Sagenhafte Magie - Die Welt der Computer-Animation
Trotz der sorgfältigen Stimmenauswahl, sowohl für die
Originalversion wie auch für die deutsche Synchronisation,
ist dieser Aspekt bei Animationsfilmen natürlich nur ein
Teil der "darstellerischen Leistung" einer Figur. Die
Charaktere in "Shrek - Der tollkühne Held"
wurden wesentlich durch das PDI/DreamWorks-eigene Gesichts-Animations-System
beeinflusst, das seit seinem ersten Einsatz in "Antz"
erhebliche Fortschritte gemacht hat. Während es in "Antz"
eben hauptsächlich Ameisen gab, ist "Shrek - Der
tollkühne Held" nun der erste computeranimierte
Film, der auch menschliche oder menschenähnliche Stars hat,
darunter natürlich auch der Titelheld.
Wie der leitende Animator Raman Hui sagt, ist "Shrek ein
Oger, aber gleichzeitig hat er dieselbe Palette an Gefühlen,
die wir alle haben. Es war sogar so, dass die größte
Herausforderung bei der Animation darin bestand, Gefühle
zu erzeugen, z.B. wenn Shrek etwas verbergen wollte, was er wirklich
fühlte... wenn er das eine sagte, aber etwas anderes dachte.
Animatoren sind genau wie Schauspieler; es liegt dann ganz an
uns, diese Emotionen mit dem Gesicht auszudrücken".
Das Gesichts-Animations-System ermöglichte es Hui und seinem
Team, komplexe Gefühle und Ausdrücke umzusetzen, und
das dank eines bemerkenswerten Schicht-Systems, das auf echter
menschlicher Anatomie basiert. Die Applikation des Systems beginnt
bei den technischen Leitern der Figuren, die unter der Verantwortlichkeit
von Lucia Modesto und Luca Prasso standen.
Einfach gesprochen beginnt man damit, den Schädel der Figur
im Computer zu formen und darüber die mit dem Computer nachgebildeten
echten Gesichtsmuskeln zu legen. Darüber wiederum wird die
Haut gelegt, und so programmiert, dass die auf Manipulationen
der Muskeln reagiert, ganz wie bei einem menschlichen Gesicht,
komplett mit Falten, Lachfalten und anderen Unebenheiten.
Wie menschliche Nerven laufen Hunderte von virtuellen Drähten
zu diesem Gesicht und ermöglichen es den Animatoren, weit
über die für das lippensynchrone Sprechen notwendigen
Gesichtsausdrücke hinauszugehen. Und durch eine große
Auswahl an Befehlskombinationen mit verschiedenen Prozentsätzen
ließ sich eine Bandbreite von Gesichtsausdrücken erreichen,
die ebenso breitgefächert war wie die eines menschlichen
Schauspielers. Doch trotz dieser Verfahrensweise mussten die
Techniker für jede Figur spezifische Einstellungen vornehmen,
um die jeweils gewünschten Ausdrücke zu ermöglichen.
Dieselben Befehle, die bei einer Figur ein Lächeln hervorriefen,
konnten bei der nächsten zu einem gänzlich anderen
Ergebnis führen.
Für die Animation der ganzen Figuren kam das Team bei PDI/DreamWorks
folgerichtig zu dem Schluss, dass die Techniken, die man für
ihre Gesichtszüge anwendete, ebenso für die gesamte
Körperstruktur benutzt werden konnten. Auch hier wieder
formt das Skelett den Kern, darüber liegen Muskeln, Haut
und in einigen Fällen Kleidung. Ein bahnbrechendes Programm,
das die Softwareentwickler "Shaper" nannten, wurde
dazu verwendet, realistische Verformungen der Haut als auch der
Kleidung zu erzeugen.
Im Grundsatz ist der "Shaper" ein Schichtprozess, der
die Oberfläche von innen heraus verformt. Wenn man die innerste
Lage modifiziert, dann setzen sich diese Änderungen von
innen nach außen fort, um schließlich die äußere
Form zu verändern. Das basiert auf dem gleichen Prinzip,
das die menschliche Armmuskulatur dazu bringt, sich zu bewegen,
wenn man den Arm bewegt. Indem sie den "Shaper" einsetzten,
konnten die Animatoren nicht nur realistische Verformungen der
Haut erzielen, sondern auch Falten in den "Kostümen",
die auf die Art und Weise reagierten, in der sich die Figuren
bewegten.
Die Kinogänger sind mehr als vertraut mit den Eigenschaften
menschlicher Haut, und so war die Erzeugung wahrheitsgetreuer
Haut eine der größten Herausforderungen für die
Animatoren, besonders bei Prinzessin Fiona. Um ihrer Erscheinung
die durchscheinende und helle Qualität echter Haut zu geben,
wurde ein spezielles Programm namens "Shader" verwendet.
