukunft und Ritas Vergangenheit lassen sich nicht verbinden, das übersteigt sogar die Möglichkeiten seiner Behörde.

Die Lage um Rita verschlechtert sich. Für Erwin Hull wird es immer schwieriger sie zu schützen. Rita gesteht Jochen ihre Vergangenheit als Terroristin und findet sich wieder alleine. Tatjana wird verhaftet, weil sie zuviel über Rita weiss und sich weigert mit Hull zusammenzuarbeiten. Die Mauer fällt und Friederike wird von der Volkspolizei verhaftet.

Rita fürchtet, dass auch sie bald verhaftet und an die BRD ausgeliefert werden soll. Ein letztes Mal ergreift sie die Flucht. Sie stiehlt ein Motorrad und gerät in eine Straßenkontrolle. Als sie mit Vollgas die Sperre durchbricht, folgen ihr die letzten Kugeln aus einer ostdeutschen Maschinenpistole.

Alles ist so gewesen. Nichts war genau so.




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