Einfach gesprochen, bestimmt der "Shader" die Beeinflussung
einer Oberfläche durch Licht, indem es die Schattierung
ebenso wie die stofflichen Qualitäten manipuliert - von
glatt bis rauh, von matt bis glänzend, und so weiter.
Der "Shader" erlaubte es den Lichtspezialisten, die
Haut mit Licht zu belegen, das wirkte, als würde es die
Haut durchdringen, sich brechen und wieder nach außen dringen.
Konzentrierteres Licht schuf einen natürlichen, glänzenden
Schein, während breitere Lichtstrahlen die obersten Schichten
toter Haut simulierten, wie es eben auch bei uns der Fall ist.
Es war schwer, hier das Gleichgewicht zu halten, denn zuviel
Glanz und Schein hätte zum Aussehen eines Mannequins aus
Plastik geführt. Schließlich holte man den Expertenrat
eines Make-Up-Künstlers aus Hollywood ein, der dem Licht-
und Oberflächtenteam die passenden Schminktechniken zeigte,
sodass sie an Fionas Gesicht die letzten feinen Änderungen
vornehmen konnten.
Bei der Erschaffung von Fiona stellten die Filmemacher allerdings
fest, dass man eine gute Technik auch übertreiben kann:
Es kam ein Punkt, an dem sah sie so fotorealistisch aus, dass
die Animatoren sie "zurückstufen" mussten, damit
sie vom Stil her noch in die Märchenwelt von "Shrek
- Der tollkühne Held" passte.
Eine andere Art von "Shader" kam extra für die
Augen der Figuren, die oft als Fenster ihrer wahren Emotionen
dienen, zum Einsatz. Dabei wurde die Iris individuell animiert,
damit sie auf die Lichtmenge der jeweiligen Einstellung reagieren
konnte, und ein Satz virtueller Lichter wurde eingesetzt, um
die Strahler zu imitieren, die den Glanz in die Augen bringen.
Ein noch komplexerer "Shader" wurde angewendet, um
das Fell des Esels zu erzeugen. Allerdings standen die Lichtspezialisten
schnell vor dem Problem, dass computeranimiertes Fell die Tendenz
dazu hat, wie das Fell von Plüschtieren zu wirken. Die für
die Oberfläche zuständigen Animatoren benutzten sogenannte
"Flow Controls" innerhalb des "Shaders",
um damit die Richtung und die Schichtung des Fells zu bestimmen,
sodass es flach liegen, sich überkreuzen oder sogar in sich
verwirbeln würde.
Das Team für die Visuellen Effekte, unter der Leitung von
Ken Bielenberg, konnte das Fell dann beeinflussen, indem es auf
die Umwelteinflüsse reagierte. Dieselbe Technologie kam
bei den Augenbrauen, Bärten, bei Gras, Moos und sogar bei
den ausgefransten Rändern von Shreks Kleidung zum Einsatz.
Für menschliches Haar dagegen musste man auf eine völlig
andere Rendering-Technik zurückgreifen, und es war notwendig
- wie bei fast allem im Bereich der Computeranimation - ein Teamwork
zwischen der Technischen Leitung, der Animation, der Beleuchtung
und dem Team für die Visuellen Effekte zu schaffen. Fionas
Zopf zum Beispiel fing seine Existenz als Haarklumpen an, der
von den Technischen Leitern entwickelt wurde. Dann wurde der
Zopf mittels einer dynamischen Simulation, bei der er die Bewegungen
des Kopfes nachahmte, animiert, sodass er hin- und herschwang,
gegen Fionas Körper schlug und davon zurückschwang.
Die Licht- und Effektabteilungen schließlich entwickelten
Techniken, um dem Haar den richtigen Glanz und Farbvariationen
zu geben.
Obwohl die Animation der vier Hauptfiguren die wichtigste Aufgabe
der Produktion war, bestand ein erheblicher Teil der Arbeit auch
in der Animation der Massenszenen, darunter die etwa 1000 Zuschauer
bei der Turnier-Szenerie zu Beginn des Filmes, sowie 1500 Hochzeitsgäste
am Schluss. Auch hier konnte die Animation deutliche Fortschritte
im Vergleich zu "Antz" machen, denn - anders
als Ameisen - gibt es Menschen in allen möglichen verschiedenen
Formen und Größen.
So wurde ein digitales "Puppenrepertoire" an Männern,
Frauen und Kindern kreiert, mit den unterschiedlichsten Köpfen,
Körpern, Haaren, Gesichtern und Kleidern. Diese ließen
sich untereinander für insgesamt mehr als 450 mögliche
Figuren kombinieren. 93 von Hand animierte Bewegungsabläufe
- gehen, klatschen, jubeln, rennen und so weiter - wurden dann
per Zufallsgenerator jeder Figur in dieser Menge zugeordnet,
um ein Bild von Individualität entstehen zu lassen. Wenn
man das alles multipliziert, so gibt es zehntausende von möglichen
"Permutationen" für die "Statisten"
des Films.
"Shrek - Der tollkühne Held" geht auch
im Bereich der Animation von Feuer und Wasser bahnbrechende neue
Wege. So wurden die Effekte des feuerspeienden Drachens mit einer
Technik namens "volumetric rendering" erzeugt. In der
digitalen Welt bezeichnet man alles innerhalb einer bestimmten
Grenze als eine Einheit, wobei man davon aber nur das sieht,
was sich innerhalb dieser Grenzen befindet und nicht die Grenze
selbst. Das für "Shrek - Der tollkühne Held"
erzeugte Feuer ist eine dichte Aufeinanderlagerung von Millionen
solcher Einheiten, die dann noch einem zweidimensionalen Imaging-Prozess
unterzogen wurden, damit dann letztlich der Eindruck eines dreidimensionalen
lodernden Feuers entsteht.
Unter Einsatz des preisgekrönten Fluid Animation Systems
(FLU) von PDI/DreamWorks machte man seit "Antz"
auch bei dieser Technik erhebliche Fortschritte. Das System erlaubt
es dem Effekt-Team, eine breite Palette von Flüssigkeiten
mit verschiedener Dichte zu kreieren - von Wasser über Schlamm
und Bier zu Lava und Milch. Dazu muss man sich digitale Sphären
vorstellen, die sich frei im Raum bewegen und die beim Aufeinandertreffen
eine einheitliche, sogenannte Iso-Oberfläche bilden. Diese
kann mehr oder weniger dicht sein, was sich dann in einer unterschiedlichen
Dicke der Flüssigkeit niederschlägt. Zusätzlich
erlaubte die Software den Animatoren, die Reaktionen bei Zusammenstößen
von Flüssigkeiten innerhalb einer oder an einer festen Oberfläche
zu definieren, zum Beispiel bei Milch in einem Glas. Außerdem
ließen sich die Fließrichtungen kontrollieren sowie
verschiedene Arten von Flüssigkeiten mit verschiedenen Dichten
vermischen.
Ein Beispiel für Letzteres sieht man in einer Szene in Duloc,
in der Shrek einen Zapfen aus einem Bierfass herausstößt
und daraufhin das Bier herausläuft und über den Matsch
fließt. Wenn man dem dann noch die animierten Charaktere
hinzufügt, die mit diesem Missgeschick interagieren, dann
wird das Ganze schon ziemlich kompliziert.
Um ein nicht ganz so technisches Detail anzusprechen, verrät
Ken Bielenberg, dass das Team sehr viel Spaß daran hatte,
sich über die Animation von Shreks Schlammdusche Gedanken
zu machen. "Wir steckten einen der Jungs in einen gelben
Regenmanel und schmierten ihn von oben bis unten mit Matsch ein.
Abgesehen davon, dass das wirklich eine Menge Spaß gemacht
hat, bekamen wir auch eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie
sich Schlamm so verhält", erzählt er.
Obwohl sie natürlich nicht flüssig sind, wurden auch
herumwirbelnde Blätter mit dem Fluid Animation System erzeugt,
obwohl sie nur einen winzigen Teil des üppigen Grüns
im Film repräsentieren. PDI/DreamWorks entwickelte ein richtiges
digitales Gewächshaus, um darin die im Film zu sehenden
über 28.000 Bäume mit ihren drei Millarden Blättern
zu "züchten". Würde man all diese Blätter
aneinanderbinden, dann bekäme man ein "Blatt-Band",
das so lang wäre, dass eine Länge von der vierfachen
Entfernung zwischen Erde und Mond hätte. Und die Bäume
und Pflanzen waren auch beileibe nicht bewegungslos, sie biegen
sich und reagieren auf den Wind, auf die Bewegungen der Figuren
und andere Veränderungen ihrer Umwelt. Dies erreichte man
wiederum mit dem "Shader" -System.
Doch bei allem Stolz, den die Filmemacher in Anbetracht der technologischen
Fortschritte in "Shrek - Der tollkühne Held" haben,
hoffen sie dennoch, dass die Kinozuschauer dies nicht einmal
bemerken. Regisseur Andrew Adamson erklärt: "All diese
Effekte sind ja nur dazu da, Vielschichtigkeit und Realität
in diese Welt zu bringen. Das ist ungeheuer wichtig bei unserem
Versuch, die Illusion von Leben zu erzeugen."